Kaufberatung Kreidler Florett RS

Kaufberatung Kreidler Florett RS
Worauf beim Kauf zu achten ist

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Zuletzt aktualisiert am 22.05.2014

Erfahrung kann nicht schaden, wenn man sich heute für ein Kleinkraftrad aus den 1970er-Jahren interessiert. Wer mit einem realistischen und selbstkritischen Blick in den Rückspiegel an die Sache herangeht, weiß aus der eigenen Jugend am besten, welches Schicksal die heißen 50er zumeist erlitten haben, und zwar über alle Marken hinweg.

Unerschrockene Einsteiger, wechselnde Besitzer, tunende Frickler und ein oft Jahre oder gar Jahrzehnte währender Dornröschenschlaf setzten den meisten Kleinkrafträdern ganz schön zu. Weshalb die bei Liebhabern und Nostalgikern wieder hoch im Kurs stehenden Kleinen mitunter große Probleme bereiten können. Davor sind natürlich selbst die 50er von Kreidler nicht gefeit, die früher im Ruf ­besonderer Robustheit standen.

Bei einer Kreidler lässt sich fast alles reparieren

Für Uli Steeb jedoch kein Grund, den Jugend-Träumen heute zu entsagen. „Bei einer Kreidler lässt sich fast alles reparieren, außerdem sind viele Teile noch erhältlich, entweder aus Originalbeständen oder als Nachfertigung“, weiß der Kreidler-Experte, der mit seinem großen Erfahrungsschatz schon unzählige Flitzer aus Kornwestheim wieder flottgemacht hat. Auf den folgenden Seiten zeigt er uns die typischen Defekte und Schwachstellen dieser Kleinkrafträder, auf die Interessenten bei der Besichtigung achten sollten.

Motor

Zu besonderer Vorsicht rät der 56-Jährige bei den oft als Scheunenfund deklarierten Langzeit-Stehern: „Bei solchen Exemplaren findet man oft Rost an Motor­komponenten wie Lagern, Getriebewellen oder dem Kurbeltrieb. Die Ursache ist Kondenswasser, das sich im Lauf der Jahre gebildet hat.“ Wer jetzt versucht, den ­Motor irgendwie zum Laufen zu bringen, riskiert unnötige Folgeschäden. Uli Steeb empfiehlt, den kompletten Motor einem Fachmann zu überlassen: „Wer lange Freude an seiner Kreidler ­haben will, sollte zum Kaufpreis noch etwa 400 bis 500 Euro für eine Grund­überholung des Motors einkalkulieren.“

Dabei wird dieser komplett zerlegt, gestrahlt oder gereinigt und mit neuen Lagern sowie Dichtringen versehen. Erneuert werden auch die Kupplungsscheiben und der Pleuelsatz. Dazu muss die Kurbelwelle mit Hilfe einer Presse in ihre Einzelteile zerlegt und anschließend mit einem Pleuelsatz samt Rollenlager aus dem Zubehör wieder verpresst werden. Tipp des Experten: „Wenn es irgendwie geht, sollte eine beschädigte Kurbelwelle gerichtet werden. Das ist auf jeden Fall besser als der Einbau einer Nachbau-Welle, denn deren Kurbelwangen sind zu weich.“ Wer die Kurbelwelle selbst ausbaut, muss für die Überholung beim Spezialisten mit ­Kosten von rund 70 bis 90 Euro rechnen, inklusive dem Zubehör-Pleuelsatz.

Wie es um Zylinder und Kolben steht, können dagegen auch weniger versierte Schrauber nach der einfachen Demontage  von Zylinder und Kopf selbst feststellen. Spuren eines Kolbenfressers oder gar tiefe Riefen zwingen zu weiteren Investitionen in Höhe von rund 250 Euro. Dafür ver­größert ein Fachbetrieb die Bohrung auf  42,14 Millimeter. Anschließend erhält der aufgebohrte Zylinder in Italien wieder eine verschleißfeste Nikasil-Beschichtung, bevor er mit dem passenden Kolben dem Kunden ausgehändigt wird. Bei Ausbrüchen am Motorgehäuse zückt Steeb das Schweißgerät, um die schadhaften Stellen im WIG-Verfahren zu reparieren. Ein sinnvoller Weg, denn Gehäuseteile sind nicht mehr lieferbar!

Primärtrieb und Kupplung

Bei Laufleistungen über 20.000 Kilometer ist sehr häufig die Schrägverzahnung des Primärantriebszahnrads am Kupplungskorb verschlissen. Dadurch bildet sich auf der Rückseite des Kupplungskorbs ein scharfer Grat. In diesem Fall hilft nur der Austausch des kompletten Kupplungskorbs. Probleme bereiten zudem alte, aufgequollene Reiblamellen oder ungenau gefertigte Nachbauteile aus dem Zubehör, die sich als schwergängige und schleifende Kupplung bemerkbar machen. Abhilfe hier wie dort: „Die Reibscheiben so nacharbeiten, dass sie im Kupplungskorb leicht beweglich sind.“ Wenn die Kupplung dagegen nicht sauber trennt, kann sich der Kupplungs-Druckstift in den Ausrückhebel eingearbeitet haben. Ein Austausch ist nicht unbedingt nötig, der Materialabtrag lässt sich durch Aufschweißen günstig reparieren.

Getriebe

An Getriebe-Malaisen berichtet Uli Steeb vor allem von Ausbrüchen an den Zahnrädern. Ursache dafür sind neben Verschleiß durch hohe Laufleistungen auch viel zu lange Ölwechselintervalle. Karies an den Getrieberädern können aber auch Bruchstücke kaputter Kupplungslamellen verursachen, wenn sie ins Getriebe geraten. Auf deren Konto gehen ebenso verbogene Schaltgabeln und Schiebemuffen auf den Getriebewellen, die überdies unter rabiatem Schalten ohne Kupplung leiden. In allen Fällen kommt man um ein Tauschgetriebe nicht herum. Gute gebrauchte kos-ten rund 150 Euro, die ebenfalls noch erhältlichen Neuteile jedoch ein Vielfaches davon. Nichts kostet dagegen Uli Steebs Tipp, der für eine sichere Führung der Schaltbetätigung auf der Kickstarterwelle sorgt: „Ich verpasse der Kickstarterwelle auf der Drehbank einen zweiten Stich, in dem ein weiterer O-Ring fixiert wird. ­Dieser dichtet nicht nur die Schaltwelle zusätzlich ab, sondern verhindert außerdem das Kippeln der Schaltbetätigung.“

Rahmen

Ähnlich pragmatisch geht der Kreidler-Experte gegen Rost im Blechschalenrahmen vor: „Sprühwachs oder spezielles Fett in den Rahmen, das stoppt die weitere Korrosion und bindet die Rostpartikel. Diese werden sonst angesaugt und können trotz Luftfilter entweder in Vergaser oder sogar Zylinder gelangen – mit den entsprechenden Folgen.“ Weiterhin darauf achten, dass die Verstärkungen des Lenkanschlags vorhanden und nicht krumm sind, sonst gibt es Beulen im Tank.

Federelemente

Wenig Schwierigkeiten bereitet die Wartung der Gabel. Sofern diese nicht durch Stürze verzogen ist, lässt sich die simpel aufgebaute Forke für einigermaßen versierte Schrauber problemlos zerlegen und überholen. Dabei unbedingt den meist ­defekten Dichtring unterhalb der Feder austauschen. Dieser angeschrägte Gummiring zeichnet für die Dämpfung verantwortlich. Beim Einbau darauf achten, dass  seine größeren Fläche nach unten weist! Stoßdämpfer kaputt? Dafür bietet der Handel kostengünstigen Ersatz.

Bremsen

Typisch bei Kreidler-Modellen mit Scheibenbremse sind zugesetzte Rücklaufbohrungen und verschlissene Bremskolben am Handbremszylinder. Kein Drama für Könner, die Reparatur ist mit dem Säubern der Ablaufbohrung und dem Einbau eines neuen Bremskolbens rasch erledigt. „Wer so etwas noch nie gemacht hat, sollte Reparaturen an der Bremse dem Fachmann überlassen, es kostet nicht die Welt“, rät Steeb. Dabei wird natürlich auch der Einkolben-Schwimmsattel überholt. Ein Job für den Profi sind ebenso unrunde Trommelbremsen – ein häufiges Malheur. Dann müssen die Trommeln ausgedreht werden. Vorsicht bei einem zerbröselten PVC-Ring an der Bremszentrierung, weil dadurch die zu leichtgängige Bremse während der Fahrt zugehen kann. „Die Niete ausbohren und durch eine Schraube mit neuer PVC-Scheibe und Stoppmutter ersetzen“, so der Rat unseres Experten.

Der abschließend noch einmal an alle Kreidler-Fans appelliert: „Es lohnt sich, etwas Geld für die gründliche Überholung in die Hand zu nehmen. Danach laufen die 50er noch viele Jahre ohne Probleme!“ Uli Steeb muss es wissen. Wenn einer Erfahrung mit Kreidler hat, dann er.

Checkpunkte

Bilski

1. Bei der Sitzbank mit Spoiler sowohl Reling als auch Grundplatte auf Brüche kontrollieren.

2. Die Kunststoffbuchsen der Schwingenlager verschleißen rasch und die Achse läuft ein

3. Beim Getriebe gibt es Zahnrad-Karies sowie verbogene Schaltklauen und -muffen

4. Wenn der Pressstahlrahmen innen verrostet ist, gelangen Rostpartikel in den Ansaugtrakt

5. Überholungsbedürftig sind beim Motor oft Kurbeltrieb und Zylinder mit Kolben

6. Pendelnde Zeiger sind bei den Instrumenten ganz normal, abgefallene jedoch nicht

7. Gabel eventuell durch Sturz verzogen? Ansonsten steht Tausch von Öl und O-Ring an

8. Rubbelnde Trommeln und klemmende Zangen sind oft Probleme der Vorderradbremse

Bilski

"Was den Marktwert angeht, hat die Kreidler Florett RS 50 den ewigen Dreikampf mit Hercules K 50 und Zündapp KS 50 klar gewonnen. Für schöne Exemplare im Zustand zwei müssen etwa 2500 Euro angelegt werden, toprestaurierte Modelle bringen bis zu 3500 Euro, mitunter sogar mehr. Zum Vergleich: Sowohl die Hercules wie auch die Zündapp kosten im gleichen Zustand jeweils etwa 500 Euro weniger. Bei mäßigen, aber fahrbereiten Fahrzeugen sind die Preisabstände natur­gemäß geringer. Hier gibt es die Florett für etwa 1000 Euro, die Konkurrenten sind jeweils schon für 600 Euro zu haben.

Interessant dabei: Das Alter hat auf den Wert praktisch keinen Einfluss, das Preisniveau der Jahrgänge 1967 bis 1982 ist annähernd gleich, die in den wilden Siebzigern so prestigeträchtigen Leistungsunterschiede – zunächst 5,3 PS, später dann 6,8 PS – werden von der heutigen Käuferschaft eher mit Schmunzeln genommen. Eine Kreidler Florett RS wird nicht von Gaskranken gekauft, sondern von Leuten, die sich diesen Traum in den späten 60ern bis in die frühen 80er nicht erfüllen konnten – oder durften!"

Experte Uli Steeb

Bilski

Ran an Kreidler. Rauf auf Kreidler. Und Du bleibst bei Kreidler. Dieser frühere Werbespruch der Kornwestheimer könnte auch als Lebensmotto von Uli Steeb herhalten. Der heute 56-Jährige aus Haberschlacht hat die für Jugendliche im ländlichen Raum typische Zweirad-Karriere hinter sich: Mofa, Mokick, Kleinkraftrad – natürlich alle von Kreidler. Auch nach der Ausbildung zum Feinmechaniker und großen Kalibern in der Garage hielt er den Kreidler-Flitzern die Treue, sammelte, restaurierte, tunte. Bis sämtliche Lagermöglichkeiten des heimischen Bauernhofs aus den Nähten platzten. Das blieb natürlich nicht unbemerkt. Und so trafen sich immer mehr Kreidler-Liebhaber – Jung wie Alt – in der Steeb‘schen Werkstatt, aus denen sich letztlich die „Kreidlerfreunde Haberschlacht“ formierten, eine lockere Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Passion. Der eine dreht, der andere schweißt – daraus ist ein Netzwerk von Spezialisten entstanden. Mit Uli Steeb im Kompetenz-Zentrum und sogar einem kleinen Kreidler-Museum. Kontakt: usteeb@gmx.de