Konzeptvergleich Enduroreifen oder Grobstöller
10 Straßen- und Geländereifen im Vergleichstest 2019

Ist jeder Grobstöller ein Geländegänger? Wie viel Offroadgene stecken in typischen Enduroreifen? Im 3. Teil unseres Motorradreifen-Tests 2019 zeichnen wir die Psychogramme von zehn Gummis für die GS-Klasse.

Reifentest 2019
Foto: Markus Jahn

MOTORRAD vergleicht beim großen Reifentest 2019 zehn Reifen von fünf Herstellern in zwei unterschiedlichen Kategorien: Gelände- und Enduroreifen. Wie unterscheiden sich die Gelände- und Enduroreifen der jeweiligen Hersteller? Sind sie immer komplett anders oder eigentlich eher relativ ähnlich konzipiert? Es gibt Reifen, bei denen die Schnittmenge verhältnismäßig groß ist. Heißt, Gelände- und Enduroreifen haben mehr oder weniger den gleichen Grundcharakter. Es gibt aber auch Hersteller, die ihre beiden Paarungen sehr spitz konfiguriert haben. Wir testen und vergleichen die Reifen in Hinsicht auf Landstraße, Alltag, Gelände, Nässe und Verschleiß.

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Konzeptvergleich Enduro- vs. Geländereifen
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Bridgeston

Reifentest 2019 Battlax AX 41 und Battlax A 41
Markus Jahn
Die groben Stollen verzahnen sich beim AX 41 vorbildlich. Der A 41 hat einen erstklassigen Geradeauslaufstabilität.

Battlax AX 41
Gewicht: vorne 5,3 kg, hinten 7,6 kg
Geschwindigkeitsindex: Q (bis 160 km/h)

Battlax A 41
Gewicht: vorne 5,3 kg, hinten 8,0 kg
Geschwindigkeitsindex: V (bis 240 km/h)

Fazit: Die Japaner haben für Reiseenduristen zwei sehr unterschiedlich zugespitzte Profile im Programm, das zeigt auch unser Spinnenprofil sehr deutlich. Der AX 41 ist klar auf eine gute Traktion im Gelände ausgerichtet. Wer seine GS und Co. lieber querfeldein treibt, findet einen verlässlichen Partner, muss dafür aber spürbare Schwächen auf der Straße hinnehmen. Der Enduroreifen A 41 ist hingegen ganz klar ein auf den schnellen Fernreise-Enduristen abgestimmtes Straßengummi mit extrem souveränem Geradeauslauf, aber nur durchschnittlicher Performance auf kurvenreichen Strecken sowie bei Nässe.

Continental

Reifentest 2019 TKC 80 und Trail Attack 3
Markus Jahn
Der TKC 80 ist auch im schweren Gelände sehr souverän, der Trail Attack 3 hat eine extrem kurze Aufwärmzeit.

TKC 80
Gewicht: vorne 4,5 kg, hinten 6,7 kg
Geschwindigkeitsindex: Q (bis 160 km/h)

Trail Attack 3
Gewicht: vorne 5,2 kg, hinten 8,4 kg
Geschwindigkeitsindex: V (bis 240 km/h)

Fazit: Sieht man von dem Knick in der Offroadwertung ab, kann die Fläche des blauen Pentagons nicht eindrucksvoller sein. Bestwerte auf der Straße, eine Eins-a-Laufleistung und souverän bei Nässe. Für die Onroader unter den Reiseenduro-Piloten gibt es derzeit keinen Besseren als den hervorragend überarbeiteten Trail Attack 3. Harmonisch ausgewogen, präsentiert sich der konzeptionell älteste Reifen im Testfeld. Auch nach über 30 Jahren Bauzeit kann sich der grobstollige TKC 80 auf modernen, PS-starken Reiseenduros eindrucksvoll behaupten: gut im Gelände und knickt obendrein auf der Straße nicht ein.

Metzler

Reifentest 2019 Karoo 3 und Tourance Next
Markus Jahn
Der Karoo 3 ist sehr handlich und hat dazu satten Grip. Der Tourance Next glänzt hingegen mit guten Kaltlaufeigenschaften.

Karoo 3
Gewicht: vorne 5,2 kg, hinten 7,4 kg
Geschwindigkeitsindex: V (bis 240 km/h)

Tourance Next
Gewicht: Gewicht: vorne 5,2 kg, hinten 7,4 kg
Geschwindigkeitsindex: V (bis 240 km/h)

Fazit: Die große Schnittmenge beider Reifenmodelle zeigt, dass sowohl Offroader Karoo 3 wie Onroader Tourance Next im Wesentlichen sehr identisch gestrickt sind, auch wenn das Profilbild des Karoo zunächst deutlich stärker in Richtung Abenteuer schielen lässt. Fakt ist aber, dass die kernige Optik nicht eins zu eins in kernige Performance abseits asphaltierter Straßen umzusetzen ist. Welcher Reifen für wen? Der Tourance Next bleibt ein guter Straßen-Allrounder, hinkt aber der Konkurrenz leicht hinterher. Wer Offroadoptik schätzt, aber mehr auf Teer bleibt, kann ohne große Abstriche den Karoo 3 aufziehen.

Michelin

Reifentest 2019 Anakee Wild und Anakee Adventure
Markus Jahn
Michelins Grobstöller hat selbst bei schwerstem Gelände eine erstklassige Performance. Der Adventure bietet ein ultimatives Ansprechverhalten.

Anakee Wild
Gewicht: vorne 5,2 kg, hinten 6,5 kg
Geschwindigkeitsindex: R (bis 170 km/h)

Anakee Adventure
Gewicht: vorne 4,9 kg, hinten 7,4 kg
Geschwindigkeitsindex: V (bis 240 km/h)

Fazit: Wie ein spitzer Pfeil deutet das Pentagon des Anakee Wild in die Richtung, wo dieses Profil hauptsächlich eingesetzt werden will: offroad! In allen anderen Kapiteln muss man spürbare Einbußen hinnehmen. Keine Empfehlung also für Fahrer, die mit ihren Reiseenduros vornehmlich auf Straßen unterwegs sind und lange Etappen abspulen wollen. Ähnlich spitz ist auch das Straßenmodell Anakee Adventure konzipiert. Besser als die Konkurrenz in diesem Segment brilliert er sowohl in leichtem Gelände wie auf nassen Straßen. Im Regen kann kein anderes Gummi dem Adventure derzeit das Wasser reichen.

Pirelli

Reifentest 2019 Scorpion Rally und Scorpion Trail II
Markus Jahn
Der Scorpion Rally hat ein leichtfüßiges Einlenkverhalten, der Scorpion Trail II kommt mit einem sportlichen Grund-Layout.

Scorpion Rally
Gewicht: vorne 5,5 kg, hinten 7,5 kg
Geschwindigkeitsindex: T (bis 190 km/h)

Scorpion Trail II
Gewicht: vorne 5,3 kg, hinten 7,6 kg
Geschwindigkeitsindex: V (bis 240 km/h)

Fazit: Wie auch beim Metzeler ist die Schnittmenge des Grobstöllers und des Straßenprofils von Pirelli sehr hoch. Klar auf die Straße ausgerichtet ist der Scorpion Trail II. Wer seine Reiseenduro für die fast schon supersportlich ausgerichtete Kurvenjagd auf Landstraßen und Alpenpässen fein trimmen will, kommt an diesem Profil nicht vorbei. Trotz seiner grobstolligen Aufmachung ist auch das Schwestermodell Scorpion Rally ein eher asphaltorientiertes Gummi. In schwerem und schwierig befahrbarem Gelände bieten andere Profile mehr Traktion. Allerdings punktet der Rally offroad mit einer schönen Handlichkeit.

Reifentest 2019
Markus Jahn
Fern, schnell, gut ... Machen wir uns nichts vor: Inzwischen hat der Begriff "Reise" einen deutlich höheren Stellenwert als "Enduro" in diesem seit Jahren populären Motorradsegment bekommen.

Schräg über die Landstraße

Ultrastabil, superhandlich und Grip bis zum Abwinken. Die typischen Enduroreifen geben ihren Schwestermodellen aus anderen Segmenten, zum Beispiel den Tourenreifen, in Sachen Dynamik schon die Hand. Fast könnte man meinen, dass auch die Sportreifen bei der Entwicklung eines neuen GS-Gummis Pate gestanden haben. Vor allem Contis Trail Attack 3, aber auch Pirellis Scorpion Trail II lassen sich problemlos bis zu einklappenden Fußrasten abwinkeln. Und es gibt noch viel mehr! Das Handling ist einfach phänomenal, die Haftreserven erscheinen unendlich groß. Kein Wunder, dass der engagiert angasende Reiseendurist in den Kurven und Kehren der Alpen manch einem topmotivierten Superbiker nur noch ein immer kleiner werdendes Rücklicht zeigt. Das eng gestaffelte Punkteraster zeigt auch: Viel (Entwicklungs-)Luft gibt es nicht mehr, die Enduroreifen sind mit einer Top-Bepunktung an ihrem optimalen Wirkungsgrad angelangt. Auch bei der Laufleistung geben sie sich zäh und zeigen wahrlich Ausdauer.

Ganz anders die Grobstöller, die sich nicht über einen Kamm scheren lassen. Vor allem im Neuzustand geben sich die mehr offroadkonzipierten Gummis (AX 41, TKC 80, vor allem aber Anakee Wild) etwas widerspenstig. Erst wenn die harten Stollenkanten etwas rund gefahren sind, fahren sie sich spürbar geschmeidiger. Metzeler Karoo 3 und Pirelli Scorpion Rally sind per se schon deutlich straßentauglicher abgestimmt, der Abstand zu den Enduroschwestern aus gleichem Haus ist aber signifikant. Bei sportlicher Gangart sinkt zudem auch die Laufleistung rapide.

Reifentest Naesse
Markus Jahn
Wasser auf der Straße, Pipi in den Augen. Keine Sorge - moderne Motorradreifen haften besser als manche Versicherung.

Sicher im Regen

Egal, ob die persönliche Präferenz mehr auf „Offroadwanderer“ oder „Fernreisender“ ausgerichtet ist: Dem Regen kann kaum jemand im Laufe seiner Motorradkarriere ausweichen. Wer auf nassen Straßen definitiv keine Kompromisse eingehen will, müsste die Gattung der Geländereifen gleich kategorisch ausklammern. Denn im Vergleich zu den straßenprofilierten Enduroschwestern müssen mit den Grobstöllern auf nassem Asphalt zum Teil sehr deutliche Abstriche in Kauf genommen werden. Die besten Enduroreifen (Metzeler Tourance Next, Michelin Anakee Adventure) stehen nach 41,9 Metern, die besten Geländereifen (Metzeler Karoo 3, Pirelli Scorpion Rally) stehen erst nach 50,1 Metern.

Fazit

Fünf Hersteller, zehn Reifen, und jeder lockt mit einer ganz besonderen Mischung. Einen echten Reinfall wird keiner erleben, sofern er sich genau für das Modell entscheidet, das genau seinen Vorlieben entspricht. Geröllheimer ziehen den Michelin Anakee Wild auf und pfeifen auf Straßenperformance. Wer einen ausgewogenen Mix aus Straße und Gelände sucht, greift zum Pirelli Scorpion Rally. Wer gleichzeitig Kilometer und Staub fressen will, nimmt den Michelin Anakee Adventure in seine Auswahl und freut sich zudem über die atemberaubende Regenperformance. Bridgestones ultrastabiler A 41 wird Fullsize-Tourenfans überzeugen, Contis Trail Attack 3 hebt die Reiseenduro auf Superbike-Niveau.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023