250-cm³-Moto Cross-Vergleichstest

250-cm³-Moto Cross-Vergleichstest Achterbahn

Der Stollenfraktion liebste Spielzeuge: eine Klasse, acht Marken. Einen umfangreicheren Vergleichstest der Viertelliter-Moto Crosser gab´s noch nie.

Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, will uns eine Weisheit alter Tuner glauben machen. Moto Crosser können auf solch schlaue Tips gern verzichten. Denn zumindest was die Zweitakt-Freaks angeht, verbalisiert sich Faszination und Vernunft in einer Ziffer: 250. Kubikzentimeter natürlich. Das Doppelte der nervigen und schwachbrüstigen 125er Maschinen, die Hälfte der überstarken und kaum beherrschbaren 500er Boliden.
Auf der Welle der Vernunft reiten derzeit immerhin acht Hersteller. Vordergründig im technischen Einheits-Look: Einzylinder-Zweitaktmotor, Wasserkühlung, Zentralfederbein hinten, Telegabel in konventioneller Bauart oder als Upside-down-Version vorn, jeweils mit um die 30 Zentimeter Federweg. Radstand und Fahrwerks-Geometrie gleichen sich nahezu bis auf den Millimeter. Während des Tests rollten alle Crosser - der besseren Vergleichbarkeit wegen - auf der Dunlop-Reifenpaarung D 707/K490.
Dennoch: Weitgehend neu ist die spanische Gas Gas mit Vierganggetriebe und steifem Brückenrahmen aus vernickelten Rechteck-Stahlrohren. Hondas Alu-Brückenrahmen, 1997 als erstes Chassis dieser Art im Off Road-Sport als Sensation gefeiert, wurde von den Crossern im rauhen Terrain als zu steif erachtet. Worauf die Honda-Ingenieure den Silberling nachgiebiger konzipierten. Ein längerer Nachlauf und ein flacherer Lenkwinkel sollen zudem für Stabilität sorgen.
Wieder im Rennen: die Husqvarna. Nach zwei Jahren Pause in der Viertelliter-Klasse greifen die Mannen aus Varese wieder an. Neben dem kräftig überarbeiteten Motor machen vor allem die erstmals in Großserie verwendete Upside-down-Gabel von Marzocchi sowie das im letzten Jahr neu eingeführte Sachs-Federbein neugierig. Kawasaki: Die flachere Tank-Sitzbank-Linie sticht sofort ins Auge. Erst später fällt der Keihin-Vergaser mit Powerjet und Sensor für die Gasschieber-Stellung auf. Mit den Daten dieses Sensors gefüttert, soll die Zündbox jeweils die leistungsträchtigste Zündkurve errechnen.
Feintuning bei KTM: Das in der vergangenen Saison erstmals eingesetzte PDS-Federbein - das ohne Hebelei direkt an der Hinterradschwinge angelenkt wird - erhielt eine grundlegend neue Abstimmung samt progressiver Feder, die Kupplungsbetätigung erfolgt nun hydraulisch. Auch Moto TM hat viel Neues zu bieten. Ein Brückenrahmen aus Ovalrohren umgibt nun den hauseigenen Motor. Doch auch die Upside-down-Gabel von Paioli ist hierzulande noch weitgehend unerforscht.
Demgegenüber kann die 1999er Suzuki äußerlich nur wenig Spektakuläres verzeichnen. Einzig die endgültige Abkehr von der herkömmlichen Showa-Vorderradgabel fällt auf. Schon traditionell auf Understatement macht Yamaha. Im äußerlich nahezu unveränderten blauen Kleid steckt jedoch eine weitgehend neu konstruierte Maschine. Der neue Zylinder inklusive stark modifizierter Auslaßsteuerung, das neue Getriebe und die leichtere Schwinge samt Rädern verwandeln die YZ in ein fast neues Motorrad.
Und doch: Mit draufsetzen und Gas geben ist´s bei allen 250er Crossern nicht getan. Wenn 50 und mehr Pferdchen mit den wenig mehr als 100 Kilogramm Stahl, Alu und Kunststoff losstürmen, ist Schluß mit lustig. Schnell ist im Moto Cross auf Dauer nur die perfekt harmonierende Kombination von Motor und Fahrwerk.
Interpretation der Motoren. Bis auf die KTM, die mit 67,5 Millimetern Bohrung und 69,5 Millimetern Hub Individualität zeigt, demonstriert das Feld Geschlossenheit. 66,4 x 72 Millimeter lauten die Standardmaße - freilich ohne einheitliches Ergebnis.
Noch ganz Enduro gibt sich die Gas Gas. Sauber und gut dosierbar, zieht das spanische Aggregat aus dem Drehzahlkeller, um dann aber relativ bald abzuriegeln. Früh schalten hieße die Devise, hätten sich die Iberer mit ihrem Getriebe nicht auf unbekanntes Terrain vorgewagt. Denn vier Gänge sind im Cross-Metier eindeutig zu wenig. So muß das Gas Gas-Triebwerk auch gegen seinen Willen ausgedreht werden, um die drehzahlmäßig passenden Anschlüsse an die folgenden Gänge zu finden. Einen ähnlichen Charakter legt der Moto TM-Motor an den Tag. Auch er packt unten satt an, drückt sauber in den mittleren Bereich, um weiter oben etwas abzuflachen. Der Vorteil des Moto-TM-Freaks: der fünfte Gang, der dem Italo-Treiber die Gnade des frühen Schaltens ermöglicht.
Das genaue Gegenteil verkörpert die Husqvarna. Je höher die Drehzahl, desto wohler fühlt sich die Italienerin. Die Kehrseite der Medaille: Den auf den immer enger und kniffligger werdenden Moto Cross-Strecken so wichtigen Druck von ganz unten läßt die Husky schmerzlich vermissen. Mit Sanftmut gehen KTM und Honda im rauhen Cross-Gewerbe zu Werke. Wie Elektromotoren surren beide Aggregate vom Drehzahlkeller bis zur Nenndrehzahl. Perfekt für die Mehrheit aller Cross-Piloten, fast zu zahm für wilde und fahrerisch begüterte Naturen wie Inter-Crosser Marco Dorsch (siehe Kasten Seite 183).
Auch nach der General-Revision bleibt die Yamaha das, was sie immer war. Typisch Yamaha. Biß von unten, Druck in der Mitte, Zurückhaltung ganz oben. Gut für Amateure, die nicht dauernd mit dem Finger an der Kupplung aus den Ecken donnern möchten, und Profis, die wissen, daß frühes Schalten der Schlüssel zur Tür des Erfolgs auf der blauen Japanerin ist.
Nach diesem Sextett ist motorenmäßig eine Zäsur angesagt. Was jetzt kommt, spielt in der Champions League. Sei es wegen der Powerjet-Vergaser - welche die Yamaha übrigens auch besitzt - oder sonstiger Tricks, die Kawasaki und die Suzuki legen in Sachen 250er Cross-Motoren jedenfalls derzeit die Meßlatte. Die Kawa brilliert mit einem barbarischen Antritt aus den Kehren, der sich etwas später in den oberen Drehzahlen zwar etwas abflacht, bis dahin der Grünen aber schon einen gehörigen Vorsprung verschafft hat - sofern keine Suzuki im Feld ist. Denn was die Ingenieure aus Hamamatsu mit ihrer aktuellen RM angestellt haben, verdient in der Tat das Prädikat: »unerreicht«. Mit 57,4 PS Spitzenleistung drückte der in den letzten Jahren eher schwächliche Suzuki-Motor die Rekordmarke aller bislang von MOTORRAD gemessenen Viertelliter-Crosser auf den Prüfstand. So, wie er sich mißt, fährt sich der Suzuki-Sprengsatz auch: Ob unten, mitte, oben - auf der Gelben geht´s nur voran.
Motorcharakteristik schön und gut, doch ohne eine gelungene Fahrwerksabstimmung steht auch der potenteste Antrieb im Moto Cross-Metier auf verlorenem Posten. Denn wenn die Unterarmmuskeln hart und die Knie weich werden, wünscht selbst der abgebrühteste Spurrillen-Kämpfer jedes einzelne PS zur Hölle.
Gleich ob Gabel oder Federbein - sensibles Ansprechen, Resistenz gegen Durchschlagen und praxisgerechte Einstellmöglichkeiten der Druck- und Zugdämpfung sind die unabdingbaren Voraussetzungen für ein erträgliches Crosser-Leben. Die Wege zu dieser Optimallösung münden mittlerweile weitgehend auf den selben Pfaden. Das über eine Umlenkung progressiv betätigte Federbein stellt - bis auf die Ausnahme KTM mit direkter Anlenkung - in Sachen Hinterradfederung längst den Standard dar. Beim Thema Gabel scheiden sich noch die Geister. Nach dem unerwarteten Umstieg von Suzuki auf die Upside-down-Technik halten nur noch Gas Gas und KTM mit der Extreme-Gabel von White Power am konventionellen Gabelbau fest. Bis zu 1,5 Kilogramm weniger Gesamtgewicht sowie wesentlich verbesserte Steifigkeit gegenüber herkömmlichen Gabeln sprechen für die umgedrehten Federelemente. Allerdings: Schlechtes Ansprechen und hartes Durchschlagen machten der Upside-down-Variante in der Vergangenheit nicht nur Freunde.
Daß aber auch das Traditionelle nicht immer gut sein muß, beweist die Gas Gas. Zwar besticht das hintere Öhlins-Federbein durch tadellose Funktion, gerade die White Power-Gabel läßt jedoch mit schlechtem Ansprechverhalten und hakeligem Lauf arg zu wünschen übrig. Wobei die Katalanen beim Griff ins Teileregal offensichtlich einfach nur Opfer der gigantischen Serienstreuung bei White Power geworden sind. Die baugleiche Gabel in der Test-KTM funktioniert nämlich hervorragend.
Die Möglichkeit, beim Thema Federung zu brillieren, hat sich die Husqvarna verbaut. Entscheidend zu weiche Federraten werfen einen dunklen Schatten auf die ansonsten sehr feinfühlig ansprechenden Federelemente von Sachs (hinten) und Marzocchi (vorn). Selbst zahme Hobby-Crosser kommen um einen Satz härterer Federn auf keinen Fall herum. Teilweise besser macht´s die Moto TM. Während der Öhlins-Monoshock die Hinterhand sehr bestimmt und sportlich straff führt, hängt die Upside-down-Gabel von Paioli im wahrsten Sinn des Wortes durch. Härtere Federn sind, auch in der überraschend feinfühlig ansprechenden Italienerin ein Muß.
Wie gesagt, mehr Glück bei White Power hatte wohl KTM. Im Gegensatz zur Gas Gas-Version stellen die holländischen Gabelbeine in der Österreicherin nahezu das aktuelle Optimum in Sachen Vorderradfederung dar. Nicht ganz mithalten kann das ohne Umlenkung arbeitende Federbein aus gleichem Haus. In der Zugstufe relativ schwach gedämpft, bleiben dem KTM-Reiter beispielsweise auf welligen Sandstrecken keine Einstellreserven mehr. Zudem neigt das PDS-System, zwar - wenn auch weniger als im letzten Modelljahr - auf scharfkantigen Beschleunigungswellen zum Stempeln und seitlichen Kicken.
Passabel, in der Druckdämpfung aber etwas zu straff, lassen sich die Suzuki-Federelemente an. Größtes Manko: Die sehr fein ansprechende Showa-Gabel zollt ihrem Upside-down-System zumindest beim Durchschlagen Tribut. Knallhart donnert sie bei harten Landungen an die Endanschläge.
Honda? Siehe Suzuki. Wobei der CR zugute gehalten werden muß, daß Honda in den 1999er Modellen mit Abstand die sensibelste und brauchbarste Federungsabstimmung der roten Renner seit der Übernahme der Upside-down-Gabel vor elf Modelljahren geglückt ist.
Besser können´s nur noch zwei Marken. Yamaha, die dem konstruktiven Manko der Upside-down-Gabel erfolgreich begegnen konnten. Mangels Platz für ein ausreichendes Ölpolster in den dünnen Gleitrohren schlagen die umgekehrten Forken - siehe Suzuki und Honda - nämlich am Ende des Federwegs allzu hart durch. Der sanft wirkende Endanschlag aus Elastomer-Schaumstoff wirkt in der Kayaba-Gabel der Yamaha jedenfalls Wunder. Auch hinten reicht die Serienabstimmung, um Crosser glücklich zu machen. Genauso überzeugend setzt sich die Kawasaki in Szene. Zwar ruft die zu weiche Vorderhand nach strafferen Gabelfedern, heckseits nimmt die traumhafte KX-Federung aber selbst übelsten Rumpelpisten jedweden Schrecken.
Und sonst? Bremsen? Die Welt kann so einfach sein. Perfekt die Nissin- und Akebono-Stopper der Japan-Crosser. Brembo, als Ausrüster der europäischen Maschinen, kann vorn mit zwar höherer Handkraft, aber guter Dosierbarkeit fast aufschließen, hinten hapert´s jedoch. Trotz im Vergleich zu den Vorjahren kleinerer Bremskolben neigen die Italo-Verzögerer auf traktionsarmen harten Böden immer noch zum Blockieren.
In der Tat, die Welt könnte so einfach sein. Doch eine Rangliste unter Maschinen zu erstellen, die mit schnell eingebauten anderen Federn oder Tuning-Auspuffanlagen ihr Gesicht völlig verändern können, grenzt an Unfairneß. Unterschiede bleiben gleichwohl - im Serienzustand sowieso, in der persönlich abgestimmten Version zumindest in deren Charakter.

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