Vergleichstest Naked Bikes BMW R 1150 R Moto Guzzi V11 Sport Voxan Scrambler

Vergleichstest Naked Bikes BMW R 1150 R Moto Guzzi V11 Sport Voxan Scrambler Wir sind so drei

Geboren aus Tradition und Selbtbewusstsein, rollen drei sehr individuelle Euro-Bikes zum Vergleich: ein Allrounder, ein Sportler und ein Spaßvogel.

Wir sind so drei Jahn

Der Schritt vom Überlebens- zum Freiheitskampf vollzog sich fließend und beinahe konspirativ. Doch mittlerweile staunt die Welt über eine ganze Palette ebenso frecher wie technisch anspruchsvoller Motorräder made in Europe, und Nippons Fabrikanten, vor wenigen Jahren noch huldvoll lächelnde Herrscher aller Verkaufsstatistiken, staunen mit: Herzensbrecher aus Bologna, Mattighofen oder München gehen weg wie warme Semmeln.

Vor allem diesseits von Supersport tummeln sich immer mehr europäische Bikes, denen eine milde Dosis Mut das gewisse Etwas verleiht. Drei unverhüllte Big Twins von BMW, Moto Guzzi und Voxan mögen das belegen: Der französische Neuling präsentiert den ersten 1000er-Scrambler dieser Welt, Italiens Traditionsschmiede poliert alte Werte und Formen auf, und Bayerns Motorenwerk schickt ein provozierend verpacktes Multitalent los. Die Nennleistungen liegen mit 81 bis 91 PS auf vergleichbarem Niveau, die Preise um 20000 Mark leider ebenfalls.

Das Rendezvous auf der MOTORRAD-Teststrecke beginnt mit einem Stück Autobahn. Allerdings muss die Vollgasetappe schon nach wenigen Kilometern unterbrochen werden, weil ihr Lenkungsdämpfer, acht Klicks geschlossen, die Guzzi zum Pendeln verführt. Ganz geöffnet, fährt die V11 bis 190 km/h so ungerührt geradeaus, wie es einer Le Mans-Erbin geziemt, darüber pendelt sie leicht. Dennoch stärker als die Voxan, die trotz ultrabreiten Lenkers erstaunlich stabil die 200er-Marke kratzt. Dann hat der hoch aufgerichtete und im Orkan hängende Pilot sowieso die Nase voll, lässt die beinahe bolzgerade pfeilende BMW und die V11 ziehen.

Zur nächsten Disziplin – Landstraßenverbrauch – trifft sich das Trio wieder, erklimmt in gemäßigtem Tempo die Schwäbische Alb. Das mag die Voxan. Da kann sie mit der erstaunlichen Laufkultur ihres Vierventil-V-Motors protzen, dessen Leistungsabgabe weich zu dosieren ist, der schön aus dem Keller antritt, der nie die Lust verliert und dabei kaum vibriert. In bestimmten Drehzahlregionen schüttelt sich sogar Bayerns Meisterboxer mehr, dennoch zählt auch der 1150er zu den Kultivierten. Und zu den Starken: Oberhalb von 3000 Umdrehungen schnalzt er los wie gestochen, da reicht schon Halbgas, um die Scrambler abzuhängen und die Sport zu blamieren. Deren spürbar, aber nicht unangenehm vibrierender Zweiventiler braucht immer seine Zeit, bis er das Kraftloch zwischen 3500 und 4500/min durchmessen hat. Wie gehabt also, eine Guzzi will gedreht werden, damit sie im oberen Drittel ihres Leistungsbands so richtig abschmettern kann. Aber das kommt später dran, den Verbrauchstrab absolviert sie mit weich einsetzender und gut kontrollierbarer Leistung, protestiert aber hinten rum und schluckt satte 6,2 Liter. Zu viel, und die BMW liegt mit 5,7 Litern gerade noch im tolerablen Bereich – MOTORRAD hatte schon sparsamere Exemplare.

Dafür verdient das Konstantfahrruckeln genau dieser 1150 R seinen Namen kaum, ganz leise nur zuckt es bei gleichbleibenden, niederen Drehzahlen. Noch etwas weniger bei den ebenfalls von elektronisch gesteuerten Einspritzanlagen versorgten V-Motoren. Leider nutzt allein BMW das moderne Motormanagement, um gleich einen geregelten Kat einzubauen, Guzzi und Voxan müssen ohne jede Abgasreinigung auskommen.

Mit vollen Tanks geht’s ins Kurvenrevier, immer tiefer. Schnelle, ebene Rundungen. Lange Bögen mit Wellen. Serpentinen aus Flickenasphalt. Dann wieder bestens gepflegte Wechselpassagen. Die BMW ist zu Hause. Ihr kann keine. Wie verwachsen scheint ihr modernes Fahrwerk mit dem jeweiligen Untergrund, brav lenkt sie ein, hält stoisch Kurs, reagiert auf Unebenheiten nur mit leiser Aufstellneigung. Per Handrad ist ihre Federbasis erhöht worden, das macht sie handlicher. Per Schraubendreher wurden vorn wie hinten die Zugstufen um anderthalb Umdrehungen geschlossen, so wippt sie nicht nach. Ein fast idealer Kompromiss aus Komfort und Straffheit.

Den kriegt auch die V 11 Sport mit ihrem vielfach einstellbaren Fahrwerk hin. Fordert dennoch mehr, winkt dafür mit Belohnung: Wer Gänge und Gas richtig sortiert, der darf erleben, wie sie unter Zug sauber durch Biegungen zischt, wer vorausschauend seine Linie wählt, der überlistet Motorkippmoment und Kardanreaktionen, dem ist das moderate Aufstellen beim Schräglagenbremsen fremd, weil er schon vorm Einbiegen das Tempo drosselt. Der kann’s, und das zählt immer noch zu den schönsten Glücksmomenten, die Motorräder vermitteln. Könner lassen sich auch nicht durch kurzes Zucken im Zentralrohrrahmen irritieren, wenn die V 11 in schnellen Kurven harte Unebenheiten kreuzt.

Auf der Voxan kann jede(r). Muss man auch erst mal hinkriegen, denn dieses Motorrad ist ja alles andere als langweilig. Fährt aber brav, so brav. Mit weich ansprechender Gabel, die dem ganz sportiven Piloten zwar zu wenig Dämpfung und Federprogression bietet, den Rest der Welt aber unter Wahrung ihrer Führungsaufgaben locker über jede Delle trägt. Mit einem akzeptablen, liegend eingebauten Federbein hinten, das bei leicht geschlossener Zugstufendämpfung selbst auf geteerten Fleckenteppichen guten Kraftschluss garantiert. In der Handlichkeit übertrifft sie BMW und vor allem Moto Guzzi bei weitem, ihr Brückenrahmen aus den gewaltigen und charakteristisch unterm Tank hervorlugenden Stahlrohren bürgt in schnellen Passagen stets für sicheres Fahrgefühl. Da kommt nie Scheu auf, den quirligen 72-Grad-Twin zu fordern.

Etwas Gewöhnung verlangt der weich in Gummi gelagerte Lenker, der zwar Vibrationen erfolgreich auffängt, sich jedoch spürbar bewegt und so beim Landstraßenräubern zunächst die Spurensuche erschwert. Echte Räuber würden sich zudem knackigere Bremsen wünschen. Die Doppelkolbensättel von Nissin nehmen die vorderen beiden Scheiben allzu weich in die Zange. Da fehlt der exakte Druckpunkt, wenngleich die Leistung selbst im Zweipersonenbetrieb noch gut ausreicht. Schon im Stand macht Bremsen mit der Guzzi mehr Spaß: Eine leckere Armatur mit rundem Ausgleichsbehälter und schönem Geberzylinder lädt zum Zupacken ein. Die Vierkolbenzangen beißen sehr direkt, verlangen aber starke Handkräfte, wenn sie noch weiter zulegen sollen. Was den BMW-Fahrer von heute leise erheitert: Hat der sich erst mal an sein servogestütztes und mit ABS-gesichertes Stoppsystem gewöhnt, erledigt er alles mit einem, maximal zwei Fingern. Selbst wenn er, was wenige R 1150 R-Kunden tun, auf ABS verzichtete, bekäme er mit der normalen Evo-Bremse noch immer die besten Verzögerer in diesem Feld.

Die beste Transportgelegenheit gibt’s ebenfalls aus München. Beinahe serienmäßig. Auf jeden Fall lässt sich das entsprechend eingestellte Fahrwerk von einem Passagier am wenigsten beeindrucken und der Zusteiger sitzt mit Abstand am bequemsten. Richtig festhalten kann er sich aber nur, wenn sein Fahrer das Gepäcksystem geordert hat. An dessen Trägern stecken nämlich die großen und gut geformten Griffe. Die wiederum hat jede Scrambler seit Geburt, der Abstand Bank-Rasten passt prima, der straffe, kurze Sitz verlockt dagegen eher zu Ausflugs- denn zu Urlaubstouren. Und der Guzzisti? Wird wahrscheinlich solo bleiben, weil es hinter seinem wohlkonturierten Einzelsitz nur noch zum Notgestühl langte, weil obendrein die wunderschönen und mächtig tönenden Auspufftöpfe die Beifahrerrasten zu weit nach oben trieben und schließlich jeder vernünftige Haltegriff fehlt.

Wer sich zum einsamen Reiter berufen fühlt, sollte möglichst kleiner als 1,75 Meter sein. Langbeiner kriegen nämlich die Knie nicht in die Tankausbuchtungen, ihnen zwickt’s nach längerer Tour in den Kniekehlen, weil die Beine stark abgewinkelt werden müssen. Das werden empfindliche Naturen auch an der BMW bemängeln, die ihre erstaunliche Schräglagenfreiheit ebenfalls mit hohen Rasten, also engem Beugewinkel erkauft. Und auf der Voxan steigt der straff gepolsterte Fahrersitz etwas zu steil nach hinten an. Findet jeder Steiß blöd.

Aber wer rumheulen will, soll sich eine fahrbare Polstergarnitur kaufen. Okay? Also geht’s zur Kickback-Strecke. Da hilft sowieso keine Sitzbank dieser Welt. Flott, sehr flott über Flicken und Dellen, rasant und mit leichtem Vorderrad aus den Kurven raus. Beim Bremsen schlägt die Voxan-Gabel kurz mal durch. Sonst keine größeren Klagen über die Federelemente. Sind ja keine Supersportler. Der Guzzi zuckt die Lenkung, also – da ist er wieder – den Dämpfer wieder zugedreht. Acht Klicks, logo, und jetzt zieht sie ordentlich ihre Bahn. Besser noch als die Voxan, die kurvenausgangs, beim schnellen Gasaufreißen, ihre hinterradlastige Gewichtsverteilung nicht verhehlen kann. Am ruhigsten bleibt, und das wundert mittlerweile niemanden mehr, die BMW. Fast schon wie ein Schienenfahrzeug.

Noch schnell zur Messstrecke. Pylonen umkreisen und die gewonnenen Erkenntnisse absichern. Am meisten Schräglagenfreiheit bieten BMW und Voxan, aber weil bei der R irgendwann und dann hart die Zylinder aufsetzen, kriegt die Französin ein Pünktlein mehr. Bei der Guzzi hatte schon auf der Landstraße der weit vorn montierte Seitenständer gekratzt, jetzt schraddelt er unüberhörbar den Asphalt.

Weiter zur Autobahn, noch’n Verbrauch fahren. Den 100er. Zeit für Betrachtungen: Der gemeinsame Nenner der drei Probanden heißt Spaß. Jede Menge und reichlich unbeschwerten. Deswegen kriegen sie allesamt eine MOTORRAD-Empfehlung für ihren weiteren Lebensweg. Solche Krafträder aus echtem Schrot und Korn braucht die Welt. Bei denen easy going nichts Weichgespültes anhaftet und Sporteln den Maschinisten fordert und Allrounden ohne Strebertum auskommt.

Morgen ist noch ein Testtag. Zum Glück: Einmal noch dem grimmigen Ansauggeräusch der Guzzi lauschen. Die BMW aus dem Drehzahlkeller locken. Mit der Voxan durch enge Kurven scramblen. Auf hohem Niveau erleben, dass viele Wege zur Freiheit auf zwei Rädern führen.

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3. Platz - Moto Guzi V11 Sport

Wer sagt denn, dass Sportler eine Schale brauchen? Die Charakteristik des Motors, die Sitzhaltung, alles legt auf der Guzzi flotte Gangart nahe, und deshalb trägt die V11 ihren Beinamen zu recht. Ihr Ansaugschnorcheln, der Schlag ihrer Schwungmasse beim Hochschalten, die Details – lauter zeitlos schöne Freuden, und dank der Qualitätskontrolle durch Aprilia hoffentlich lang währende.

2. Platz - Voxan Scrambler

Die Idee ist über dreißig Jahre alt, und wer sich noch an Scrambler von Ducati oder Honda erinnern kann, der wird bedauern, dass die Motorradwelt so lange auf einen Nachfolger warten musste. Die Voxan übernimmt das Erbe ganz nonchalant: super Handling, sehr leichte Handhabung, Mut zu anderen Linien. Und sie ergänzt das Konzept mit einem kräftigen, fröhlich stimmenden Motor.

1. Platz - BMW R 1150 R

Mal angenommen, ein VW Polo wäre vernünftig. Dann gäbe es keine vernünftigen Motorräder. Dann wäre die R 1150 R ein Lustobjekt, das so viele Zweiradfreuden bündelt wie möglich. Das klingt fast schon wieder vernünftig und mag ein Grund dafür sein, dass diese BMW sich prima verkauft. Die anderen: ABS als Option, tolles Zubehörprogramm und – in Serie - G-Kat sowie Freude am Fahren.

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