E-Scooter Yorks s1-elite - Testfahrt mit seriennahem Prototyp

E-Scooter Yorks s1-elite im Fahrbericht
Testfahrt mit seriennahem Prototyp

Zuletzt aktualisiert am 24.05.2019

„Wie bitte? Zwischen 1.500 und 1.800 Euro, so viel soll der kosten?“ Da bleibt mir erst einmal die Spucke weg, als Dominik Neyer, Marketingverantwortlicher beim Start-Up Yorks, mir die Frage nach dem Preis beantwortet. Tatsächlich brauche ich aber nur wenige Minuten mit dem Prototyp, um mich davon zu überzeugen, dass der Preis für den Yorks s1-elite absolut gerechtfertigt ist.

Fahrstabilität

Das Konzept ist smart, die Konstruktion robust, das Material hochwertig und auch in Sachen Fahrverhalten hat er das Potenzial, Benchmarks zu setzen. Beispiel Fahrstabilität: Nichts klappert und rüttelt, dynamisch zirkle ich um parkende Hindernisse, lege mich spürbar schräg in Kurven, bewege und versetze meine Füße auf dem Trittbrett, ohne dass Unruhe in die kleine Fuhre kommt. Die Bodenfreiheit ist bordsteintauglich – das Trittbrett aber dennoch nicht zu hoch, denn das würde wiederum ein nervöses, kippeliges Handling fördern. Das Trittbrett ist schön breit und rutschfest, die Lenkerstange von 85 bis 102 Zentimeter variabel einstellbar, die 10-Zoll-Luftbereifung sorgt für Komfort und auch bei Unebenheiten für sicheres Rollen.

Bremsen

Bei den Bremsen setzt Yorks auf Scheibenbremsen – und zwar vorne wie hinten. Trotzdem ist am Lenker nur ein Bremshebel für die Vorderbremse angebracht, die hintere Bremse wird per Pedal am Trittbrett bedient. An die Wirkung der Vorderbremse muss man sich herantasten, denn die agiert bissig. Wer kein routinierter Motorrad- oder Fahrradfahrer ist und regelmäßig mit modernen Scheibenbremsen verzögert, findet sich nach einer heftigeren Bremsung womöglich neben dem E-Scooter stehend wieder, statt auf dem Trittbrett.

Yorks s1-elite Prototyp
Svenja Faust

Also, bewusst die Hinterradbremse miteinbeziehen. Und warum wird die per Pedal am Trittbrett bedient? Das hat einen Konstruktionsvorteil, weil der Bremszug nicht vom Lenker bis ganz nach hinten verlegt werden muss. Je weniger Kabel im Rohr, desto besser. „Denn Kabelbruch am Klappmechanismus ist der häufigste Reklamationsgrund bei den meisten E-Scootern“, weiß Dominik Neyer. Und den möchten die Sindelfinger verhindern, indem sie die Problematik nicht nur bei der hochwertigen Materialauswahl berücksichtigen, sondern auch bei der Bauweise.

Rekuperation bei E-Scootern ist Marketing-Gag

Viele derzeit erhältlichen E-Scooter bremsen vorne elektrisch und werben so gleichzeitig mit einer Rekuperationsfunktion, sagt Dominik Neyer: „Rekuperation ist bei E-Scootern unserer Meinung nach ein Marketinggag. Das nutzen manche Hersteller eben als elektrische Vorderradbremse. Wir setzen aus Sicherheitsgründen auf Scheibenbremsen vorne wie hinten.“ Ist der Akku nämlich leer, dann funktioniert die elektrische Bremse nicht mehr. Dann wird je nach Modell hinten per Scheibenbremse verzögert oder gar mit der Schutzblechbremse, die aus Sicherheitsgründen nicht zu empfehlen ist.

Sicherheit auf E-Bike-Niveau

Spätestens jetzt ist mir klar, auf welchem Niveau der Prototyp des E-Tretrollers Yorks s1-elite unterwegs ist und Dominik Neyer kommt nochmal auf den Preis zu sprechen: „Beim Thema Sicherheit und Materialeinsatz sind wir auf E-Bike-Niveau. Und bei einem E-Bike schaut keiner komisch, wenn es um Preise um die 1.800 Euro geht.“ Stimmt. Er erklärt sich das damit, dass viele Menschen mit der neuen Fahrzeugkategorie der E-Scooter oft die preisgünstigen Tretroller oder Kickboards verbinden, mit denen Jugendliche und Erwachsene in den 90ern unterwegs waren. Je mehr E-Scooter nun aber auf den Markt drängen, desto schneller werden die Verbraucher und Fahrer sie als eigene Fahrzeugklasse anerkennen.

Ansprechverhalten, Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit

Apropos schnell: Beim Ansprechverhalten sind die Entwickler beim Yorks-E-Scooter noch am Optimieren, denn zwischen Gasimpuls am Daumengas bis zur tatsächlichen Beschleunigung liegt derzeit noch eine kleine, aber spürbare Pause. „Das Ansprechverhalten ist reine Abstimmungssache, das bekommen wir in den Griff“, so Projektleiter Tom Köhler. Turboloch sozusagen. Denn danach geht es mit 30 Newtonmeter wirklich turbomäßig ab. Der 500-Watt-Motor reißt ordentlich an. Da ist es gut, dass man sich nicht nur am soliden Lenker festhalten kann, sondern auf dem großen Trittbrett auch noch Platz für einen stabilen Ausfallschritt hat.

Gefühlt beschleunigt der E-Scooter dann gleichermaßen kräftig wie linear auf seine Höchstgeschwindigkeit, wobei Yorks hier die 20 km/h-Grenze inklusive der zehn Prozent Toleranz voll ausschöpft. Es erscheint glaubwürdig, dass der E-Tretroller auch einen 100-Kilo-Mann mit 22 km/h eine ernstzunehmende Steigung hochrollt.

Reichweite, Ladezeit, integriertes Ladegerät

Fahrstil und Gewicht machen sich dann an anderer Stelle bemerkbar, nämlich bei der Reichweite. Die gibt Yorks mit 25 bis 35 Kilometer an, wobei sie die 25 Kilometer als sicheres Minimum kommunizieren: „Drunter sind wir bei unseren Tests noch nie gekommen – egal, welches Gewicht, welcher Fahrstil, welche Außentemperatur.“

Yorks s1-elite Prototyp
Svenja Faust

Für die Ladezeit des Premium-E-Scooters geben die Entwickler 2,5 Stunden an, wobei das Schnellladegerät inklusive Ladekabel im Fahrzeug selbst integriert ist. So kann immer und überall Strom gezapft werden, ohne dass der Fahrer sein Ladegerät beispielsweise im Rucksack mit zur Arbeit nehmen muss. Voraussetzung: Der Arbeitgeber ist damit einverstanden.

E-Scooter lässt sich ziehen und steht senkrecht

Anders als beim Fahrrad oder E-Bike ist das Einsatzgebiet eines E-Scooters meist keine Alternative zum öffentlichen Nahverkehr, sondern eine Ergänzung: Klappmechanismus, Gewicht, Tragemöglichkeit und Packmaß stehen hierbei im Vordergrund.

Yorks s1-elite Prototyp
Svenja Faust

Klappmechanismus: Der Yorks s1-elite lässt sich spielend leicht inklusive Lenkerenden zusammen- und auch wieder aufklappen (sie Video). Zusammengeklappt ist er 93 cm lang, 18,5 cm breit und 40 cm hoch. Was ihn absolut S-Bahn-tauglich macht: Er steht auch senkrecht.

Yorks s1-elite Prototyp
Svenja Faust

Gewicht: Der Prototyp wiegt derzeit 17 Kilo, „15 Kilo haben wir uns für die Serienfahrzeuge als Ziel gesetzt und das werden wir auf jeden Fall auch schaffen“, da sind sich Tom Köhler und Dominik Neyer einig. Da trotzdem nicht jeder 15 Kilo über den Bahnsteig tragen möchte oder kann, haben sie sich für den Yorks ein schönes Detail einfallen lassen: Der Hebel am Vorderrad lässt sich im zusammengeklappten Zustand umlegen und fungiert dann wie ein Haltegriff bei einem Rollkoffer (siehe Video). Und wenn wir schon beim Gewicht sind: Belastbar ist der E-Scooter mit bis zu 120 Kilo.

Übertrifft gesetzliche Vorgaben

Da der Yorks s1-elite erst im Frühjahr 2020 auf den Markt rollt, wird er die gesetzlichen Vorgaben mindestens erfüllen, in vielen Bereichen aber wahrscheinlich auch übertreffen. Besonders was den Bremsweg und das Fahrverhalten angeht, da ist sich die Autorin sicher, wird dieser E-Scooter ganz oben mitfahren können. Beispiel Bremsen ohne Motor: Die Elektrokleinstfahrzeuge Verordnung schreibt vor, dass bei Ausfall des Motors noch mindestens ein Bremssystem funktionieren und für mindestens 44 Prozent der vorgeschrieben Bremswirkung (3,5 m/s²) sorgen muss. Da beim Yorks vorne und hinten mechanisch über die Scheibenbremsen verzögert wird, steht die Bremswirkung immer zu 100 Prozent zur Verfügung. Die Beleuchtungseinrichtung ist wie in der Verordnung beschrieben StVO-konform.

Und apropos Fahren ohne Motor: Die Räder rollen leicht, es ist keinerlei Widerstand zu spüren. Außerdem lässt die Trittbretthöhe zwar ausreichend Bodenfreiheit zu, ist aber gleichzeitig nicht zu hoch, so dass mechanisches Antreten nicht zu Oberschenkelbrennen führt. Die Kunst ist hierbei, die rechte Mitte zu treffen. Da hilft natürlich auch, dass das Trittbrett an sich eine möglichst niedrige Bauhöhe hat – freilich ohne Abstriche bei der Standfestigkeit zu machen.

Verfügbarkeit, Preis, Versionen

Für diverse künftig denkbare Sharing-Systeme wird es vom Yorks s1-elite auch eine Version ohne Klappmechanismus geben. Auf den Markt kommen soll eine 250- und eine 500-Watt-Version

Start-Up Yorks – made in Germany

Die GmbH Yorks wurde 2018 gegründet. Allerdings begannen die Entwickler schon vor 2,5 Jahren sämtliche erhältliche E-Scooter zu bestellen, testen und aufzuschrauben, um herauszufinden, was ihr Produkt können muss, um ihre hohen Ansprüche zu erfüllen.

Hinter dem Start-Up steckt zum einen die Firma Fele (Sitz in Sindelfingen), ein mittelständischer Ingenieursdienstleister dessen Hauptkunde BMW Motorrad ist. Hierbei geht es schwerpunktmäßig um die Bordnetzentwicklung. Zum anderen ist es die Firma Rettinger (im Pfitztal), die Kunststoffteile fertigt – schwerpunktmäßig für den Automobilbereich, aber auch im Bereich der Medizintechnik. Die Idee von Yorks war, die Kompetenzen von Fele und Rettinger in einem Produkt zu vereinen. „Entwickeln können wir sehr gut, Kunststoffteile fertigen auch – jetzt wird’s Zeit, dass wir ein eigenes Fahrzeug bauen und auf den Markt bringen.“, so ein Sprecher des Start-Ups.

Das Serienmodell des E-Scooters wird dann im Pfinztal bei Karlsruhe produziert. Hierfür wurden und werden extra Werkzeuge entwickelt und angefertigt. Auch die Akkus und das Batteriemanagementsystem kommen aus dem „Ländle“, nämlich aus Schorndorf bei Stuttgart.