Ducati Multistrada V2 S im Top-Test: Top Handling, moderne Technik, weniger Verbrauch

Ducati Multistrada V2 S im Top-Test
Top Handling, moderne Technik, weniger Verbrauch

Veröffentlicht am 18.07.2025

Der Fahrer sitzt wirklich gut auf der Ducati Multistrada V2 S, kann in Schräglagenwechseln leicht um das schmale Hinterteil des Tanks herum sein Gewicht verlagern, seine Hände finden den Lenker quasi instinktiv, und die Beine stützen sich mit angenehmem Kniewinkel auf die Fußrasten. Dabei ist es egal, ob das Sitzpolster auf 835 oder 855 Millimeter Höhe eingesteckt ist, und die beiden wählbaren Sitzhöhen haben auch keinen spürbaren Einfluss auf Feedback und Fahrdynamik. Nebenbei oder besser hinterdrein bemerkt finden auch Beifahrer einen großzügig bemessenen und gepolsterten Sitz.

Neue Ducati Multistrada V2 S wiegt 20 Kilo weniger

Auf der Waage beweist die Multistrada, dass Ducati untertrieben hat – sie wiegt mit vollem Tank und Hauptständer nicht 18, sondern sogar 20 Kilogramm weniger als die Vorgängerin. Das geringe Gewicht fällt schon beim Rangieren auf und wirkt sich offenbar auch auf das Einlenkverhalten aus. Denn die Fahrwerksgeometrie der neuen Ducati Multistrada V2 S hat sich fast nicht verändert; sie weist einen etwas steileren Lenkkopfwinkel auf, den identischen Nachlauf und 20 Millimeter weniger Radstand. Die Gewichtsverteilung hat sich um einige Zehntelprozent in Richtung hecklastig verschoben. Das sind keine gravierenden Unterschiede, dennoch fährt sich die neue Multi geradezu traumhaft handlich, ohne kippelig zu wirken.

Vertrauenerweckend auch auf schlechten Straßen und bei Regen

Die Ducati Multistrada V2 S ist eines jener Motorräder, zu denen man rasch Vertrauen fasst, weil sie Lenkimpulse präzise in die vorausgeschaute Fahrlinie umsetzt, selbst auf schlechten Straßen. Das hat sie auf kleinen, vernarbten Nebenstraßen im Zabergäu und im Kraichgau bewiesen. Im semiaktiven Dämpfungsmodus "Comfort" erlaubte sie sogar, schräg über Waschbrettwellen hinweg zum Scheitelpunkt von Bergabkehren zu schneiden, ohne in Federungshysterie zu verfallen und dadurch den Grip zu verlieren.

Und bei einer Fahrt im strömenden Regen ließ sie in einigen 270-Grad-Autobahnanschlusskurven genau fühlen, wie viel Schräglage und Beschleunigung unter den herrschenden Umständen möglich war. Die Reifen hätten wohl noch mehr zugelassen, aber die Ducati Multistrada V2 S verleitet eben auch nicht zur Übertreibung.

Auf griffigem, gut gebügeltem Asphalt leistete der Modus "Dynamic" wiederum so gute Dienste, dass wir auf die Möglichkeit verzichteten, in die Untermenüs zu gehen, um in beiden Modi für Gabel und Federbein in je fünf Stufen Feineinstellungen der Dämpfung vorzunehmen. Ganz zu schweigen von der in 24 Stufen elektronisch einstellbaren Federvorspannung hinten. Fahrer mit besonderen Bedürfnissen können sich gerne damit beschäftigen, wir waren mit den vorkonfigurierten Modi sehr zufrieden.

Neu konstruierter 890er-V2 ist nicht nur Antrieb

Wer vom Fahrwerk spricht, ist bei der Ducati Multistrada V2, Modell 2025, schon sehr nahe am Motor. Denn der neu konstruierte 890er ist nicht nur Antrieb, sondern auch der Kern des Fahrwerks. Er verbindet den Lenkkopfträger aus Leichtmetallguss mit dem Heckrahmen aus Stahlrohren, nimmt die Schwingenlagerung sowie die Fahrerfußrasten auf und dient als Abstützung des Federbeins.

Damit trägt er quasi zweifach zur Gewichtsersparnis bei: durch den bei ihm selbst praktizierten Leichtbau und durch die Materialersparnis bei der Fahrwerkskonstruktion. Seine Aufgaben als Antrieb betreffend, soll er den 937er-Testastretta als leichterer, weniger komplexer und effizienterer Motor ersetzen, bei annähernd gleichen Fahrleistungen und tendenziell besserer Alltagstauglichkeit.

Geringerer Benzinverbrauch mit neuem Motor

Wie die Messwerte beweisen, ist dies voll und ganz gelungen. Die Beschleunigungswerte unterscheiden sich nur um Zehntelsekunden hin oder her, und auch beim Durchzug bleibt die Neue trotz 47 cm³ weniger Hubraum auf gleicher Höhe. Deutlicher fallen die Unterschiede beim Benzinverbrauch aus – der 890er schluckt auf 100 Kilometer einen halben Liter weniger als der 937er.

Einer der Hauptkritikpunkte am ehrwürdigen Testastretta betrifft sein geringes Schwungmoment, das Drehzahlen von unter 3.500/min unter Last zur Qual für Motor und Fahrer macht. Das stört vor allem beim Einsatz in Enduros wie der Multistrada oder der DesertX. Auch der 890er ist beileibe kein Traktormotor geworden; beim Durchzug aus 50 km/h im sechsten Gang hackt auch er wie alle halbwegs sportlich ausgelegten Zweizylinder unwillig auf Pleuel und Kurbelwelle ein. Aber wenigstens hackt er vorwärts.

Ausgeprägtes Konstantfahrruckeln und lange Warmlaufphase

Den Kaltstart meistert der neue V2 zuverlässig, in der Warmlaufphase zollt er jedoch der Homologation nach Euro 5+ Tribut. Beim Beschleunigen am Ortsausgang oder aus dem Kurvenscheitel, also immer dann, wenn altmodische Schiebervergaser mittels Beschleunigerpumpe einen fetten Benzinstrahl in den Ansaugtrakt spritzen würden, bleibt der Magerkost-V2 kurz weg. Es braucht bei kühlem Wetter gute zehn Kilometer, bis die aufgewärmten Zylinderköpfe den Bedarf an Gemischanreicherung zurückfahren und sich die zögerliche Gasannahme normalisiert.

Top-Tester Karsten Schwers konstatierte zwar auch bei betriebswarmem Motor und selbst im Power-Modus "High" eine minimal verzögerte Gasannahme, die hat mich aber nicht gestört. Ausgeprägtes Konstantfahrruckeln beim dadurch wenig konstanten Dahinzuckeln im Stadtverkehr fanden wir beide nicht besonders behaglich. Damit sind aber die kritikwürdigen Eigenarten des neuen Motors der Ducati Multistrada V2 S alle genannt, und er sei hiermit weniger wortreich, aber durchaus entschieden gelobt.

Trotz des abgeplatteten Spitzenbereichs der Leistungskurve ist er sehr drehfreudig. Besonders energisch geht er über 6.000 und bis etwa 9.000/min im Fahrmodus "Sport" zur Sache; da bekommt die Wheeliekontrolle einiges zu tun. Und auch wenn Ducati-Traditionalisten den Verzicht auf die Desmodromik beklagen – mit variablen Einlasssteuerzeiten und Ventilbetätigung über Gleitschlepphebel ist auch der neue V2 kein Lowtech-Motor. In ihm steckt noch eine Menge Potenzial.

Überzeugende ABS-Modi und Traktionskontrolle

Wie schon die Abstimmung der semiaktiv dämpfungsvariablen Federelemente gezeigt hat, verfügen die Ducati-Entwickler über eine beeindruckende Kompetenz bei der Konfiguration elektronischer Fahrhilfen. Sie kommt auch beim ABS der neuen Ducati Multistrada V2 S zum Ausdruck. Selbst eine hohe durchschnittliche Verzögerung bleibt in den ABS-Modi drei und zwei ohne gefährliche Stoppies. Für das nebenstehende Foto nutzte Karsten den Modus eins ohne Abhebeerkennung und Antiblockierfunktion am Hinterrad. Zum ABS-Modus eins muss noch ergänzt werden, dass er eigentlich nur für den Geländeeinsatz genutzt werden sollte und die Schräglagensensitivität für das Bremsen in der Kurve deaktiviert ist.

Über die Traktionskontrolle lässt sich bei der Ducati Multistrada V2 S nur Gutes sagen – sie arbeitet schon auf Stufe fünf, die im übergeordneten Fahrmodus "Touring" voreingestellt ist, so unauffällig, dass man ihre Eingriffe kaum bemerkt. Das gilt erst recht für die Stufe zwei, die zum Serienangebot des Fahrmodus "Sport" gehört. Die Stufe eins ist nur für die Rennstrecke vorgesehen, darüber hinaus lässt sich die Traktionskontrolle auch abschalten. So wurden die Prüfstandsläufe und Messfahrten absolviert.

Das andere Ende des Spektrums haben wir nicht ausprobiert. Stufe fünf funktionierte selbst im strömenden Regen so gut, dass dafür keine Notwendigkeit bestand. Das gilt für prinzipiell griffigen Asphalt. Falls aber glatt polierte Straßenbeläge und Nässe zusammenkommen, empfehlen auch wir die defensivste Stufe acht im Fahrmodus "Wet". Die Traktions- und Wheeliekontrolle nehmen im Bedarfsfall die Drosselklappenöffnung zurück, doch bei der Wheeliekontrolle fällt das stärker auf. Steht "Touring" im Display, lässt die DWC das Vorderrad zwar nicht direkt auf die Straße zurückplumpsen, unterbindet den Lupfer jedoch energisch. Eleganter geschieht dies im Modus "Sport", dabei muss der zeitweilig einradfahrende Ducatista aber die Nerven be- und das Gas offen halten.

Verschiedene Fahrmodi der Ducati Multistrada V2 S

Zur Erklärung für all jene, die gerade kurz vor der großen Modus-Verwirrung stehen, sei darauf hingewiesen, dass moderne Elektronik beträchtlich unterschiedliche Charakteristiken im selben Motorrad ermöglicht. Man testet letztlich nicht ein Motorrad, sondern eineinhalb bis eindreiviertel Motorräder. Das ist nicht einfach darzustellen. Im Fahrerhandbuch nehmen die Erklärungen der elektronischen Fahrhilfen 80 Seiten ein, 20 weitere sind allein dem Display vorbehalten. Diejenigen Funktionen, die sich durch Smartphone-Konnektivität eröffnen, sind darin nicht enthalten und werden auch hier nur aufgezählt: Navigation, Telefonie, Musikhören.

Die Systematik der hier behandelten Fahrmodi ist folgende: Es gibt fünf übergeordnete: Sport, Touring, Enduro, Urban und Wet. Wir haben bei der neuen Ducati Multistrada V2 S nur zwischen Sport und Touring gewechselt. Dreien der übergeordneten Fahrmodi lassen sich drei Dämpfungsmodi zuordnen; getestet haben wir nur die erwähnten "Comfort" und "Dynamic" in der Werkseinstellung, nicht den "Low Grip"-Modus. Der Dämpfungsmodus "Offroad" ist allein dem Fahrmodus "Enduro" vorbehalten. Ganz wichtig, selbst in der nicht ganz durchforschten Vielfalt, ist die Möglichkeit, jederzeit zu den Werkseinstellungen der Ducati Multistrada V2 S zurückzukehren.