Vergleich Mittelklasse-Allrounder
Mittelklasse Bikes von Yamaha, Kawasaki, Suzuki und Honda

Ein stark renovierter Zweizylinder stellt sich drei bestens etablierten Vierzylindermodellen: In der erschwinglichen, preisbewussten Mittelklasse trifft die dritte Generation der Kawasaki ER-6f auf die direkten japanischen Wettbewerber mit doppelt so vielen Zylindern. Was das gesamte Quartett eint: Es sind Motorräder, die immer für einen da sind, nicht überfordern, aber verdammt viel bieten.

Mittelklasse Bikes von Yamaha, Kawasaki, Suzuki und Honda
Foto: fact

Nicht viel los heute am Motorradtreff „Löwensteiner Platte“ bei Heilbronn, mittags unter der Woche. Trotzdem schade. Einfach kein Publikum da, um die komplett überarbeitete dritte Generation der Kawasaki ER-6f zu betrachten. Die 650er wirkt im grünen Dress und der markanter gestalteten Vollverkleidung auf den ersten Blick wie eine kleine Schwester der Kawasaki Z 1000 SX. Nur eben mit halber Zylinderzahl und knapp zwei Drittel des Hubraums. Hier und heute misst sich der Zweizylinder mit den mehr oder weniger verschalten Vierzylindermodellen von Honda, Suzuki und Yamaha.

In diesem Quartett ist die Honda die einzige Maschine, die ihren metallisch glänzenden Motor samt Edelstahlkrümmern funkelnd in die Sonne hält - ohne Plastikwindel links und rechts. Mit dreifach variierbarer Sitzhöhe und einfacher Beherrschbarkeit erreichen die CBF-Modelle ein breites Publikum. Die Suzuki GSX 650 F stellt die voll verkleidete Variante der 650er-Bandit dar, darf nur nicht so heißen. Und die Ya-maha XJ6 Diversion zitiert die Tradition der höchst erfolgreichen XJ-Modellfamilie aus den 80er- und 90er-Jahren mit 550 bis 900 Kubikzentimetern.

Was das Quartett eint? Alle vier Maschinen sind zuverlässig, voll alltagstauglich und handlich. Sie haben zwischen 600 und 650 Kubik, leisten auf dem Prüfstand kerngesunde 72 bis gut 80 PS und kosten zwischen 7000 und 8000 Euro. Eine attraktive, Erfolg versprechende Mischung. Die allerdings kaum fürs Häls-recken und Bewundertwerden reicht. Solche Maschinen gelten gemeinhin eher als etwas für Einsteiger (völlig zu Recht dank ABS, moderaten Gewichts und 34-PS-Optionen) und Frauen (nicht ganz zu Unrecht dank eher schmalen Zuschnitts). Aber es sind eben auch ausgewachsene Motorräder mit passablen Fahrwerken und kräftigen Motoren, die heute so viel leisten wie die „Jahrhundert-Motorräder“ Honda CB 750 Four und Kawasaki Z1.

Ja, die Fahrdynamik ist durchaus vielversprechend bei bloß rund 220 Kilogramm Masse. Nur die rund fünf Zentner schwere Suzuki fällt gewichtsmäßig aus dem Rahmen. Doch selbst sie hat ein besseres Leistungsgewicht als jeder Sportwagen. Bei Autos sind Audi A4, Mercedes C-Klasse oder BMW Dreier anerkannte Größen der unteren Mittelklasse. Ihnen entsprechende Motorräder werden eher belächelt, als wäre Mittelklasse gleich Mittelmaß. Warum diese unterschiedliche Bewertung?

Was ist so verkehrt daran, dass der rollende Untersatz alles mitmacht, Alltag und Hausstrecke, Wochenend-Tour und von A nach B fahren? Alles kann, nichts muss. Nur dass diese Kompaktklasse nicht gleich dazu auffordert, sich allzu rasch von seinem Führerschein zu verabschieden. Hmmhh, Geringschätzung der Mittelklasse scheint was schwer Psychologisches zu sein. Na dann los, ganz ohne Vorurteile und übertriebenem Leistungswahn. Ab durch die Mitte!

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Das 2012er-Modell der Kawasaki ER-6f zeigt vertraute Grundformen, bloß eben geschärfter, wertiger. Mit Ausnahme des 72-PS-Motors stammt kein Bauteil vom Vorgänger. Rahmen, Schwinge, Tank, Instrumente, Lenker, zweigeteilte Sitze - alles neu. Selbst Auspuff, Heckverkleidung und Seitendeckel sind abgeändert. Eine schnittige dritte Generation der 2006 vorgestellten „f“. Ihr Zweizylinder-Reihenmotor betont Kawasaki-Traditionen wie etwa Z 440, KLE und GPZ 500 oder die extrem handliche ER-5. Nur unterschlägt die sperrige Modellbezeichnung ER-6f glatt 50 Kubikzentimeter. „ER“ bedeutet „Essential“ oder „Easy Riding“ - das Wesentliche, Einfache beim Fahren. Genau das schreiben sich auch Honda CBF 600 S, Suzuki GSX 650 F und Yamaha XJ6 Diversion F auf die Fahnen.

„Läuft der Motor schon?“ Kawa-Fahrer Gabriel zeigt auf die Yamaha, bei welcher der Autor gerade das Knöpfchen drückt. Der 600er-Vierzylinder säuselt sehr sanft aus dem unterm Motor verlegten, schwarz lackierten Schalldämpfer. In seinem früheren Leben trieb der Vierzylinder - ungedrosselt - eine frühere R6-Generation an. Etwas tiefer, dumpfer grummelt der CBF-Vierzylinder aus der Edelstahl-Auspuffanlage. Dieser Motor ist auch ein für Alltagseinsätze aufwendig auf 78 PS umgestrickter Ex-Supersportler, stammt aus der aktuellen CBR 600 R.

Klangtechnisch dazwischen liegt die Suzuki GSX 650 F mit ihrem riesigen Ofenrohr-Schalldämpfer. Zu Titanic-Zeiten hätte man aus so viel Material einen Schiffsschornstein geschweißt. Wenig Begeisterung ernten zudem die billigst schwarz lackierten Krümmer der GSX. Die Suzuki hat ein Schnapsglas mehr Hubraum, vertraut auf den exklusiv für Suzukis Banditen entwickelten, 2007 präsentierten Motor. Der trägt die Kette zum Nockenwellenantrieb in der Mitte, zwischen den Zylindern zwei und drei. Das ergibt links und rechts symmetrische Motorseiten, anders als bei den drei anderen Motoren, bei denen der Steuerkettenschacht rechts liegt.

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Suzuki GSX 650 F: Erste Wahl für große Fahrer: die 247 Kilogramm schwere 650er-Suzuki. Allerdings stoßen die Knie an der Seitenverkleidung an.

Doppelte obenliegende Nockenwellen gehören beim Quartett zum guten Ton. Guter Ton? Da lässt sich die Kawasaki ER-6f nicht lange bitten. Mit feinem Twin-Bollern erwacht der Zweizylinder, klingt kerniger und blubbert subjektiv auch ein wenig lauter als die weicher gespülten Vierzylinder. Echter Motorradklang eben, der da aus der komplett aus Edelstahl gefertigten Auspuffanlage strömt.

2012 erhielt der dicke Schalldämpfer unterm Motor rechts vorn trichterförmiges Mehrvolumen und neue Katalysatoren im Inneren. All dies soll ebenso wie geänderte Software und ein neues Verbindungsrohr zwischen den gezackten Krümmern das Drehmoment bei mittleren Drehzahlen weiter steigern.  Allerdings kann das der unbestechbare MOTORRAD-Leistungsprüfstand nicht bestätigen. Im Gegenteil, die frühere ER-6 hatte sogar noch etwas mehr Schmackes zu bieten. Das 2012er-Modell der 650er büßte tatsächlich übers gesamte Drehzahlspektrum etwas an Drehmoment ein. Das maximale Drehmoment sank von gemessenen 66 auf 64 Newtonmeter.

In der Praxis macht das aber nichts. Denn die Leistungskurve ist bis 9000 Touren immer noch fülliger als die der drei Vierzylinder, die noch hubraumstärkere Suzuki eingeschlossen. Zwei große Kolben mit 83 Millimetern Durchmesser takten der Kawasaki ihren Herzschlag. Sie laufen entgegengesetzt, um 180 Grad versetzt. Unangetastet blieb die gesamte Hardware samt Sechsgang-Kassettengetriebe. Die schmalste und damit Handlingfördernde Kurbelwelle des Quartetts hat Kawasaki mit einer recht hohen Schwungmasse kombiniert. Selbst bei 2000/min läuft dieser Twin bereits richtig rund, ohne auf die Kette zu hacken.

Ausgleichswelle hin oder her, der Kawa-Twin vibriert und stampft am heftigsten. Positiv gesagt pulsiert der Reihenmotor der ER-6f am lebendigsten, gefühlsechtesten. Er dreht allerdings weniger stürmisch hoch als etwa der fulminante 90-Grad-V2 einer Suzuki Gladius. Moment mal, Gladius? Früher hatte Suzuki die begeisternde SV 650 -jeweils in einer nackten und einer halb verkleideten S-Version im Programm. Doch -eine Gladius gibt’s nur unverhüllt, wie der Designer sie schuf.

So bleibt es am Reihen-Vierzylinder, für Suzuki die Fahne in der verkleideten Mittelklasse hochzuhalten - mit Halbschale in der Bandit 650 S, voll verschalt hier in der GSX 650 F. Beide haben praktisch das gleiche Chassis und dieselben Abmessungen wie die große 1250er. Kostensparende „Gleichteilestrategie“ heißt so etwas. Einen VW Golf gibt’s ja auch mit verschiedenen Motoren. Dieses Vorgehen treibt aber eben auch das Gewicht nach oben - auf satte 247 Kilogramm, noch ohne den extra kostenden Hauptständer. Und warum die als „Sport-Tourer“ titulierte GSX auf die verstellbare Sitzhöhe und die viel feineren Edelstahlkrümmer der Banditen-Geschwister verzichten muss, bleibt ein Rätsel.

Ebenso, weshalb der Vierzylinder mit den dicken Kühlrippen so nervtötend vibrieren muss. Feines Kribbeln lässt Griffe, Tankflanken und Fußrasten erzittern, dicken Ausgleichsgewichten unter Letzteren zum Trotz. Gerade bei den bevorzugten mittleren Drehzahlen, etwa bei Autobahn-Richtgeschwindigkeit 130, ertauben auf Dauer die Hände. Wie’s besser geht, zeigt die Yamaha, die bis 6000 Touren überhaupt nicht vibriert. Dafür entschädigt, wie superelastisch der Suzuki-Motor läuft, wie schaltfaul er sich bewegen lässt. Der fährt selbst mit 35 km/h im sechsten Gang vollkommen ruckelfrei. Gut so, denn die Kupplung erfordert die höchste Handkraft und das Getriebe schaltet sich am härtesten von allen.

Das knorpelige Schaltgefühl erfordert Nachdruck beim Gangwechsel. Praktisch ist die einzige Ganganzeige des Vergleichs. Da weiß man immer, was das Getriebe geschlagen hat. Noch eine weitere Eigenart zeigt die Suzuki: Nach Rollphasen mit -geschlossenem Gasgriff („Schiebebetrieb“) springt sie wieder recht hart ans Gas. Genau so etwas sollen ihre doppelten Drosselklappen eigentlich unterbinden: Eine betätigt der Fahrer, die zweite angepasst der Bordrechner, um je nach Lastzustand, Drehzahl und Öffnungswinkel die Strömung zu optimieren. So weit die Theorie. In der Praxis kann die harte Gasannahme am Scheitelpunkt nicht einsehbarer Kurven durchaus irritieren. Schließlich schrauben wir uns mittlerweile durch den herrlich grünen Schwäbisch-Fränkischen Wald.

Es duftet nach Teppichen von Bärlauch aus den Buchenwäldern. Endlich mal ein Bilderbuch-Frühlingstag! Dazu passt das fast schwerelose Fahrverhalten der Kawasaki ER-6f. Alle vier Maschinen profitieren von schmalen 160er-Hinterreifen, verwöhnen mit großer Handlichkeit. Aber keiner der vier Allrounder fährt so leichtfüßig wie die 213 Kilogramm leichte Kawasaki. Sie schmeißt sich mit ihrem breiten Lenker mit besonders viel Verve in die Kurven. Von wegen niedlich! Und ihre Reifen, Dunlop Roadsmart II, verwöhnen mit der besten Haftung in diesem Feld. Das ergibt ein gutes Gefühl. Genau wie die schmale Taille im Stand: Zwischen Front- und Heckrahmen sitzt bei der 2012er-ER-6 ein einzelner, dünner Träger aus Rechteckrohr.

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Yamaha XJ6 Diversion F: Sehr leichtfüßig und einfach lässt sich die schlanke XJ bewegen.

Allerdings ist der Kniewinkel der spitzeste von allen vieren, Tribut an hoch platzierte Rasten und immense Schräglagenfreiheit. Weil zusätzlich der Lenker weit nach hinten gekröpft ist, kommen große Fahrer mit der Kawasaki nicht gut klar. Die erlebnisreiche ER-6f ist das einzige Motorrad, dem man das direkt angelenkte Federbein anmerkt. Nur die Suzuki verfügt über eine progressiv wirkende Umlenkung. Etwas trockener, unsensibler als die drei anderen, spricht die Hinterradaufhängung der ER-6f auf Buckelpisten an. Dabei treffen beim neuen Modell weichere, längere Federn vorn und hinten auf angepasste Dämpfung.

Positiv: Wie gehabt ist das außermittig als Blickfang nach rechts verlegte Federbein für eine Verstellung der Vorspannung gut zugänglich. Mehr Einstellmöglichkeiten erlaubt das Fahrwerk der Kawasaki nicht. Gleiches gilt auch für die Yamaha XJ6, die zudem schlichte Kettenspanner hat. Dagegen verfügt die neue Doppelrohr-Schwinge der Kawasaki über feine Kettenspanner, mit formschönen, gut einstellbaren Schiebestücken. Allerdings lässt der Brotkasten-Schalldämpfer unterm Reihen-Twin keinen Hauptständer zu. So wird Kettesprühen zur lästigen Pflichtübung. Honda und Yamaha tragen einen Hauptständer serienmäßig, bei der Suzuki kostet er 125 Euro Aufpreis, siehe Ausstattungstabelle. Doch dafür lässt sich nur an deren Federbein auch die Zugstufe verstellen.

Bei der durchzugsschwachen CBF ist wie bei der GSX auch die Federbasis der 41-Millimeter-Telegabel einstellbar. Doch selbst in der Grundeinstellung begeistert die Ausgewogenheit, die feine Balance des CBF-Fahrwerks. Für diese Klasse zieht die 600er nahezu unerschütterlich stabil ihre Bahn. Fast von selbst fährt die Honda, lässt sich kinderleicht um Schlaglöcher und Zebrastreifen zirkeln. Viel fischen ihre einfachen, aber effektiv abgestimmten Federelemente aus zernarbten Asphaltoberflächen. „Gutes Ansprechverhalten“ heißt so etwas. Das schafft Vertrauen, gerade auch bei weniger geübten Piloten. Fahrerisch überzeugt Hondas vermeintlicher Biedermann voll und ganz.

Daran haben die besten Bremsen dieser vier Japan-Maschinen einen großen Anteil. Bestens dosierbar beißen die beiden Dreikolben-Schwimmsättel vorn auf die 296er-Bremsscheiben. Das restliche Trio begnügt sich mit Doppelkolben-Schwimmsätteln, das gilt auch für die Kawasaki mit ihren schick gewellten Wave-Bremsscheiben. Noch etwas hat die CBF exklusiv: ein Verbundbremssystem. Beim Tritt aufs Pedal bremst der mittlere Bremskolben rechts vorne mit. Und das Getriebe klickt sich kinderleicht, der Motor ist in bestem Sinne ein unauffälliger Begleiter. Alles in allem verkörpert diese Honda markentypisch eine gepflegte, unaufgeregte Seriosität.

Also genau das, was einst Yamahas XJ-Reihe auszeichnete. Heute gibt es nur eine Hubraumvariante, eben diese 600er in drei Versionen: nackt, halb verkleidet als „Diversion“ oder so wie hier voll verkleidet als Diversion F („Full Fairing“). Die 600er-Yama-ha hat noch kleinere Kolben (soll man „Kölbchen“ sagen?) als die Honda - mit 65,5 statt 67 Millimetern Durchmesser. Ihr Motor hat also mehr Hub, ist nicht ganz so kurzhubig wie die CBF. Erstaunlicherweise muss die Yamaha trotzdem mehr gezwirbelt werden, mehr Drehmoment bringt die weniger kurzhubige Bauweise nicht.

Die kurz übersetzte XJ6 verlangt einen fleißigen Schaltfuß, ständig sucht man den fehlenden siebten Gang. Kein Problem, denn ihre Kupplung lässt sich kinderleicht ziehen, der Motor dreht fleißig wie eine Nähmaschine bis in fünfstellige Bereiche. Und im Sechsten zieht die XJ von Tempo 60 auf 140 noch flotter durch als die Kawasaki ER-6f. Erst darüber setzt sich die leichtere Kawa an die Spitze. Dem kleinen, quirligen Yamaha-Vierzylinder gelingt also fast die Quadratur des Kreises.

Nicht jedoch ihrem Fahrwerk. Schön einfach und neutral, gut berechenbar fährt die XJ. Auf guten Straßen. Doch ihre komfortbetonte Abstimmung mit weichen Federn und lascher Dämpfung packt nur in Watte. Denn zum einen zieht die XJ6 auch etwas weniger präzise ihre Bahn als CBF und ER-6. Zum anderen kommt das Yamaha-Chassis früh an seine Grenzen, hat zu wenig Reserven. Auf miesem Geläuf wobbelt und schaukelt sich das Fahrwerk durch die Kurven, etwa entlang der goldgelb blühenden Rapsfelder.

Selbst auf ebenem Asphalt reagiert die Yamaha sensibel auf einen Sozius, das unterdämpfte Federbein steckt die Zuladung nicht sauber weg. Ob deswegen der Rücksitz so klein und die Zuladung (179 Kilogramm so gering bemessen ist? Und die Haltegriffe für den Sozius so wenig griffig sind? Damit man gar nicht erst in die Verlegenheit kommt…) Etwas besser hockt ein Passagier auf der Kawasaki. Doch mit einem solchen verliert die ER-6f ihre sonst so große Zielgenauigkeit.

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Honda CBF 600 S: Runde Sache: Tolles Fahrverhalten trifft auf prima Sozius-Haltegriffe.

Den Suzuki-Sozius plagen wie den Fahrer lästige Vibrationen im Sitz. Der Fahrer spürt die überzähligen Pfunde der GSX intuitiv bereits beim Aufsitzen und bei jedem Einlenken. Die Suzuki ist schwer und fühlt sich auch so an. Positiv gesagt: Sie wirkt sehr erwachsen. Am besten sitzt es sich vorn wie hinten auf der Honda: Der Kniewinkel für die Besatzung fällt offen, der Sitz bequem und die Haltung aufrecht aus. Dazu sind die Sozius-Haltegriffe groß und griffig. Selbst mit voller Zuladung bleibt die Honda sehr stabil, sogar bei Vollbremsungen.

Abends auf der leeren Autobahn zeigen alle vier Kandidaten beim Knacken der 200er-Marke wirklich guten Geradeauslauf. Aktiv, vorderradorientiert, weil leicht nach vorn gebeugt, hockt es sich auf GSX und XJ6. Prima Windschutz bietet die Suzuki. Auf der ausladenden Scheibe sitzt bei der Testmaschine ein 120 Euro teurer, verstellbarer Aufsatz. Diese „Vario-Touring-Scheibe“ leitet den Windstrom effektiv, aber mitunter auch ein wenig laut um Kopf und Schultern herum. Letztere liegen bei Honda und Yamaha stets frei im Fahrtwind, wenn man sich auf der Bahn nicht irgendwann mal abduckt. Ganz hochgestellt, verwöhnt das ER-6-Windschild mit guter Protektion.

Erfolgreich waren Kawasakis 650er bereits vor ihrer Überarbeitung: Zusammen mit der unverkleideten, 500 Euro günstigeren Schwester ER-6n hat Kawasaki bislang mehr als 60000 Exemplare der in Thailand gebauten Maschinen in Europa abgesetzt. In Deutschland sind sie Kawasakis bestverkaufte Modellreihe; die 650er lagen mit 1893 Verkäufen im Jahr 2011 auf Platz drei der deutschen Motorradverkäufe.

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Kawasaki ER-6f: Die Leichtigkeit des Seins: Die handliche Twin-Kawa fegt feurig ums Eck. Danke an Motorrad-Höly aus Schriesheim für das Test-Exemplar.

Die CBF 600-Modelle sind ein Evergreen, waren 2011 Hondas Bestseller in Deutschland - mit 1319 Neuverkäufen. Nackte und halb verkleidete S-Version liegen 300 Euro auseinander, 7340 zu 7640 Euro. Gebaut werden die CBF-Modelle im italienischen Atessa. Und die XJ6 war mit 1737 Einheiten im vergangenen Jahr die bestverkaufte Yamaha in Deutschland. Kostenpunkt der drei Versionen inklusive ABS: 6995, 7295 oder in -unserem Falle 7795 Euro - der happige Aufpreis für die Verkleidungsunterteile macht die XJ6 Diversion F zum teuersten Motorrad dieses Vergleichs.

Nur die Suzuki fiel in der Käufergunst zuletzt ein wenig ab. Früher mal landeten die 600er- und 650er-Bandits in der Verkaufsstatistik stets ganz weit vorn, diese Zeiten sind vorbei. „Größer, als Sie denken“ heißt Suzukis Werbespruch für die GSX 650 F.

Nun, in einer Klasse, die neben gestandenen Fahrensmännern auch (Wieder-)Einsteiger glücklich macht, gereicht eine solche Ausrichtung eher zum Nachteil, behindert die Manövrierfähigkeit nicht nur im Stand. Einem überlegenen Testsieg mit respektablem Punktevorsprung fährt die Honda CBF entgegen. Dahinter liefern sich die drei anderen Testmaschinen ein äußerst knappes Kopf-an-Kopf-Rennen. Bei der Platzvergabe zählt dann jeder einzelne Punkt, wirken sich somit die kleinen Unterschiede ganz besonders aus.

MOTORRAD-Punktewertung / Testergebnis

fact
Oft unterschätzt: Mit 72 PS plus kann man oder frau bei Bedarf verdammt flott unterwegs sein.

Motor
Aha-Effekt. Im Motoren-Kapitel liegen die 600er vor den 650ern – und die XJ6 ganz vorn. Wie kann das sein? Nun, die Yamaha hängt besonders fein am Gas, läuft bis 6000/min ganz ohne Vibrationen und hat eine butterweich zu ziehende, gut dosierbare Kupplung. Die durchzugsstarke Kawasaki und noch mehr die Suzuki leiden etwas an knochigen, schwergängigen Schaltboxen.
Sieger Motor: Yamaha

Fahrwerk
Deutlich dominiert die CBF. Sie gibt sich herrlich stabil, selbst mit Passagier, und hochgradig lenkpräzise. Gabel und Federbein der Honda sind besonders gut abgestimmt. Noch größere Handlichkeit und Schräglagenfreiheit bietet die ER-6f. Doch die Kawasaki hat zusammen mit der weichen, besonders komfortablen XJ6 die dürftigsten Einstellmöglichkeiten am Fahrwerk – nur die Federbasis hinten.
Sieger Fahrwerk: Honda

Alltag
Noch mal Vorteil Honda. Sie koppelt die besten Plätze für Fahrer und Sozius mit einer königlichen Reichweite von bis zu 465 Kilometern. Und bietet dazu große Rückmeldung und einfache Handhabung. Mit der höchsten Zuladung und ebenfalls gutem Plätzchen für Passagiere punktet die mäßig verarbeitete GSX. Bei der ER-6f ist der Fahrer-Kniewinkel etwas spitz, bei der XJ6 Gepäcktransport schwierig.
Sieger Alltag: Honda

Sicherheit
Gute Bremsen  sind eine Domäne von Honda. So auch bei der CBF. Nur sie kombiniert Hinter- und Vorderradstopper, sie ankert stark und am besten dosierbar. Knapp dahinter liegt die Kawasaki, die 2012 von neuer ABS-Steuerung profitiert.
Sieger Sicherheit: Honda

Kosten
Patt. 10 000er-Service-Intervalle hat die XJ6, geringsten Benzinkonsum die ER-6f. Nur Suzuki bietet eine Mobilitätsgarantie.
Sieger Kosten: Kawasaki/Yamaha

Preis-Leistung
Die CBF bietet die größten Qualitäten zum moderaten Preis. Danach kommt die Kawa.
Sieger Preis-Leistung: Honda


 max. Punktzahl  Honda  Kawasaki  Suzuki  Yamaha
Gesamtwertung  1000  645  622  620  621
Platzierung     1.  2.  4.  3.
Preis-Leistungs-Note  1,0  1,1  1,4  1,5  1,5

MOTORRAD-Testergebnisse

1.Honda CBF 600 S.
Gutmütigkeit hat einen Namen: CBF. Unterm Strich fährt sie klar am besten. Die 600er ist typisch Honda, alles passt zusammen, kommt dem Fahrer entgegen, bis hin zur variablen Sitzhöhe. Faszinierend einfach macht es die CBF einem. Kompakt und klasse!

2.Kawasaki ER-6f.
Die quirlige, sattgrüne Kawa bildet den Farbtupfer in diesem Quartett. Ihr sparsamer Zweizylinder klingt kerniger, läuft charaktervoller, vibriert mehr als die Vierzylinder. Das 2012er-Modell ist in Ausstattung und Fahrwerk deutlich aufgewertet - fast ohne Aufpreis.

3.Yamaha XJ6 Diversion F.
Die leichtfüßige, schmucke 600er ist besonders drehzahlhungrig und flott. Ihr vordergründig komfortables Chassis leidet ein wenig an unterdämpften Federelementen, besonders mit Sozius oder auf schlechten Straßen fehlen Reserven.

4.Suzuki GSX 650 F.
Viel hilft viel? Nun, an Hubraum und Leistung bietet die „voll verkleidete Bandit“ tatsächlich viel Motorrad für wenig Geld. Aber leider auch ziemlich viele Pfunde. Das wirkt sich auf die Fahrdynamik aus und schreckt besonders Einsteiger ein wenig ab.

Technische Daten

fact
Treue Alltagsbegleiter: ob zur Arbeit, ins Wochenende oder zur Eisdiele - vier für alles.

Honda Kawasaki
Motor
Bauart Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor Zweizylinder-Vier-takt-Reihenmotor
Einspritzung/Ansaugquerschnitt Ø 32 mm Ø 38 mm
Kupplung Mehrscheiben-Ölbadkupplung  Mehrscheiben-Ölbadkupplung
Bohrung x Hub 67,0 x 42,5 mm 83,0 x 60,0 mm
Hubraum 599 cm3 649 cm3
Verdichtung 11,6:1 10,8:1
Leistung 57,0 kW (78 PS) bei 10500/min 53,0 kW (72 PS) bei 8500/min
Drehmoment 59 Nm bei 8250/min 66 Nm bei 7000/min
Fahrwerk
Rahmen Zentralrohrrahmen aus Aluminium Brückenrahmen aus Stahl
Gabel Telegabel, Ø 41 mm Telegabel, Ø 41 mm
Bremsen vorn/hinten Ø 296 mm/ Ø 240 mm Ø 300 mm/ Ø 220 mm
Assistenzsysteme Teilintegral- Bremssystem mit ABS ABS
Räder 3.50 x 17; 5.00 x 17 3.50 x 17; 4.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17
Bereifung Bridgestone BT 021, vorne „N“, hinten „W“ Dunlop Roadsmart II „J“
Maße und Gewichte
Radstand 1490 mm  1410 mm 
Lenkkopfwinkel 65,0 Grad 65,0 Grad
Nachlauf 110 mm 110 mm
Federweg vorn/hinten 120/128 mm 125/130 mm
Sitzhöhe** 770–790 mm 800 mm
Gewicht vollgetankt** 226 kg 213 kg
Zuladung** 191 kg 198 kg
Tankinhalt 20,0 Liter 16,0 Liter
Service-Intervalle 6000 km 6000 km
Preis 7640 Euro 7495 Euro
Nebenkosten 265 Euro 170 Euro
MOTORRAD-Messungen
Höchstgeschwindigkeit* 213 km/h 205 km/h
Beschleunigung 
0–100 km/h 4,0 sek 4,0 sek
0–140 km/h 7,1 sek 7,6 sek
0–200 km/h 21,1 sek 24,0 sek
Durchzug 
60–100 km/h 5,6 sek 4,8 sek
100–140 km/h 5,7 sek 5,4 sek
140–180 km/h 7,9 sek 6,6 sek
Verbrauch Landstraße 4,3 Liter/Normal 3,9 Liter/Normal
Reichweite Landstraße 465 km 410 km

Suzuki Yamaha
Motor
Bauart Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor
Einspritzung/Ansaugquerschnitt Ø 36 mm Ø 32 mm
Kupplung Mehrscheiben-Ölbadkupplung  Mehrscheiben-Ölbadkupplung
Bohrung x Hub 65,5 x 48,7 mm 65,5 x 44,5 mm
Hubraum 656 cm3 600 cm3
Verdichtung 11,5:1 12,2:1
Leistung 63,0 kW (86 PS) bei 10500/min 57,0 kW (78 PS) bei 10000/min
Drehmoment 62 Nm bei 8900/min 60 Nm bei 8500/min
Fahrwerk
Rahmen Doppelschleifenrahmen aus Stahl Brückenrahmen aus Stahl
Gabel Telegabel, Ø 41 mm Telegabel, Ø 41 mm
Bremsen vorn/hinten Ø 310 mm/ Ø 240 mm Ø 298 mm/ Ø 245 mm
Assistenzsysteme ABS ABS
Räder 3.50 x 17; 5.00 x 17 3.50 x 17; 4.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17
Bereifung Bridgestone vorne BT 011 „N“, hinten BT 020 „G“  Bridgestone BT 021 „G“
Maße und Gewichte
Radstand 1470 mm  1440 mm 
Lenkkopfwinkel 64,0 Grad 64,0 Grad
Nachlauf 108 mm 104 mm
Federweg vorn/hinten 130/128 mm 130/130 mm
Sitzhöhe** 800 mm 800 mm
Gewicht vollgetankt** 247 kg 221 kg
Zuladung** 208 kg 179 kg
Tankinhalt 19,0 Liter 17,0 Liter
Service-Intervalle 6000 km 10000 km
Preis 7790 Euro*** 7795 Euro
Nebenkosten 135 Euro 170 Euro
MOTORRAD-Messungen
Höchstgeschwindigkeit* 205 km/h 205 km/h
Beschleunigung 
0–100 km/h 4,2 sek 3,9 sek
0–140 km/h 7,4 sek 7,3 sek
0–200 km/h 21,2 sek 26,7 sek
Durchzug 
60–100 km/h 5,0 sek 4,7 sek
100–140 km/h 5,6 sek 5,2 sek
140–180 km/h 7,4 sek 7,4 sek
Verbrauch Landstraße 4,6 Liter/Normal 4,2 Liter/Normal
Reichweite Landstraße 413 km 405 km

* Herstellerangabe; ** MOTORRAD-Messungen; ** plus Hauptständer (124,95 Euro) und Vario-Tourenscheibe (119,95 Euro)

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023