Suzuki GSX 8S Fahrtest: In neuem Blau

Suzuki GSX 8S Fahrtest
Das neue Blau von Suzuki

Zuletzt aktualisiert am 11.04.2023

Die Dramaturgie war perfekt. Für die vormittägliche Fahrt nach Castellane lief die neue Suzuki GSX 8S auf dem Motor-Modus B, dem mittleren von dreien. Und er gab keinen Anlass zur Klage, außerdem schlug Guide Guy Lebreton ein Tempo an, das wenig Gelegenheit ließ, mit der Elektronik zu spielen.

Reaktionsschnelles, geschmeidiges Lastwechselverhalten, kräftige Drehmomentzunahme beim Beschleunigen – den B-Modus hatte ich bereits als Dauereinrichtung abgespeichert, als ich nach dem Auftanken und der Mittagspause das große A im kontrastreichen TFT-Display (5 Zoll (12,7 cm)) bemerkte, aktiviert vom freundlichen Suzuki-Mechaniker. "Na gut", dachte ich, "dann probier‘ ich’s halt aus."

Wer B fährt, muss auch A fahren

Keine zehn Kilometer später hatte ich den A-Modus zur Dauereinrichtung hochgestuft, weil der Suzuki-Reihentwin mit diesem Kennfeld immer noch nicht zu hart ans Gas geht und noch einmal spürbar energischer Drehmoment aufbaut. Zugegeben, die Strecke war am Nachmittag nicht mehr ganz so eng geschlungen und kurvenreich wie zuvor, doch wer weiß, was er tut und wo es langgeht, kann den 776er-Twin im A-Modus in Bestform erleben.

Breitband-Twin

Man wird sonst nicht viel zu meckern finden. So willig wie der Motor in der unteren Mitte des nutzbaren Bereichs Drehmoment liefert, so rasch dreht er bis zum Begrenzer, der bei 9.500 /min einsetzt. Dabei pulsiert er stets angenehm; die beiden Ausgleichswellen, deren Achsen mit der Kurbelwellen-Achse ein rechtwinkliges Dreieck bilden, zahlen sich aus. Bei gemäßigter Fahrweise soll der Reihentwin mit 3,8 Liter Benzin auf 100 Kilometer auskommen, bei ganz und gar nicht gemäßigter Fahrweise in den französischen Seealpen waren es schon 6,4 Liter. Normverbrauch sind 4,2 Liter. Die Wahrheit wird verkehrsrechtkonform dazwischen liegen.

Quicke und Blipp in der Mittelklasse

Die GSX 8S ist serienmäßig mit einem Schaltassistenten ausgestattet, der das Herunterschalten ohne Kupplungseinsatz ermöglicht. Hinauf- wie Herunterschalten ohne den Griff zum Kupplungshebel funktioniert nicht immer geschmeidig, allerdings nicht härter als bei anderen Zweizylindern. Hochschalten klappt am besten bei hohen Drehzahlen mit einer kurzen, entschlossenen Fußbewegung. Heruntersteppen vor einer engen Kurve verlangt ebenfalls kurze, trockene Impulse sowie eine gewisse Toleranz gegenüber dem kurzen Rucken, mit dem ein jeder Gang einrastet. Wer altmodischer Weise beim Schalten die Kupplung einsetzt, erlebt weiche, präzise vollzogene Gangwechsel, egal in welchem Drehzahlbereich und egal ob hinauf oder herunter.

Old-School-Layout funktioniert

Bei den meisten modernen Motorrädern ist das, was wie ein Tank aussieht, größtenteils Airbox. Nicht so bei der GSX 8S und ihrer Plattform-Schwester V-Strom 800. Für einen Motor, der nicht nach höchstmöglicher Leistung strebt, so entschieden die Suzuki-Ingenieure, braucht es keine Fallstrom-Kanäle zu den Einlassventilen und mithin keine hoch liegende Airbox. Also platzierten sie diese hinter dem Motor und lassen die Einlassströmung durch leicht gekrümmte Kanäle laufen. Fast ein Vergaser-Layout.

Dadurch ermöglichen sie ein größeres Tankvolumen bei einem gleichzeitig schmalen hinteren Tankbereich. Das verschafft dem Fahrer viel Bewegungsfreiheit und verringert das Schrittbogenmaß, weil die Sitzbank am Anschluss zum Tank schmal geschnitten ist. Die viel zitierte "aktive Sitzposition" mit der ebenso oft gewünschten Orientierung zum Vorderrad findet man auf der GSX 8S wie selbstverständlich. Wie aus dem Kreis der mitfahrenden Kollegen zu vernehmen war, gilt das für Körpergrößen von knapp über 170 bis weit über 180 Zentimeter.

Tugendhafte Suzuki

Es war noch ziemlich frisch in der Frühe, doch sobald die Reifen handwarm durchgewärmt waren, überzeugte die GSX 8S mit einem neutralen Lenkverhalten. Sie zählt sicher nicht zu den Motorrädern, die am leichtesten einlenken, doch sie blieb über den gesamten nutzbaren Schräglagenbereich frei von spürbarer Aufstellneigung oder Kippeligkeit. Zackige Schräglagenwechsel sind mit ihr ein ebensolches Vergnügen wie lang gezogene, schnelle Kurven auf der legendären "Route Napoléon", die der militante Korse bei seiner Flucht aus dem ersten Exil auf der Insel Elba genommen haben soll.

Das Thema Schräglagenfreiheit war keines, doch das harrt, wie stets bei Präsentationen bei kühlen Wetterverhältnissen, noch der Nachprüfung bei sommerlichen Temperaturen. Vereinzelte ausgeprägte Bodenwellen meisterten die Federelemente mit ordentlichem Ansprechverhalten und einer Abstimmung, die einen guten Kompromiss zwischen straff und unterdämpft findet. Nur wer heftig den Bremshebel durchreißt, wird die Gabel rasch durch den Federweg stoßen. Klar, Reiseenduros mit noch längeren Federwegen würden auf holprigen Strecken mehr Komfort bieten, doch die sind eher selten in der Preisklasse um 9.000 Euro angesiedelt.

Elektronik nach Maß

Für die Steuerung des ABS und der Traktionskontrolle – unauffällig gut auf Stufe eins – verzichtet Suzuki auf eine schräglagensensible IMU (Intertia Measurement Unit). Das ABS ist eher defensiv abgestimmt; nach kraftvollem anfänglichen Zubeißen wird die Verzögerung auf ein Maß heruntergeregelt, das Stoppies in den meisten Situationen unterbindet, auch bergab. Einmal mehr zeigte absichtlich heftiges Reißen am Bremshebel bei gleichzeitigem nach-vorne-rutschen des Fahrers auf abschüssiger Straße, wo die Grenze liegt – in dieser Kombination ungünstiger Umstände lupfte die GSX 8S kurz das Heck. Es wurde zuverlässig wieder auf den Boden zurückgeholt.