BMW F 900 GS, Ducati DesertX, KTM 890 Adventure und Triumph Tiger 900 Rally Pro im Test

4 Mittelklasse-Reiseenduros im Vergleich-Test
F 900 GS, DesertX, 890 Adventure, Tiger 900 Rally

Zuletzt aktualisiert am 02.12.2024

Rallye-Optik, Halbstollen und 21-Zoll-Räder finden zwar bei Produktmanagern wie Kunden heuer großen Anklang. Wo Enduro draufsteht, soll schließlich kein weichgespültes SUV drin sein, das nur so tut als ob. Andererseits wird abseits romantischer Alltagsfluchtvorstellungen hierzulande nach wie vor ein Großteil der Kilometer auf Asphalt abgespult. Auch auf 21-zölligen Reiseenduros, allein aus Mangel an legal befahrbaren unbefestigten Wegen und Wäldern.

BMW F 900 GS: Leichtgewicht und sportlicher Fokus

Sportlichen Gelände-Ambitionen zum Trotz kommt es bei den Reiseenduros also nach wie vor auf klassische Kernkompetenzen an: praktischen Alltagsnutzen, unbeschwerten Fahrspaß bei jeder Gangart und langstreckentauglichen Komfort, gerne auch zu zweit. Grund genug, die neueste Reiseenduro der 900er-Kategorie – die BMWs F 900 GS – gegen die Konkurrenz von Ducati, KTM und Triumph im Vergleich zu testen.

Rein optisch sitzt er jedenfalls, der Neuaufschlag aus München, in Form der BMW F 900 GS. Wofür stand GS noch gleich? G wie Gelände ist spätestens beim Anblick der 24-Millimeter-Lenkererhöhung aus dem Enduro-Paket Pro (1.560 Euro) naheliegend, auch ohne optionale Stollenreifen (50 Euro). Wer es nicht besser weiß, könnte beim S guten Gewissens auf "Sport" statt auf das offizielle "Straße" tippen.

Wegen des serienmäßigen Akrapovic-Sportschalldämpfers zum Beispiel, des voll einstellbaren Showa/ZF-Sportfahrwerks (ebenfalls aus dem Enduro-Paket Pro) oder des Style-Pakets "GS Trophy" (465 Euro) mit Verkleidung in M-Farben, goldenen Drahtspeichenrädern und getöntem Windschild. Hondas Africa Twin scheint bei der Farbwahl für Inspiration gesorgt zu haben, nicht aber im Hinblick auf Statur und Gewicht. Gegenüber der Vorgängerin F 850 GS hat die zierlichere BMW F 900 GS ganze 13 Kilo abgespeckt, bringt jetzt vollgetankt nur noch 225 Kilogramm auf die Waage.

BMW F 900 GS Ergonomie

Einzig die KTM 890 Adventure ist nochmals 9 Kilogramm leichter, alle technischen Daten im Überblick gibt es ganz unten auf der Seite. Auch die Sitzprobe fällt sportlich aus. Die durchgehende Rallye-Sitzbank der BMW F 900 GS ist relativ schmal, straff gepolstert und im Gegensatz zur KTM nicht höhenverstellbar. Dank engem Schrittbogen und schmalem Kunststofftank bringen trotzdem auch Normalgewachsene sicher einen Fuß auf den Boden. Couch-Komfort sollten Fahrer und Sozius aber nicht erwarten, und in den Genuss einer Sitzheizung kommt man auch nicht gegen Aufpreis. Immerhin ist die Griffheizung Serie.

BMW F 900 GS Fahrwerk

Auch das Fahrwerk passt ins Gesamtbild: Trotz gutem Ansprechverhalten fällt das Standardsetting tendenziell straff aus, dank relativ breitem Einstellbereich lässt sich aber spürbarer Extrakomfort oder noch härtere Abstimmung herbeiklicken. Händisch, via Einstellrädchen versteht sich, denn die 5 im Dynamik-Paket (495 Euro) mitgelieferten Fahrmodi beeinflussen jeweils nur Gasannahme, ABS und Traktionskontrolle. Insgesamt fährt die BMW F 900 GS im Vergleich am neutralsten und handlichsten ums Eck, legt auch auf Unebenheiten unbeirrbare Stabilität an den Tag und stoppt bei Gefahrenbremsungen aus 100 km/h mit Sozius am schnellsten (45,9 Meter Bremsweg auf welligem Asphalt).

BMW F 900 GS verbraucht nur 4 l/100 km

Das gelingt nur mit fein regelndem ABS und ordentlicher Bremswirkung. Beides kann die BMW F 900 GS, mit schwammigem Druckpunkt und langem Leerweg wird die Vorderradbremse dem hochdynamischen Auftritt der BMW aber nicht gerecht. Mussten sich die F 900-Schwestermodelle XR und R in vergangenen Tests noch motorische Emotionslosigkeit vorwerfen lassen, präsentiert sich der 895-Kubik-Twin in der F 900 GS von seiner Schokoladenseite: drehfreudig, spontan und mit großem Unterhaltungswert bei durchweg hoher Laufkultur. Mit 4,0 Litern Verbrauch auf 100 Kilometern ist er dazu am effizientesten. So reicht der knappe 14,5-Liter-Spritvorrat in der Theorie immerhin für 363 Kilometer ohne Tankstopp. Der Rest des Quartetts schafft deren locker 400, die KTM gar 476 Kilometer, allerdings haben sämtliche Konkurrenten über 20 Liter Super dabei.

Sonstige Auffälligkeiten an der BMW F 900 GS: fluffiger Quickshifter, leichtgängige Kupplung, massig Schräglagenfreiheit und vertrauensstiftende Bridgestone A41-Pneus, welche die indifferente 21-Zoll-Front samt hohem Lenker im Winkelwerk schnell vergessen machen. Schlussendlich hat sich die fürs Gelände geschärfte BMW F 900 GS vom biederen Allrounder zur ersten Wahl für gehobenes Reisetempo gemausert, bleibt dabei aber gutmütig und spielerisch beherrschbar. Auf etwas Reise- und Alltagskomfort muss zugunsten des Athletiktrainings allerdings verzichtet werden.

KTM 890 Adventure für anspruchsvolle Touren

Wäre entspanntes Kilometerfressen nicht unbedingt die Paradedisziplin der KTM 890 Adventure, es würde kaum jemanden überraschen. Doch verbirgt sich hinter dem orangefarbenen Plastikkleid und den tief heruntergezogenen Tankblasen tatsächlich ein knallharter, kompromissloser Geländesportler? Immerhin wäre da für Hardcore-Reiseenduristen noch die schärfere "R"-Schwester im Angebot, was eine gemäßigte Auslegung der Basisvariante nicht abwegig macht.

Eine erste Tuchfühlung scheint die Skepsis an gnadenloser "Ready to Race"-Mentalität zumindest zu bestätigen, denn die Ergonomie der KTM 890 Adventure macht nicht unbedingt den Anschein eines ungestümen Dreckwühlers. Ab Werk haben die Mattighofener die höhenvariable, aber unbeheizte Sitzbank auf der unteren Position montiert. So sitzt man tief hinter dem gelochten Windschild und nah am vergleichsweise tiefen, entgegenkommenden Lenker. Die Stiefel ruhen deutlich weiter hinten und oben als auf Ducati, Triumph und BMW, mit für Großgewachsene tendenziell spitzem Kniewinkel. In diesem Setup erinnert die Haltung eher an die Kategorie Crossover als an eine echte Enduro – man sitzt unmittelbarer am statt weit weg vom halbstolligen Vorderrad, was auf anständige Landstraßenperformance und Rückmeldung hoffen lässt.

Kompromisse zwischen Komfort und Sportlichkeit

Steckt man die für Mattighofener Standards geräumige und ausreichend komfortable Sitzgelegenheit in die spürbar höhere Arretierung, wird die Haltung aufrechter und passt Langbeinern dann besser. Unsere Test-KTM 890 Adventure verzichtet auf die beheizte Ergo-Sitzbank für Fahrer (194 Euro), Beifahrer (155 Euro) sowie Heizgriffe und die benötigte Steuereinheit (zusammen 262 Euro). Gut für den gewerteten Anschaffungspreis, blöd für morgendlich-frostige Ausritte.

Sei’s drum, dann muss eben der 889 Kubik große Pulsbeschleuniger namens LC8c einheizen. Und das kann er, begleitet von metallischem Gebrabbel und noch einer Portion mehr Feuer als das GS-Aggregat. Reiseunterstützung leistet allerlei Elektronik, darunter die neunstufige Traktionskontrolle mit Motorschleppmoment-Regelung, Kurven-ABS mit Offroadmodus, ein stellenweise hakeliger Quickshifter+ und, Tech Pack (926 Euro) vorausgesetzt, vier individualisierbare Fahrmodi. Mit Gepäckbrücke und den riesigen, weit heruntergezogenen Tankblasen gibt sich die KTM 890 Adventure trotz schmaler 216 Kilo Kampfgewicht also nicht unbedingt spartanisch.

Zwar benötigen die Pirelli Scorpion Rally STR etwas mehr Einlenkimpuls als die straßenorientierten Bridgestone A41 auf BMW F 900 GS und Triumph Tiger 900 Rally Pro. Nach kurzer Eingewöhnung lässt sich aber auch die KTM 890 Adventure direkt und präzise um Serpentinen und durch Wechselkurven dirigieren. Verhagelte Linien lassen sich problemlos unter wohldosiertem Einsatz der Hinterradbremse korrigieren, die Schräglagenreserven sind wie bei BMW F 900 GS und Ducati DesertX enorm und das Gripniveau der Pirellis hoch. Sportlichen Ansprüchen wird die Adventure also auch auf Asphalt gerecht.

Reisetauglichkeit und Alltagstauglichkeit

Doch wie steht es um die Kategorien Reise und Alltag? Der Benzindurst liegt nur 0,2 Liter über dem der sparsamen BMW F 900 GS, und obwohl die in der Dämpfung einstellbare WP-Gabel nicht das feinste Ansprechverhalten bietet, sind wir von der Feinfühligkeit des direkt angelenkten Stoßdämpfers positiv überrascht. Er hält das Hinterrad auch bei gemeinen Querfugen zuverlässig am Boden und schützt den Hintern auch auf Langstrecke effektiv vor schmerzhafter Ermüdung.

Zudem erfreuen wir uns auf Autobahnetappen an hervorragendem Windschutz und unbeirrbarem Geradeauslauf. Einen sehr soliden Eindruck hinterlässt dazu die Bremsanlage: Knackig und kraftvoll packt sie zu, aber doch sensibel genug, um die Verzögerung exakt zu modulieren. Anlass zur Kritik gibt das defensiv abgestimmte ABS, wodurch die KTM 890 Adventure bei der Bremsmessung mit Sozius wertvolle Meter verschenkt. Zusammengefasst ist die KTM auch aus Sicht eines Straßenfahrers ein gar nicht so extremes, sondern überraschend harmonisch wirkendes Gesamtpaket. Was sich für die 890 Adventure mit Blick auf die Punktewertung durchaus bezahlt macht.

Ducati DesertX mit echter Geländetauglichkeit

Für die Ducati DesertX zahlt sich vor allem eines aus: Authentizität. Bologna schuf eine stolze Hommage an Cagivas Dakar-Ikone Elefant 900, die schon in den frühen 90ern von einem Ducati-Motor angetrieben wurde. Man entschied sich bewusst gegen ein verwässertes Lifestyle-SUV und stattdessen für ein wahres Geländemotorrad im Sinne des optischen Vorbildes.

Was im Grunde lobenswert ist und unseren Respekt verdient. Folglich aber kümmert sich die Ducati DesertX, abseits ihrer Wahlheimat Sahara, eher wenig um pragmatischen Nutzwert in hiesigen Gefilden. Die latente Zweckentfremdung beginnt schon beim Herzstück, dem ursprünglich als Sportmotor konzipierten 90-Grad-L-Twin, der auch in der Hypermotard, Monster, Multistrada und Supersport seinen Dienst verrichtet.

Niedertouriges Kurvensurfen liegt ihm nicht; um nutzbares Drehmoment zu generieren, sollten es schon mindestens 3.500 Touren sein. Ab da geht es dann kultiviert und willig vorwärts, allerdings nicht mit der schwungmassigen Souveränität der Mitbewerber (siehe Leistungskurve in der Bildergalerie). Um dranzubleiben, muss höher gedreht und häufiger geschaltet werden. Ein Umstand, der dank des präzisen, wenn auch leicht knochigen Schaltgefühls noch zu verschmerzen ist.

Offroad-Fokus und Straßenperformance

Auch 5,1 Liter Super auf 100 Kilometern sind mit Blick auf die sparsamere Konkurrenz nicht rühmlich, aber verkraftbar. Wer, anstatt auf den Quickshifter zu vertrauen, lieber zum Kupplungshebel greift, muss eine Idee mehr Handkraft aufbringen. Und auch das Einlenken, Richtungswechseln und Abklappen fordert auf der Ducati DesertX etwas mehr Konzentration und Einsatz.

Kein Wunder: Auch wenn es die raffinierte Formsprache nicht sofort verrät, mit 1.608 Millimetern Radstand ist die Ducati DesertX das längste Bike im Testfeld, wiegt mit 21 Litern Super an Bord immerhin 12 Kilogramm mehr als die KTM. Und obwohl die Gabel sensibel anspricht, fällt die Fahrwerksabstimmung nochmals spürbar straffer aus als bei den Sportsfreunden von BMW und KTM. Es scheint Muster zu haben: Die DesertX auf der Straße zu bewegen ist immer eine Idee rauer, mechanischer, fordernder und bietet in jedem Fall ein ganz besonderes Motorraderlebnis.

Am Ende kostet der klare Fokus auf Offroad-Qualitäten die Ducati in der Punktewertung einige Zähler, auch wenn sie die Kategorie Sicherheit mit überragender Bremsperformance und umfassenden Assistenzsystemen für sich entscheiden kann. Wer stets die Blicke auf sich lenken und irgendwann mal wie Edi Orioli durch die Dünen zünden will, kann sich die DesertX trotzdem ruhig mal anschauen.

Triumph Tiger 900 Rally Pro: tiefenentspannte Ergonomie

Denn der hat jüngst frische Ware in Form der aktualisierten Tiger 900 erhalten. Neben Updates an Cockpit und Optik ist die Neuauflage straffer abgestimmt und bekam mehr Power im oberen Drehzahlbereich spendiert. Noch so ein kompromissloser Schotter-Ballermann? Weit gefehlt: Die Triumph Tiger 900 Rally Pro bleibt ihren alten Tugenden treu, erinnert im direkten Vergleich fahrdynamisch eher an eine gemächliche Schmusekatze als an einen athletischen Räuber. Die Ergonomie: tiefenentspannt.

Das Fahrwerk: fliegender Teppich. Das Handling: nun ja … Mit 234 Kilogramm vollgetankt bringt die Triumph Tiger 900 Rally Pro am meisten Gewicht auf die Waage. Aber der kernige, da unregelmäßig zündende Dreiender liefert praktisch aus jeder Drehzahl heraus gut nutzbaren Schub, und mit steigendem Tempo wirkt das Handling immer zielgenauer und agiler – komplett gegensätzlich zum Fahrverhalten von DesertX und 890 Adventure, die beide bei flotter Gangart mehr Nachdruck verlangen.

Rally Pro-Serienausstattung – ein fairer Deal

Trotz gestrafftem Grundsetup taucht die Triumph Tiger 900 Rally Pro bei beherzten Bremsmanövern vorn ein und beginnt zu tänzeln. Abhilfe schaffen ein paar Klicks mehr Druckstufe an der voll einstellbaren Showa-Gabel, so lässt sich das volle Potenzial der knackigen Brembo-Stylemas auskosten. Beim Kilometerfressen entlastet die große, einstellbare Scheibe am effektivsten und sorgt für entspanntes Reiseklima – welches kurzzeitigem Schrecken wich, als auf der Autobahn urplötzlich der Motor ausging.

Ein Wackler im Zündungs- und Killschalter konnte später als Übeltäter identifiziert werden. Hoffentlich ein Einzelfall, denn Potenzial für Elektronikzicken wäre zur Genüge vorhanden: Griff- und Sitzheizung, Reifendrucküberwachung, Notbremswarnung, Nebelscheinwerfer, Schaltassistent, Fahrmodi, beleuchtete Lenkerschalter, mehrere USB und Steckdosen … Umfassende Elektronik gehört bei der Triumph Tiger 900 Rally Pro ohne Aufpreis zur Serienausstattung. Ein fairer Deal – schließlich wäre ohne den am Testfahrzeug montierten Kofferträger (409 Euro) nur die KTM günstiger.

Kosten-Nutzen-Rechnung

Damit kommen wir zur abschließenden Kosten-Nutzen-Rechnung. Mit über 16.000 Euro ist keine dieser 4 Reiseenduros aus der Portokasse bezahlt. Die Preisunterschiede zwischen den Testbikes sind dabei so gering, dass bei der Kostenbewertung alle dieselbe Punktzahl einfahren. Gleichzeitig zeigt die Gesamtwertung keine gravierenden Abstände zwischen den einzelnen Kandidaten. Kleinere Schwächen und individuelle Stärken halten sich größtenteils die Waage.

Überdies kann das, was auf der Straße als Manko angesehen wird, im Gelände möglicherweise von Vorteil sein. Lässt sich Fahrspaß auf der Landstraße also uneingeschränkt mit den steigenden Offroad-Qualitäten der Motorräder vereinen oder befindet sich die Kategorie auf Abwegen? Wie so oft lautet hier die lapidare Antwort: Geschmackssache. Für manche sind Komforteinbußen und suboptimale Straßenperformance inakzeptabel. Andere dürften an der Gewissheit, zu können, wenn sie denn wollten, durchaus ihren Gefallen finden. Wir sagen: Solange sich im Segment für jede und jeden der passende Reisebegleiter findet, ist doch alles paletti.

Technische Daten
BMW F 900 GS (2024)Ducati DesertX (2024)KTM 890 Adventure (2024)Triumph Tiger 900 Rally Pro (2024)
Motor2, Reihenmotor2, V-Motor2, Reihenmotor3, Reihenmotor
Leistung77,0 kW / 104,0 PS bei 8.500 U/min83,0 kW / 113,0 PS bei 9.250 U/min77,0 kW / 104,0 PS bei 8.000 U/min79,0 kW / 108,0 PS bei 9.500 U/min
Hubraum895 cm³937 cm³889 cm³888 cm³
Leergewicht vollgetankt215 kg
Sitzhöhe870 mm875 mm
Sitzhöhe von/bis840 mm / 860 mm860 mm / 880 mm
Grundpreis13.750 €17.090 €15.190 €16.395 €