Honda patentiert Reihenzweizylinder-Motor mit Kompressor
Africa Twin mit Kompressor und Direkteinspritzung

Erneut tauchten Patentanmeldungen von Honda auf, in denen eine Africa Twin mit Kompressor beschrieben wird. Und sogar mit Direkteinspritzung.

Honda Patent Kompressor Motor 1100 Africa Twin
Foto: Honda
In diesem Artikel:
  • Kompressor und Direkteinspritzung für die Africa Twin
  • Gleicher Reihenzweizylinder bei NT 1100, CMX 1100 Rebel und Hawk 11
  • Doppelschrauben-Kompressor über dem Getriebe
  • Saugrohreinspritzung und Direkteinspritzung
  • Konstante Druckverhältnisse für viel Drehmoment
  • Mehr Leistung bei gleichem Hubraum
  • Fazit

Aufgeladene Motoren sind im Automobilbau längst weit verbreitet. Stichwort Downsizing. Weniger Hubraum, weniger Reibungsverluste, weniger Verbrauch – aber nicht weniger Leistung. Im Motorradbereich hatten Turbo-Triebwerke in den 1980ern einen kurzen Hype, verschwanden dann aber wieder in der Versenkung. An Studien oder Kleinserienmodellen waren zwischenzeitlich immer wieder Konzepte mit Aufladung an Motorrädern zu sehen, doch in die Großserie haben es nur die Kawasaki H2-Modelle mit Kompressor geschafft. Bisher. Denn offenbar entwickelt Honda einen Reihenzweizylinder-Motor mit Kompressor auf Basis der CRF 1100 L Africa Twin.

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Kompressor und Direkteinspritzung für die Africa Twin

Im Frühjahr 2023 tauchten erneut Details aus den Patentanmeldungen von Honda auf. Am Beispiel der aktuellen CRF 1100 L Africa Twin wird darin die Adaption eines Kompressors an den 1100er-Reihenzweizylinder-Motor beschrieben. In Anbetracht der zahlreichen Details scheint diese Entwicklung, die angeblich 2019 begann, inzwischen weit fortgeschritten zu sein.

Gleicher Reihenzweizylinder bei NT 1100, CMX 1100 Rebel und Hawk 11

Grundsätzlich wäre die am Beispiel der Africa Twin beschriebene Kompressor-Adaption übertragbar auf die anderen Honda-Modelle, die vom gleichen 1100er-Reihenzweizylinder-Motor angetrieben werden. Also auf den Tourer NT 1100, den Cruiser CMX 1100 Rebel und die bisher ausschließlich in Japan erhältliche, neoklassisch-sportliche Hawk 11. Modelle mit V-Twins, die zu einem früheren Kompressor-Patent von Honda passen würden, werden inzwischen nicht mehr produziert.

Doppelschrauben-Kompressor über dem Getriebe

Im Honda-Patent wird der 1100er-Twin in Kombination mit einem Doppelschrauben-Kompressor skizziert. Der erzeugt nach dem Verdrängungsprinzip mit zwei gegeneinander laufenden Schraubwellen Druck, während das Volumen zwischen ihnen und dem Gehäuse abnimmt. Die Kompressoreinheit sitzt hinter den Zylindern auf dem Getriebe und wird von dort aus mechanisch angetrieben. Die Ansaugluft strömt über ein Rohrsystem vom Lenkkopfbereich zum Verdichter. Im senkrecht aufsteigenden Druckrohr zum Ansaugbereich ist ein Bypass-Ventil integriert, um bei Bedarf überschüssigen Ladedruck abzulassen. Zwei abgezweigte Saugrohre führen dann hinab zu den beiden Zylindern.

Saugrohreinspritzung und Direkteinspritzung

Einspritzdüsen sind jeweils an den Saugrohren platziert, alternativ oder zusätzlich am Zylinderkopf direkt an den Einlassventilen – als sogenannte Direkteinspritzung. Damit hält Honda sich beide technische Optionen offen, für optimale Abstimmung hinsichtlich Ansprechverhalten und Kraftstoffverbrauch.

Konstante Druckverhältnisse für viel Drehmoment

Da der Schraubenkompressor direkt drehzahlabhängig vom Motor läuft und bei jeder Umdrehung die gleiche Menge an Luft fördert, ist er eher dazu geeignet, gleichmäßig viel Drehmoment anzuhäufen, als absolute Spitzenleistung zu erzeugen. Durch den Direktantrieb entsteht auch kein verzögerter Ladedruckaufbau – ein "Turboloch" kennt der Kompressor nicht. Allerdings geht der Direktantrieb, im Gegensatz zum Abgasturbolader, auf Kosten der Motorleistung, Reibungsverluste inklusive.

Mehr Leistung bei gleichem Hubraum

Typisch für Honda wäre eine "vernünftige" Nutzung und Abstimmung des Kompressors. Also hauptsächlich für Drehmoment und Durchzug statt für extreme Leistung mit entsprechendem Spritverbrauch. Mit Kompressor-Aufladung könnte auf weitere Hubraumvergrößerungen dieses Reihenzweizylinder-Motors verzichtet werden. Mit 1.084 Kubik beträgt die Nennleistung der Africa Twin, Jahrgang 2023, 102 PS (75 kW) bei 7.500/min, das maximale Drehmoment 105 Nm bei 6.250/min. Mit Kompressor könnten diese Werte – bei gleichbleibendem Hubraum – deutlich gesteigert werden, auf das Niveau der starken 1200er- und 1250er-Konkurrenz.

Die technische Entwicklung läuft jedenfalls und ist sehr detailliert, doch ob Honda tatsächlich einen Kompressor-Motor in Serie bringt, wie Kawasaki, bleibt abzuwarten.

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Fazit

Offenbar entwickelt Honda einen Kompressor-Motor auf Basis des 1100er-Reihenzweizylinder-Motors, der bei der Africa Twin sowie bei anderen Modellen mit diesem Antrieb zum Einsatz kommen könnte. Sogar eine Direkteinspritzung wird in der Patentanmeldung als Option beschrieben. Seit 2019 kursieren die Kompressor-Patente von Honda, im Frühjahr 2023 tauchten neue Details auf. Ob Honda es tatsächlich wagt, den Kompressor in Serie zu bringen – wie Kawasaki – ist jedoch ungewiss und bleibt abzuwarten.

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Erscheinungsdatum 26.05.2023