Probleme bei der BMW R 1250 GS: 100.000 km Dauertest-Ergebnisse

BMW R 1250 GS im Dauertest über 100.000 km
Diese Teile sind nach 100.000 Kilometern defekt

ArtikeldatumVeröffentlicht am 13.09.2025
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Hunderttausend! Das klingt zunächst gewaltig. Vor allem, wenn der Tachostand erst gerade vierstellig geworden ist. 99 000 Kilometer lagen damals, im April 2019, noch vor uns, als die BMW R 1250 GS im Dauertest mit ihrem seinerzeit neu eingeführten Shiftcam-Boxermotor frisch eingefahren zum Dauertest in der Redaktion eintraf. Stopp, korrekterweise sollten wir einschieben, dass sie zunächst für die üblichen 50 000 km eingeplant war. Doch schnell mehrten sich in unseren Testerkreisen die Stimmen, dass diese Übung eine viel zu leichte für den in ganz Europa beliebten und reichlich bewegten Topseller ist. 50 Mille reißt eine GS doch auf der linken Boxerbacke ab, debattierte die allmorgendliche Testerrunde in der Redaktion nicht nur einmal. Also verdoppeln wir den Einsatz. Ein besonderes Motorrad, das sich in unseren Testarien, vom 1000-Punkte-Top-Test über Konzeptvergleiche on- wie offroad hin zum prestigeträchtigen Alpen-Masters, bestens in Szene setzt, benötigt schließlich diesen besonderen Dauertest: also 100.000 Kilometer! Zur Sicherheit ließen wir unsere geschätzten Leserinnen und Leser im Rahmen der 25.000-Kilometer-Zwischenbilanz ihr Votum abgeben: Die Flut an elektronischer Post kannte ebenfalls nur eine Meinung: Ja zum 100.000-Kilometertest der GS.

Rückblick mit Brisanz

Mit Blick auf die langjährige Beziehung der GS-Reihe zum MOTORRAD-Dauertest sollte man aber nicht meinen, dass die BMW R 1250 GS im Dauertest völlig frei von Komplikationen wäre. Blättern wir dazu nur geschwind auf die Seite 61 vor, wo sich anhand der Punktetabelle die Leistung von rund 50 Dauertest-Bikes bis zurück ins Jahr 2005 verfolgen lässt. Die beiden Vorgänger der aktuellen Shiftcam-GS sind da unter "ferner liefen" einsortiert: die letzte luftgekühlte 1200er-GS auf Platz 42 und die erste "präzisions-wassergekühlte" Zwölfer nur unwesentlich besser auf Rang 36. Weil beide kapitalen Schäden innerhalb der regulären 50.000er-Distanz mächtig liegenblieben. Ein defektes Kugellager im Getriebe bei der einen, ein komplett zerstörtes Getriebe nach einem Lagerschaden an der Eingangswelle bei der anderen. Wir merken: Mal eben die Laufstrecke verdoppeln, kann bei dieser Vorgeschichte schon eine gewisse Brisanz beinhalten. Aber wie heißt es im Sport so schön: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel! Und was hilft der Blick in die Klamottenkiste und das Kramen nach alten Geschichten, wenn ein komplett neuer Akteur auf dem Feld steht. In diesem Fall sprintete der neue Spielmacher in Form der R 1250 GS auch mächtig los, sodass sechs Monate nach der Jungfernfahrt bereits 25.000 Kilometer auf dem Tacho standen. Erste Hochrechnungen begannen, dass dieses ja der schnellste Dauertest aller Zeiten werden könnte. Doch dann strandete Testfahrer Timo Morbitzer eine Tankfüllung später mit defektem Nockenwellensensor in einer BMW-Vertragswerkstatt in Karlsruhe. Ausgerechnet ein Bauteil, das integraler Bestandteil der diese Boxergeneration auszeichnenden variablen Ventilsteuerung ist. Sollte gerade der Shiftcam anfangen, Probleme zu bereiten?

Der Shiftcam im Alltag

Um es kurz zu machen: nein! Das Bauteil wurde auf Garantie getauscht und für die restlichen 75.000 Kilometer gab es in Sachen Shiftcam bei der BMW R 1250 GS im Dauertest auch keine weiteren Auffälligkeiten negativer Natur. Positiver hingegen schon. Denn der Kniff dieser Ventilsteuerung, bei der die zwei Einlass-Nockenwellen unterschiedliche Profile für Teil- und Volllast besitzen, verleiht der GS eine ziemlich einmalige Laufkultur. Das merkten auch schaltfaule Piloten, die den 1250er-Hubraum mit hohem Gang und niedriger Drehzahl malträtierten. Wo andere großvolumige Zweizylinder unwillig herumhacken würden, zieht der Boxer dank des (unmerklichen!) Umschaltens auf kleine Teillast-Nocke geschmeidig durch. Und ohne Kick ins Kreuz (Turbo- und V-Tech-Fahrer wissen, wovon wir schreiben) zieht die GS dann beim Gasaufreißen nahezu linear hoch bis in den Begrenzer. Wann und wie sich die große Volllastnocke dazugeschaltet hat, lässt sich selbst von der sensibelsten Gashand nicht erahnen. Und um es noch mal deutlich zu unterstreichen – diese elastische Fahrkultur zeichnet die GS bis zum Dauertestende aus. Wäre da nicht der kleine Patzer mit dem Sensortausch, bekäme der Shiftcam eine Eins mit Sternchen, so aber bleibt es bei einem minimalen Abzug in der B-Note.

Streit ums Getriebe

Ein neuralgischer Punkt bei BMW ist erfahrungsgemäß das Getriebe: Auch die BMW R 1250 GS im Dauertest wurde hier kritisch beäugt. Blenden wir die Defekte der beiden Vorgängermodelle im Dauertest einmal aus, reicht auch schon die alltägliche Prozedur des lautstarken Gangeinlegens, um mit Frust auch die eigenen Zähne knirschen zu lassen. Ist die 1250er endlich die große Ausnahme? News-Redakteur (und alter BMW-Hase) Mike Schümann jedenfalls ist verblüfft. "Sogar das Getriebe funktioniert! Ist das wirklich eine BMW?", fragt er sich nach seiner ersten Tour mit dem Dauertester bei Kilometerstand 4332. Tester Morbitzer wiederum konstatiert nach seiner Reise von Stuttgart an die Nordsee: "Getriebe ganz schön hakig" (km 17.967). Gleiches moniert Vize-Testchef Jens Möller-Töllner und setzt noch drauf, dass zudem der Schaltautomat "unterirdisch arbeitet" (km 51.243). In die gleiche Kerbe haut auch Onliner Jens Kratschmar bei km-Stand 52.864: "Quickshifter sehr hakig, nur bei hohen Drehzahlen ist Schalten ohne Lastwechsel möglich!" Das Kontra kommt 1.000 Kilometer später von MOTORRAD-Fuhrparkchef Tobias Wassermann, der über seine Hausstrecke Richtung Göppingen pfeilt und resümiert: "Getriebe und Blipper funktionieren wunderbar!" Beenden wir an dieser Stelle den Disput in den Fahrtenbüchern, der sich wahrscheinlich auch noch weitere 100 000 km ohne klares Ergebnis fortsetzen würde, und ziehen wir technisch betrachtet den Schlussstrich: Das Getriebe hat bis zum Schluss seinen "Dienst nach Vorschrift" ohne Ausfall oder Ähnliches versehen. Punkt.

BMW  R 1250 GS Dauertest 100.000km
fact

Elektronik und Navigator VI

Deutlich mehr Ausfälle gab es bei den "soft skills" zu vermelden. Auch bei der BMW R 1250 GS im Dauertest sorgten elektronische Systeme für Ärger. Allen voran der BMW Navigator VI, der immer wieder abstürzte oder sich mit "eingefrorenem Bildschirm" gar nicht mehr bedienen ließ. Dreimal wurde das komplette Gerät auf Garantie getauscht, final bei der 80.000er-Inspektion, die wie immer unser bewährter und bestens engagierter BMW-Händler Brauneisen in Wendlingen durchführte. Hier nun auf einen Navigator VI in überarbeiteter Version, der dann auch für die letzten 20.000 km zuverlässig den Weg anzeigen sollte.

SOS-Störungen und Notrufsystem

Deutlich häufiger irritierte die GS-Besatzung die Anzeige "Notruf ausgefallen", verbunden mit dem Hinweis, dass die Werkstatt aufzusuchen ist. Auch die BMW R 1250 GS im Dauertest blieb davon nicht verschont. Zählt man alle Meldungen in den Fahrtenbüchern zusammen und berücksichtigt, dass hier bestimmt nicht alle Störungsmeldungen notiert wurden, kommt man zum Schluss auf einen Schnitt von einer SOS-Störung pro 1.000 Kilometer. Was nicht weiter tragisch ist, denn im Regelfall konnte diese Fehlermeldung wie nahezu jede an einem elektronischen Gerät durch einen simplen Neustart gelöst werden. Als Hardware mussten allerdings über die Distanz von 100.000 km zwei Bauteile (SOS-Schalter und -Mikrofon) getauscht werden – in Summe verschmerzbar, zumal die Idee und das Vorhandensein eines automatischen Notrufs im "worst case" nicht hoch genug bewertet werden kann. Und dass dieser zuverlässig funktioniert, haben wir bei anderer Gelegenheit bereits festgestellt.

Tausch der Kardanwelle

Als einzige kapitale Aktion bliebe schließlich nur noch der Tausch der Kardanwelle nach gut drei Vierteln der geplanten Laufleistung zu nennen. Betroffen war hier die BMW R 1250 GS im Dauertest nach einem Riss im Faltenbalg des Kardangehäuses, der zu Wassereintritt führte. Verräterische Rostspuren auf der Welle machten den Austausch nötig. Dies hat nun nichts mit der jüngst angelaufenen Serviceaktion zu tun, bei der über 440.000 Boxer-Modelle (u. a. R 1200/1250 GS) zum Kardancheck in die Werkstätten bestellt werden. Allerdings entschied man sich vorsorglich, die Kardanwelle komplett zu tauschen, da sich nicht mit letzter Sicherheit ausschließen ließ, dass durch den Rost schon die Kreuzgelenke samt Wälzlager Schaden genommen haben. Mit dem inzwischen vorhandenen Servicetool für die oben genannte Aktion wäre das aber möglich gewesen – siehe dazu auch weiter unten die Stellungnahme von BMW.

Finale und Befund

Kommen wir zum Finale, für das die BMW R 1250 GS im Dauertest bei Kilometerstand 100.001 vor der MOTORRAD-Werkstatt ausrollt. Hier übernehmen nun Chefschrauber Gerry Wagner sowie die Testkollegen Markus Spindler und Achim Steinmacher wie ein eingespieltes Pathologenteam im Sonntags-Tatort die GS und schreiten zur mikroskopisch genauen Sezier- und Vermessaktion des Motors und seiner gesamten Innereien.

Verschleißanalyse und Fazit

Was sollen wir an dieser Stelle nun viel sagen oder schreiben, außer dass die BMW R 1250 GS im Dauertest im Verschleißdiagramm eine klare Sprache spricht. Nennenswerte Gebrauchsspuren gibt es schon, diese aber nur an wenigen Stellen. Selbst die Pleuellager wirkten zwar etwas gebrauchter als andere Teile, waren aber immer noch maßhaltig. Unterm Strich sieht man dem Motor auch unter rein mechanischer Betrachtung diese gewaltige Belastung nicht an. Denn 100.000 km heißt auch, dass sich die Kurbelwelle bei angenommener Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 km/h und einer durchschnittlichen Drehzahl von 4.000/min sagenhafte 300 Millionen Mal gedreht hat. Und dass jeder Kolben in Summe 45.000 Kilometer in der Zylinderlaufbahn hoch- und runtergeflitzt ist – also einmal die Erde umrundet hat. Das, was man jetzt mit genau dieser Dauertest-GS auch wieder machen könnte: zusammenbauen und noch mal die Welt umrunden!