Kalt erwischt hat MOTORRAD die brandneue Kawasaki ZX-12R bei einer Erprobungsfahrt im Frankfurter Raum.
Kalt erwischt hat MOTORRAD die brandneue Kawasaki ZX-12R bei einer Erprobungsfahrt im Frankfurter Raum.
Der Spekulationen gab es viele, Beweise bislang keine. Doch endlich ist Schluss mit den Geheimnissen um das neue Supermodell von Kawasaki. Die ZX-12R wurde von MOTORRAD auf frischer Tat ertappt. Und was auf diesen ersten »Echtfotos« zu erkennen ist, lässt in Verbindung mit den wenigen gesicherten Informationen so einiges erwarten.
War in letzter Zeit lediglich von sensationellen Leistungsdaten die Rede (182 PS bei 10500/min) und einem Topspeed, der noch über dem Hayabusa-Rekord liegen soll, lassen sich auf den Erlkönigfotos jede Menge technischer Highlights erkennen. Die könnten die ZX-12R nebst superlativer Power zu einem der interessantesten Newcomer des Jahres 2000 machen. Da wäre zum Beispiel die Rahmenkonstruktion. Um die Baubreite der Maschine zu reduzieren, verzichtete Kawasaki darauf, die Rahmenprofile wie gewöhnlich außen um den Motor zu führen. Eine massive Konstruktion aus Aluminium verläuft über dem Vierzylinder vom Steuerkopf bis zur Schwingenaufnahme. Die große Airbox ist in diesen Rahmen integriert, der Luftfilter nach Abheben der Tankattrappe leicht von oben austauschbar. Tank und Batterie sind im Rahmendreieck unter der Sitzbank platziert, was einen niedrigen und damit handlingsfreundlichen Schwerpunkt sichert. Das Vorderrad wird, wie bei den ZX-7R-Modellen, von einer Upside-down-Gabel geführt.
Motorseitig achtete Kawasaki ebenfalls auf kompakte Bauweise. Die Steuerkette auf der rechten Motorseite spart eine Lagerstelle der Kurbelwelle, so dass der komplett neu gezeichnete, 1198 Kubikzentimeter große Kraftprotz die Abmaße der ZX-9R nicht überschreiten dürfte. Gefüttert werden die vier Zylinder von einer Einspritzanlage mit je einer Einspritzdüse pro Zylinder. Die Zündspulen sind in den Kerzensteckern integriert. Alles in allem soll die ZX-12R nur 225 Kilogramm wiegen - und zwar vollgetankt!
Neben den kleinen, der Stabilisierung dienenden Seitenflügeln an Verkleidung und Gabeltauchrohren fällt vor allem der riesige, weit hervorstehende Einlass-Schlund unter der Verkleidungsnase auf. Nicht besonders elegant, aber sicherlich effektiv. Immerhin ist diese Bauweise in der 500er-WM bereits Standard. Über dem Einlass bilden zwei große, gleichzeitig brennende Scheinwerferaugen eine Lichtquelle, die selbst der blindeste Verkehrsteilnehmer rechtzeitig erkennen sollte. Passive Sicherheit nennt man das. Und die kann man angesichts der zu erwartenden Fahrleistungen nicht genug haben. Zu dieser zählt auch eine überarbeitete Bremsanlage mit großen Scheiben im 320er-Format.
Äußerst schlicht präsentiert sich die Lackierung. Neben dem ertappten Modell in Silber/Schwarz wird es die Zwölfer auch in Rot geben. Über eine weitere Farbvariante speziell für Deutschland denkt man im Hause Kawasaki noch nach. Die sportliche Höckerabdeckung wird serienmäßig sein, obwohl die Marketingstrategen eher den tourensportlichen Charakter der ZX-12R in Vordergrund stellen. Zwischen ZX-9R und ZZ-R 1100 soll der neue Überflieger sein eigenes Plätzchen finden. Die letztlich erreichbare Höchstgeschwindigkeit von rund 310 km/h wird daher lediglich als Abfallprodukt einer technisch modernen und konsequenten Konstruktion gesehen. Viel wichtiger: Souveränität, stressfreies, schaltfaules Dahingleiten und ein deutlich besserer Windschutz als bei der Hayabusa sollen den Kraftmeier zum liebenswürdigen Alltagsgenossen machen. Neben analogem Drehzahlmesser und Tachometer informiert ein großes, multifunktionales Digitalinstrument à la Honda VFR über so nützliche Dinge wie Benzinmenge, Uhrzeit oder zurückgelegte Tageskilometer.
Der ständige Vergleich zu Suzukis Hayabusa schmeckt den Verantwortlichen bei Kawasaki nicht so recht. Die Zwölfer ist nicht als Antwort auf den schnellen Wanderfalken, sondern als eigenständige Idee zu sehen. Immerhin begann Kawasaki bereits 1996 mit der Entwicklung lang bevor von einer Hayabusa die Rede war. Und das Kawasaki-Konzept darf als durchaus schlüssig bezeichnet werden, hat man im Gegensatz zu Suzuki sogar an einen geregelten Katalysator gedacht diesmal serienmäßig und nicht wie bei der ZX-9R als Option.
Übrigens: Gerüchte, die ZX-6R und ZX-9R würden mit demselben neuen Rahmenprinzip für das kommende Jahr modifiziert, sind als solche zu betrachten. Tatsache ist: Beide Modelle bleiben, wie sie sind, und erfahren lediglich eine Modellpflege im herkömmlichen Ausmaß.