Auf Achse: Kawasaki 250TR

Auf Achse: Kawasaki 250TR Neuer klassischer Einzylinder-Scrambler von Kawasaki

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Nach der erfolglosen Kawasaki Estrella 250 kommt die Scrambler-Version 250TR über graue Kanäle nach Deutschland. Genau zum rechten Zeitpunkt – findet MOTORRAD CLASSIC.

Neuer klassischer Einzylinder-Scrambler von Kawasaki fact
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Der Einzylinder-Scrambler von Kawasaki ist wie geschaffen zum flotten Kurvenflitzen, frei von jeglicher Hektik.

Erinnerst du dich? Damals in der Kiesgrube hat am Wochenende der Bär getanzt. Waghalsig bist du mit deiner alten Enduro über kniehohe Hügel gehopst, volle Lotte durch den Matsch gepflügt und hast am Abend mit den Kumpels und Mädels beim Lagerfeuer Bier und Joint kreisen lassen. Die Zeiten sind ewig her, aber die Erinnerungen so lebendig wie nie.

Deine XT 500 hast du lange verkauft, die Enduro-Klamotten sind vier Nummern zu klein, und die Kiesgrube hat ein künstliches Feuchtbiotop überwuchert. Das Schlimme daran: Es ist dir egal. Enduros vom Schlag einer XT 500 gibt’s nämlich sowieso nicht mehr, und die Kumpels und Mädels von damals fahren heute E-Klasse oder S-Bahn. Was dir bleibt? Die Kawasaki 250TR; ein Motorrad wie damals, als Ende der 70er-Jahre die Scrambler zu Enduros wurden. Im Gegensatz zu den Hardcore-Zweitaktern von Maico und KTM stemmten die ersten japanischen Viertakt-Enduros aus Japan auch Aufgaben im Alltag. Zuverlässig, ausdauernd und genügsam im Umgang mit Sprit und Öl waren sie; die kleinen Strolche zielten eher auf das gemäßigte Publikum, waren Endurowandern, leichtem Gelände und trialartigen Passagen zugewandt. Zum Zuge kamen all diejenigen, die nicht so sehr den Wettbewerb, sondern den Genuss abseits der Straße suchten.

Angespornt durch die Yamaha XT 500 stellten sämtliche japanischen Hersteller eine kleine Viertakt-Enduro ins Schaufenster. Honda pflanzte einen Vierventil-Motor ins Enduro-Chassis und steckte ein riesiges 23-Zoll-Rad zwischen die dürren Gabelholme. Unterm Strich keine schlechte Lösung, die auch für rasante Ausflüge in die Kiesgrube taugte.

Kawasaki improvisierte 1978 um den einfachen ohc-Zweiventiler der Z 200 ein Enduro-Chassis herum. Der plumpe Versuch namens KL 250, bei dem sich der Auspuffkrümmer unter dem Motor durchzog, scheiterte an einer miserablen Geländetauglichkeit und wurde bald durch die rassige KLX 250 ergänzt.

Suzuki kam verspätet aus dem Quark, holte dann aber die hubraumstarke SP 370 aus dem Sack. Mit 25 PS und einem attraktiven, schlanken Design machte die SP 370 auf und abseits der Straße eine blendende Figur.

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Ein echter moderner Klassiker: Die Kawasaki 250TR.

Yamaha ging mit der XT 250 optisch den eher konservativen Weg. Sie war der legendären XT 500 wie aus dem Gesicht geschnitten. Technisch jedoch trug die kleine XT mit Cantilever-Schwinge und Zentralfederbein sowie der Telegabel mit vorversetzter Radachse Merkmale der YZ-Crosser spazieren.

Um die gute alte Zeit aufleben zu lassen, machten sich bei Kawasaki die Ingenieure ans Werk und schmückten die Estrella 250 mit allerlei Offroad-Utensilien. Angefangen beim schicken 6,5-Liter-Tropfentank über die weißen Kunststoff-Schutzbleche bis zum mattschwarz getünchten Megaphon-Auspuff kommt die 250TR daher wie ein fein restauriertes Modell der 70er-Jahre. Dazu passen der verchromte, hohe Lenker mit Querstrebe, das auf einem Blechausleger thronende Rücklicht und die robusten Brems- und Schalthebel aus zähem Flacheisen. Die mit recht­eckigen Profilwürfeln zurechtgeschnitzten Dunlop-Trialreifen knüpfen stilvoll an die gute alte Zeit an. Das 19-Zoll-Vorderrad hingegen war wohl eher ein Zugeständnis an die Sitzhöhe und den vornehmlichen Gebrauch im Kurzstrecken- und Stadt­verkehr. Schließlich ist die 250TR in erster Linie für den japanischen Markt gedacht und über die offiziellen Kawasaki-Händler in Deutschland nicht zu haben. MOTORRAD CLASSIC borgte sich das gute Stück bei der in Braunschweig ansässigen Firma Popko (www.popko.de), die für 4800 Euro plus TÜV-Kosten den Import und die Zulassung übernimmt.

Wem die 19 PS genügen, kann sich auf ein Motorrad freuen, das sich ursprünglich fahren lässt, wie es aussieht – abgesehen vom Startvorgang. Der geht dank E-Starter und der elektronischen Benzineinspritzung ohne Kickstarter-Gymnastik und Choke-Gefummel vonstatten. Ein Druck aufs Knöpfchen, und der Einzylinder taktet sauber vor sich hin.

Der langhubig ausgelegte 250er-OHC-Motor (66 x 73 mm) kurbelt aus niederen Drehzahlen lochfrei hoch und schiebt gleichmäßig an. Die bescheidene Klangkulisse lässt aber echte Single-Freuden vermissen; in den akustischen Vordergrund rücken mechanische Motorgeräusche, ein ziemlich hölzernes Nageln und Klopfen im Kurbeltrieb. Wüsste man es nicht besser, könnte man glauben, ein Dieselmotor werkele vor sich hin. Das Motorgehäuse mit dem markanten drei­eckigen Lichtmaschinendeckel und der rundlichen Kupplungsglocke guckten sich die Japaner zweifellos bei den Engländern ab – die Triumph Tiger 100 lässt grüßen, auch wenn sie ihren Antrieb seitenverkehrt im Chassis trägt. Dafür haben sich die Japaner mit dem sauber modellierten Steuerkettenschacht beachtliche Mühe gegeben. In Verbindung mit dem nahezu senkrecht stehenden Zylinder hat man das Herzstück des Motors durch opulente Abmessungen ins rechte Licht gerückt; auf den ersten Blick eine Mischung aus Yamaha XT 500 und AJS Boy Racer.

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Die 250TR macht sich nicht nur im Stadtverkehr hervorragend.

Selbst die Sitzhaltung auf der japanischen Enduro ist sehr, sehr englisch, der Lenker recht hoch, aber in Verbindung mit der aufrechten Haltung höchst bequem und lässig zu greifen. Über Schalter und Armaturen muss man bei einem Japaner ja kein Wort verlieren, die waren bereits bei der ersten Honda CB 450 K0 von 1965 eine Klasse für sich.

Schmale Reifen, wenig Gewicht und ein schlanker Knieschluss sind die Grundlage für eine Handlichkeit, die tatsächlich an die Tugenden der alten Enduro- und Scrambler-Modelle erinnert. Allerdings geht die Leichtigkeit beim Kurvenflitzen nicht zu Lasten der Stabilität: Wackelten die Ur-Enduros ab 120 km/h mehr oder minder wie die Lämmerschwänze, zischt die kleine Kawasaki selbst mit Vollgas und angelegten Ohren wie hinzementiert über wellige Landstraßen und durch schnelle Kurven. "Schnell" heißt für die 250TR: 120 km/h, mehr geht nicht. Mehr muss aber auch nicht, weil Endurowandern noch nie Hektik erfordert hat, sondern schon immer den großzügigen Umgang mit Raum und Zeit beinhaltet.

Deshalb lassen wir keine noch so kleine Abzweigung aus, die in einer Schotter- oder Lehmpiste enden könnte. Wer sucht, wird finden. Wo sich Igel und Hase gute Nacht sagen, streifen wir kreuz und quer durchs Land und finden hier und jetzt, dass Motorräder wie diese Kawasaki sogar heute, vielleicht auch erst recht heute ihre Berechtigung haben.

Bei derben Schotterpassagen und tiefen Querrillen wird das Tempo den Federwegen angepasst, will heißen: auf Schrittgeschwindigkeit reduziert, weil der Federweg mindestens so knapp bemessen ist wie die Dämpfungsreserven. Man sieht, auch hier hat sich Kawasaki mit der Retro-Enduro 250TR streng an den dürftigen Offroad-Qualitäten der KL 250 von 1978 orientiert. Wenn schon Retro, dann richtig, mit allen schönen und weniger schönen Eigenarten. Die kleine Kawasaki 250TR macht Motorradfahren wieder zum Erlebnis, zur Herausforderung, zum Abenteuer. Weichgespülte Alleskönner hat die Welt schon mehr als genug.

Technische Daten

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Der Einzylinder mit klassisch-englischen Formen stellt seinen raffinierten Kettenschacht zur Schau.

 Technische Daten Kawasaki 250 TR
 Motor 
 Bauart

 Luftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine oben

 liegende Nockenwelle, über Steuerkette angetrieben,

 zwei Ventile, über Kipphebel betätigt

 Bohrung 66 mm
 Hub 
 73 mm
 Hubraum
 250 cm³
 Verdichtung  9,0 : 1
 Leistung   
 19 PS bei 7500/min
 Gemischaufbereitung

 Elektronische Benzin­einspritzung,

 Drosselklappendurchmesser 23 mm

  
 Elektrische Anlage 
 Starte  E-Starter
 Batterie 12 V, 8 Ah
 Zündung Kontaktlose Batteriezündung
 Lichtmaschine Drehstrom, 224 W
  
 Kraftübertragung
 
 Kupplung Mehrscheiben-Ölbad
 Getriebe Fünfgang, klauengeschaltet
 Sekundärantrieb Rollenkette
  
 Fahrwerk 
 Rahmenbauart Einrohrrahmen mit geteilten Unterzügen aus Stahlrohr
 Radführung vorn Telegabel, Ø 37 mm
 Radführung hinten zweiarmschwinge, zwei Federbeine
 Federweg vorn/hinten 120/95 mm
 Räder Drahtspeichenräder mit Stahlfelgen
 Reifen vorn 90/90-19
 Reifen hinten 110/90-18
 Bremse vorn Scheibenbremse, Ø 270 mm
 Bremse hinten Simplex-Trommelbremse, Ø 160 mm
  
 Maße und Gewichte 
 Radstand 1420 mm
 Lenkkopfwinkel 63 Grad
 Nachlauf 96 mm
 Gewicht 145 kg
 Tankinhalt 6,5 Liter
  
 Fahrleistungen 
 Höchstgeschwindigkeit 120 km/h
  
 Preis 4800 Euro plus TÜV
 Importeur Popko Motorradsport GmbH , Braunschweig
  

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