Die erste große Liebe vergisst man nie! Meine erste große Motorrad-Liebe war eine Harley-Davidson XL 883 Sportster, die ich 1986 nagelneu für 13.630 Mark, ohne Probefahrt ("Das ist bei uns unüblich!"), aber immerhin mit Sitzprobe ("Nur in Anwesenheit von Waltraud, der Chefin!") beim Hamburger Harley-Händler Suck kaufte und in Anbetracht meines schmalen Automobil-Juniorverkäufer-Salärs 3 lange Jahre bei der Ford Bank finanzierte.
Eine echte Harley
Eine echte Harley war das damals, vor fast 40 Jahren! Aus heutiger Sicht eine ziemliche Gurke mit 4-Gang-Getriebe, schlapper Bremse, Einfachkette zum Hinterrad und durchwachsener Verarbeitungsqualität. Aber dank Evo-Twin durchaus zuverlässig und aus Sicht eines 24-Jährigen ein echtes Männermotorrad. Wie das mit dem Beuteschema so ist – siehe Boris Becker, landet Mann irgendwie immer wieder beim gleichen Typ, in meinem Fall bei der Sportster.
Sportster als "Frauen-Motorrad"
Die kleine 883er-Sporty blieb allerdings ein Einzelfall, fortan waren es immer 1200er, die neben unzähligen, fürs Tagesgeschäft gedachten BMW-Modellen in meiner Garage Platz fanden und erfolgreich ihre Berufung als Motorrad-Geliebte erfüllten. Allerdings im steten Wechsel, denn es durfte dann doch immer wieder ein bisschen mehr sein. Mehr Hubraum, mehr Image. Schließlich lief die Sportster in gewissen Kreisen unter dem Oberbegriff "Frauen-Harley", und so versuchte ich blödsinnigerweise, mit diversen Dynas, Softails und sogar FL-Dickschiffen dagegenzuhalten.
Mit überschaubarem Erfolg: Am Ende kam immer wieder eine Sportster ins Haus, sehr gern auch in Form eines Buell-Derivats und zuletzt als XR 1200. Die letzte "echte" Sportster, die XL 1200 R meiner Frau, verließ leider vor 5 Jahren im Rahmen einer wahnwitzigen Garagen-Aufräumaktion den Haushalt.
Das Original aus den USA wird nicht mehr produziert
Womit wir endlich beim aktuellen Anlass für diese Geschichte sind: Phantomschmerz in Verbindung mit Trauerarbeit! Am 18. November 2022 wurde im Harley-Davidson-Werk York/Pennsylvania die letzte klassische, also luftgekühlte Sportster gebaut. In Europa war zuvor schon mit dem Modelljahr 2020 die letzte Runde eingeläutet worden.
Euro 5 als Hürde
Die Verantwortlichen bei Harley-Davidson sahen keine Chance, die XL-Baureihe mit vertretbarem Aufwand Euro-5-tauglich zu machen. Fortan und bis heute sollten überteuerte, charakterlose und albern aussehende Allerwelts-Hobel als Einsteiger-Harleys dienen. Verdientermaßen mit eher mäßigem Erfolg.
Originale Sportster als Gebrauchte begehrt
Wer heutzutage eine echte Harley-Davidson Sportster haben möchte, ist aufs Gebrauchtangebot angewiesen. Das ist durchaus üppig, aber seit besagtem Produktionsende gehen die Preise für gute
Sportys durch die Decke und erreichen die seinerzeitigen Neupreise. Das gilt zumindest für die letzte Sportster-Generation (ab 2004) und für die 1200er. Eine 883er ist noch vergleichsweise günstig.Nur mit Glück unter 10.000 Euro
Wenn die Harley-Davidson Sportster nicht mehr als 20.000 Kilometer gelaufen haben soll, mit ABS ausgerüstet und keine "Super Low" sein soll, ist man mit Glück für knapp unter zehn Mille dabei. Reifen top, Inspektion frisch, neue HU und womöglich Händler-Garantie? Dann wird es locker fünfstellig, so ab 11.000 Euro aufwärts. Und es geht noch mehr, wenn beliebtes Zubehör (Auspuff mit Sound!) montiert ist oder die Kilometerleistung besonders niedrig ausfällt. Kurz gesagt: für Sportster-Interessenten ein Trauerspiel.
SWM Stormbreaker V 1200 als neue Alternative
Doch dann passierte zur EICMA 2022 etwas Überraschendes: Der eigentlich nur für seine Enduro- und 125er-Modelle bekannte Hersteller SWM präsentierte als Neuheit ein Motorrad, das verdächtig nach "alter" Sportster aussieht. Der vermeintliche Chinakracher wurde auf weiteren Messen herumgereicht, in freier Wildbahn war davon anfangs nichts zu sehen. Man hatte den Eindruck, das Motorrad diene vornehmlich dazu, SWM wieder ins Gespräch zu bringen, weniger, um wirklich verkauft zu werden.
Über Italien für nur 9.990 Euro
Doch 2024 tauchte die SWM Stormbreaker V 1200 wirklich bei Händlern in Italien auf – als Neufahrzeug für nur 9.990 Euro! Seit dem Frühjahr 2025 werben immerhin 5 oder 6 der über 40 deutschen SWM-Händler damit, die 1200er auf Lager zu haben. Einer davon ist das Zweiradcenter Jansen im norddeutschen Niebüll.
Jetzt gibt's die SWM Stormbreaker auch in Deutschland
Niebüll ist nicht weit von Sylt entfernt, und Sylt ist für meinen Harley-Dealer des Vertrauens regelmäßig ein dienstliches wie privates Reiseziel. Also rufe ich Matthias Meier, Chef bei Harley-Davidson Hannover, an und bitte ihn um einen kurzen Zwischenstopp bei Bernt Jansen: "Kannst dir das Ding ja mal anschauen und mir Bescheid geben!" Die Antwort folgt zeitnah: "Komm nach Hannover, wir haben sie hier, unsere benachbarte Fahrschule hat zugeschlagen."
"Klingt wie eine Sportster und fährt wie eine Sportster"
In welcher Form die SWM Stormbreaker V 1200 tatsächlich als Fahrschul-Untersatz zum Einsatz kommen wird, ist noch nicht final geklärt, aber natürlich sorgt Bernt Jansens Lieferung für reichlich Neugier beim Harley-Händler nebenan. Fachkräfte aus Werkstatt und Verkauf unternehmen erste Probefahrten und sind sich einig: "Klingt wie eine Sportster, fährt wie eine Sportster und bremst sogar etwas besser als die meisten Sportster."
Die SWM funktioniert, und die Ersatzteilversorgung klappt auch
Und so begab es sich, dass ich von meinem Dithmarscher Büro rund 120 Kilometer gen Norden fuhr und den tiefenentspannten Bernt Jansen besuchte, um mit ihm ausführlich über SWM im Allgemeinen und die Stormbreaker im Speziellen zu klönen. Seine bisherige Erfahrung: Das Motorrad funktioniert! Erste Kunden haben bereits um 6.000 problemlose Kilometer damit bewältigt, das Garantiefall-Aufkommen ist unauffällig, und die (Sturz-)Teileversorgung klappt.
Direkter Vergleich mit einer Harley-Davidson XL 1200 X Sportster Forty-Eight
Tags darauf ging es mit meiner Harley-Davidson XR 1200 knapp 240 Kilometer nach Hannover, wo eine noch fast jungfräuliche SWM Stormbreaker V 1200 auf mich wartete. Und zum Vergleich auch noch eine Harley-Davidson Sportster Forty-Eight aus dem geprüften Gebrauchtmaschinen-Angebot von Harley-Davidson Hannover. Siehe oben in der Bildergalerie.
Die SWM Stormbreaker V 1200 auf dem Prüfstand
Zeitgleich ereilte mich aus Stuttgart von MOTORRAD-Testchef Andi Bildl die frohe Botschaft, dass nach vielen Wochen Wartezeit endlich ein Test-Exemplar von SWM eingetrudelt ist. Und das muss selbstverständlich auf den Prüfstand, wo es weitgehend deckungsgleiche Kurven ins Diagramm hämmert wie eine Original-Sportster – trotz Euro-5-Homologation. Die Euro-5+-Version will SWM "im Spätsommer 2025" nachlegen.

Um 70 PS und knapp 100 Nm – wie der Original-Motor
Kurvendiskussion? Unnötig! Dass die beiden Motoren nicht nur äußerlich "sehr ähnlich" sind, dürfte beim direkten Vergleich der Leistungs- und Drehmomentkurven klar sein. Dabei übertreffen beide Motoren die Werksangaben: Harley-Davidson nannte fürs letzte offizielle Modelljahr (2020) in Deutschland 67 PS bei 6.000/min und maximal 96 Nm bei 3.500/min. SWM verspricht fürs aktuelle 2025er-Modell offiziell 61 PS bei 5.500/min und 91 Nm bei 4.000/min. Das etwas höhere Drehzahlniveau der SWM ganz "obenraus" ist in der Praxis weder spürbar noch relevant. Wenn überhaupt, ist eine etwas direktere Gasannahme zu vermerken.
Erstaunlicher Erstkontakt mit der China-Sportster
Wie geht es nun weiter mit der SWM Stormbreaker V 1200? Dem erstaunlichen Erstkontakt lassen wir die (Vergleichstest-)Praxis folgen. Und womöglich landet dann nach mehr als 10 echten Sportys so ein Sportster-Klon in meiner Garage.

Mit der SWM Stormbreaker bei Basti Balzer (links im Bild), Harley-Davidson Hannover.
Interview mit einem Harley-Profi
Basti Balzer, der Leiter der Service-Annahme von Harley-Davidson Hannover verfrachtete die SWM Stormbreaker V 1200 auf seine Hebebühne, um uns die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zum Original zu zeigen. Der Harley-Profi im Interview:
Sieht aus wie eine 2017er-Sporty! Und der Tank sieht fast nach 1200er-Custom aus. Ohne Beschriftung geht die SWM bei Laien klar als Harley durch.
Die Stormbreaker-Tankaufkleber ließen sich bereits durch etwas kräftigeres "Anpusten" entfernen, und das erstmalige Starten und auch Ausstellen waren eine gewisse Herausforderung.
Das Batterie-Thema ist etwas Spezielles, zeige ich dir gleich mal. Einen Zündschlüssel gibt’s nicht, dafür aber einen Transponder. Einen Starterknopf hat die SWM durchaus, aber den musst du beim Anlassen zweimal bedienen – und überraschenderweise auch einmal beim Ausstellen. Alles kein Drama und reine Gewöhnung, aber eben doch etwas umständlicher als bei einer Harley.
Links hinterm Seitendeckel – so weit original. Aber anders als bei Harley-Davidson ist der Deckel nicht bedienungsfreundlich mit Clips befestigt, sondern verschraubt. Eine von zwei Schrauben hatte bereits gefressen und das Gewinde vermurkst. Lässt sich ja alles relativ einfach reparieren, hatte aber doch was von "grob zusammengeschustert". Die eigentliche Überraschung steckte dann hinterm Deckel: Im großen Batteriekasten – der hat Originalgröße, und auch die ganze Elektrik sitzt da, wo sie auch bei Harley-Davidson ist – steckt eine kleine Lithium-Ionen-Starterbatterie. Und damit die nicht herumwackelt, ist sie recht lässig mit Schaumstoffklötzchen gepolstert.
Rechte Seite: Da ist bei der Sporty der Ölmessstab direkt zugänglich. Bei der SWM ist wieder Deckel-Abschrauberei angesagt. Aber es gibt ja auch nette Überraschungen: Tankdeckel serienmäßig abschließbar – das kenne ich gar nicht (lacht). Und das LED-Licht ist auch ganz nett. Während der Fahrt merkst du eigentlich nur an den Lenkerschaltern, dass das Motorrad aus China kommt. Die Schalter, die sind billig gemacht.
Ich bin positiv überrascht. Motor und Fahrwerk wirken baugleich, das Finish drum herum ist aber etwas grobschlächtiger. Aber: für den Preis okay.