Gebrauchtkauf Yamaha TDM 850

Gebrauchtkauf Yamaha TDM 850 Sound of Singles

Mit dem serienmäßigen Auspuffgeräusch bleibt der TDM-Fahrer meist allein.

Wie sollte sich ein Zweizylinder-Motorrad anhören? Dumpf bollernd im Leerlauf vielleicht. Oder grollend? Angemessen wäre auch so eine Art Ballern. Oder ein Blubbern. Und oben heraus mehr so ein kerniges Brummen. Vielleicht auch ein sattes Dröhnen. Die Lebensäußerungen jedoch, die eine TDM von sich gibt, sind davon weit entfernt. Leise ist ja okay, schließlich schont das nicht nur die Ohren der Anrainer, sondern auf langen Strecken auch die des Fahrers. Aber dieses ausgeprägt blecherne Auspuffgeräusch läßt verschwommene Kindheits-Erinnerungen an die Augsburger Puppenkiste aufkommen. Sie wissen schon, die Ritter in Konservendosen-Rüstungen, die stets auf Kommando diverse Hügel herabrollten. Schade eigentlich, denn so rückt das interessante Erscheinungsbild - Froschgesicht und Designer-Hintern - für den Betrachter bei angelassenem Motor doch etwas in den Hintergrund.

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Genug jetzt des Geräuschs, fährt sich so eine TDM denn wenigstens gut? Und ob. Der Motor läuft dank zweier wirkungsvoll rotierender Ausgleichswellen vibrationsarm, nur bei einer Drehzahl von zirka 4500/min durchläuft ein leichter Schauder das Motorrad. Der Druck bei unteren Drehzahlen ist ordentlich, die Bremsen sind erste Sahne, der Motor ist zuverlässig und langlebig und die Sitzposition, besonders für lange Leute, sehr entspannt. Das Fahrwerk ist sehr handlich, und durch die enorme Bodenfreiheit sind zur Not sogar gemäßigte Gelände-Einlagen möglich. Pfiffig und höchst selten: Durch eine zweite, durch einen einfachen Handgriff unter der Sitzbank zuschaltbare Feder im Zentralfederbein läßt sich die Federrate ruckzuck und wirkungsvoll verschiedenen Beladungszuständen anpassen. Gibt's denn auch was zu meckern?

Und ob. Das Motorrad hört sich ... halt, das hatten wir ja schon. Das Lastwechselspiel ist ausgeprägt und das Getriebe ruppig. Sprit schluckt die TDM serienmäßig viel zu viel, die Gabeldichtringe halten nicht lange, Choke und Benzinhahn sind versteckt angebracht, und die Verkleidungsteile dröhnen hin und wieder. Daß an einem Straßenmotorrad kein Hauptständer montiert ist, ist nicht nur beim Kette spannen ärgerlich. Und zudem läßt die Service-Freundlichkeit arg zu wünschen übrig. Während sich die Zündkerzen noch mit Hilfe des Bordwerkzeugs und gelenkigen Spinnenfingern ohne Demontage-Arbeiten herauspulen lassen, wird's spätestens beim nötigen Austausch des Luftfilters bitter: Sitzbank runter, die beiden Seiten- und das Oberteil der Verkleidung ab - dann erst kann der alles verdeckende Tank runter. Beim Zusammenbau fallen meist noch die »Gewinde-Gummis« zur Aufnahme der Seitenverkleidungen in den Rahmen.

Noch schlimmer wird's naturgemäß, wenn das Ventilspiel überprüft werden soll, weil hier noch viel mehr abgebaut werden muß. Yamaha schreibt diesen Akt zwar nur alle 42 000 Kilometer vor. Erfahrungsgemäß ist eine Einstellung aber häufig schon nach den ersten 25 000 Kilometern fällig, da bereits dann das Spiel der Einlaßventile gegen Null tendiert.

Die 1992 auf den Markt gekommene TDM erfuhr bereits einige Modellpflege-Maßnahmen. So wurde das zunächst ziemlich gruftige Erscheinungsbild für 1993 durch einige Retuschen (Schalldämpfer und Lenker verchromt, Motor und Rahmen heller, Rastenhalter poliert) etwas adretter gestaltet. Außerdem bekam dieser Jahrgang einen Regler mit größerem Kühlkörper verpaßt, da der alte bei einigen Modellen vorschnelle Ausfallerscheinungen zeigte.

Bei der 1994er Ausgabe ging die Modellpflege in die Tiefe, genauer gesagt in die Motor-Tiefe, denn durch Modifikationen an den Schaltgabeln, dem Kupplungskorb und den Getriebewellen wollte Yamaha dem TDM-Getriebe endlich vernünftige Manieren beibringen. Von durchschlagendem Erfolg dieser Maßnahmen ist jedoch bis heute nichts bekannt geworden.

Rund 5500 TDM 850 konnte Mitsui bisher in Deutschland absetzen, das Angebot an Gebrauchten ist daher recht groß. Modelle des ersten Baujahrs kosten zirka 8500 Mark, fast unabhängig von der Laufleistung. Kein Wunder, der Motor ist nämlich kaum kaputtzukriegen. So waren nach dem 50 000-Kilometer-Langstreckentest von MOTORRAD (Heft 1/1993) lediglich die Auslaßventile leicht undicht und ein Gangrad aus dem Getriebe leicht angeknabbert - Kolben und Zylinder zeigten noch keine Schwächen.

Zur Besichtigung einer gebrauchten TDM braucht's demnach nicht viel Fachwissen. Im Prinzip sieht das dann so aus: Mit sorgenvoll gerunzelter Stirn an den Standrohren entlangstreifen und so prüfen, ob die Gabeldichtringe noch das halten, was sie sollen, nämlich dicht. Dann skeptisch am Hinterrad quer zur Fahrtrichtung ruckeln, um eventuell defekte Radlager festzustellen. Und schließlich die obligatorische Probefahrt machen und die wahrscheinlich wieder einmal verschlissenen Ruckdämpfer bequengeln - das war's dann auch schon, es darf gehandelt werden.

Wer ein etwas matt wirkendes 1992er Modell erwischt hat, kann seiner Maschine durch einige kleine Eingriffe recht leicht ein paar Glanzlichter aufsetzen. Viele Käufer bestellen zum Beispiel ihre neue TDM 850 gleich mit einer Auspuffanlage aus dem Zubehör und verzichten dankend auf die Original-Töpfe (die hören sich nämlich nicht gut an, wurde das hier eigentlich schon erwähnt?) - wahrscheinlich gar nicht ahnend, was für ein Kleinod sie da leichtfertig zurücklassen, kostet doch das verchromte Original über 2000 Mark. Mitsui war übrigens beim Durchblättern der Preisliste selbst erschrocken und will die Kalkulation dieses Teils noch einmal überdenken. Diese verwaisten Auspuffanlagen liegen nun bei manchen Händlern einfach herum - zu schade zum Wegwerfen, aber eigentlich für nichts zu gebrauchen - und warten darauf, daß sie für kleines Geld mitgenommen werden. Wird dann noch der verchromte Lenker des 1993 Modells auf polierten Halteböcken montiert, sieht alles schon viel freundlicher aus. Und wahre Glanzfetischisten polieren als I-Tüpfelchen noch den Motorschutz und den Bügel auf dem Heckbürzel.

Wer dagegen lieber etwas Nützliches machen möchte, kann zumindest die Spiegel der XJ 600 S montieren, die ermöglichen nämlich eine bessere Rücksicht. Und wer vor der Qual der Reifenwahl steht, sollte zu der Metzeler-Paarung ME Z1 und ME Z2 greifen, die in puncto Haftung und Haltbarkeit einen sehr guten Kompromiß bieten.

Ach ja, zum Schluß vielleicht einmal ein paar Worte über das Auspuffgeräusch der TDM: Da sie sich gar gräuslich anhört, fahren ziemlich viele mit Auspufftöpfen aus dem Zubehör herum. MOTORRAD wird diese Töpfe daher in naher Zukunft einem Vergleichstest unterziehen. Wenn damit das Geräusch besser wird, bleiben TDM-Fahrer wahrscheinlich auch nicht mehr allein.

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