Wofür Ducati die Hypermotard 698 Mono schuf? Selbstverständlich für die aktive, sportliche, hin und wieder auch rebellische Art des Motorradfahrens. Logisch also, dass der erste Fahrtermin (Hier gehts zum Fahrbericht) nicht auf deutschen Landstraßen, sondern auf einer spanischen Kartstrecke stattfand und die Aufmerksamkeit damit automatisch auf den Volllastbetrieb gerichtet wurde. Doch so klar die Mission und die Ausrichtung der Hypermotard auch sein mögen, im harten Motorradalltag geht es um mehr. Um Alltagstauglichkeit zum Beispiel oder auch Fahrkomfort. Aspekte, die im Lastenheft der Ducati-Entwickler auf den ersten Blick wohl nicht sehr weit oben standen. Doch im MOTORRAD-Top-Test spielen sie neben den klassischen Fahrdynamik-Disziplinen eine gleichberechtigte Rolle. Wie steht es also um die Allroundqualitäten von der neuen Ducati Hypermotard 698 Mono? Nach diesem Top-Test werden wir es wissen.
Optionaler Quickshifter für 267 Euro
Die Ducati Hypermotard 698 Mono kommt ohne aufwendiges Dekor in Rot, der optionale Quickshifter kostet 267 Euro. Dass die Startnummern nicht überlackiert sind, ist man von Ducati nicht gewohnt, doch das ist kein Drama, weil vermutlich die meisten Hypers von ihren Besitzerinnen und Besitzern mit individuellen Dekoren beklebt werden. Die zusätzlichen 733 Euro, die für die dynamischere RVE-Lackierung fällig wären, sparen sich Supermoto-Individualisten gerne und investieren sie in ein eigenes Design.
Doch Design bringt im Top-Test keine Punkte, also zur Sache. Rau mahlend dreht der Anlasser den "Superquadro Mono" durch, bis dieser nach ein paar Sekunden erwacht und sich mit erhöhter, leicht schwankender Drehzahl auf Betriebstemperatur bringt. Der Kaltstart gehört zur Pflicht eines jeden Motorrads und für die Ducati Hypermotard 698 Mono eher nicht zur Kür. Angenehm lässt sich aber die knackige Kupplung beim ersten Anrollen dosieren. Los geht’s. Leicht konstantfahrruckelnd tritt die Ducati Hypermotard 698 Mono den Weg zur Teststrecke an.
Auf der Bologna-SuMo sitzt man in 900 Millimetern Höhe aktiv aufrecht mit dem nicht zu hohen Lenker in den Händen nah am Vorderrad. Der Kniewinkel bleibt Supermoto-typisch offen, die Rasten trotzdem hoch genug für sehr tiefe Schräglagen. Intuitiv möchte man ohne Umschweife die Drosselklappe weit öffnen, um dem selbstbewusst stampfenden Desmo-Einzylinder das zu geben, wonach er verlangt: Last und Drehzahl. Denn seit dem ersten Meter will er kräftig beschleunigen oder im Schiebebetrieb kernig brabbeln.
Ducati Hypermotard 698 Mono hängt sehr direkt am Gas
Konstant cruisen aber lieber nicht. Doch genau das muss er bei der Verbrauchsmessung. Gut 120 moderat gefahrene Kilometer stehen an, auf denen vorrangig die untere Hälfte des breiten nutzbaren Drehzahlbands genutzt wird. Die Vibrationen des mit zwei Ausgleichswellen bestückten Desmo-Einzylinders sind hier zwar präsent, aber keinesfalls störend, der Klang charakterstark, aber nicht unangenehm oder gar aufdringlich laut. Die Ducati Hypermotard 698 Mono hängt sehr direkt am Gas, baut ihre Power linear und berechenbar auf, ist nicht zu garstig. Die Gangwechsel gelingen mit und ohne Kupplung geschmeidig, bei niedrigen Drehzahlen wird die Zugkraftunterbrechung durch den Quickshifter aber wie bei Einzylindermotoren üblich recht lang. Ganz normal – wie auch der ermittelte Verbrauch von 4,4 Litern auf 100 Kilometern.
Lässt man den Motor mit voll geöffneten Drosselklappen frei hochdrehen und schaltet erst dann wenn der gut sichtbare Schaltblitz es empfiehlt, ist es eine wahre Freude, die Gänge durchzusteppen. So auch bei der folgenden Messung der Fahrleistungen (siehe Seite 42). Beim Beschleunigen aus dem Stand stürmt die Ducati Hypermotard 698 Mono wild die Drehzahleiter hinauf und macht Männchen. Bei knapp 8.000/min atmet der Single kurz spürbar durch, bevor er dann die 75-PS-Schallmauer überschreitet und bis über 10.000/min dreht. Die Anschlüsse im kurz übersetzten Getriebe passen gut, und die Ducati Hypermotard 698 Mono drückt nach dem Schaltvorgang weiter an.
In der Realität des sportlichen Landstraßenfahrens bedeutet diese Charakteristik aber, dass man vor der Kurve den richtigen Gang einlegen muss, um sportlich wieder herausbeschleunigen zu können. Das zeigt sich auch beim Erklimmen des Bergpasses, der für den Handling-Check enge und weite Bögen mit unterschiedlichen Asphaltbedingungen bereithält. Wo sich Kehrtwendungen aneinanderreihen, fühlt sich die Ducati Hypermotard 698 Mono besonders wohl. Mit lockerem Hüftschwung lässt sie sich easy im Slalom von links nach rechts und wieder zurück werfen. Dabei schaukelt sie sich nicht auf, sondern liegt auf den sportlichen Pirelli Rosso IV-Reifen angenehm stabil.
In weiteren Radien fällt das trotz langer Federwege sehr gute Vorderradgefühl positiv auf. Über die Front saugt sich die Ducati Hypermotard 698 Mono in die Kurve, auch bei angelegter Bremse fast ohne Aufstellmoment – toll. Allerdings taucht die Gabel beim harten Bremsen tief ab, was Druck auf die Handgelenke bringt und auf Dauer anstrengt. Schließen der Dämpfungsventile verlangsamt die Nickbewegung, verhindert sie aber nicht. Kommen beim Beschleunigen in Schräglage Bodenwellen hinzu, entwickelt die Duc minimale Bewegungen um die Lenkachse, die durch Klemmen des Bikes mit den Schenkeln leicht unterbunden werden können.
Supermoto überraschend komfortabel auf der Test-Buckelpiste
Apropos Bodenwellen: Auf der Test-Buckelpiste zeigen sich die Federelemente der Ducati Hypermotard 698 Mono überraschend komfortabel. Besonders die Gabel spricht top an und entschärft harte Schläge zuverlässig, ohne je an die Grenze ihres Federwegs zu gelangen. Auch das Federbein macht einen ausgesprochen guten Job, ist nur minimal weniger sensibel. Die Hypermotard malträtiert Handgelenke und Bandscheiben nicht mit überstraffem Setting. Für den Zwei-Personen-Betrieb sollte die Vorspannung hinten per Hakenschlüssel (nicht im Bordwerkzeug enthalten, weil kein Bordwerkzeug) erhöht werden, um das Einsinken des Hecks auszugleichen. In zweiter Reihe sitzt man übrigens mit entspanntem Kniewinkel überraschend bequem, Halt findet man aber nur am Fahrer vor sich. Die Ducati Hypermotard 698 Mono bevorzugt solo, kann aber auch im Duett.
Sehr direkt ist das Gefühl am Bremshebel. Die Brembo-Anlage, bestehend aus Radialpumpe, M4-Sattel und 330er-Scheibe, packt heftig zu. Wer beim Ankern grobmotorisch agiert, findet sich – sofern nicht ABS-Modus vier eingelegt ist – schnell auf dem Vorderrad. Die Dosierung der brutalen Bremspower gelingt aber nach kurzer Eingewöhnung sehr gut. Noch besser wäre sie, wenn der Einstellbereich des Hebels etwas näher am Lenker läge. Aber noch mal zurück zum ABS. Es bietet erstmals bei Ducati vier Modi. Stufe vier bedeutet, dass das System beide Räder am Boden hält, in den übrigen drei Modi stellt sich die Ducati Hypermotard 698 Mono beim Verzögern fröhlich aufs Vorderrad (siehe Bremsmessung S. 43). Drei soll leichte Bremsdrifts zulassen, zwei sogar Slides bis in tiefe Schräglagen. In der Praxis bricht ab mittlerer Verzögerung beim Betätigen des Fußbremshebels das Heck leicht aus, dann greift das System aber bei beiden Modi zeitig ein. Eine gute Abstufung für Drift-Einsteiger, reproduzierbare und präzise Slides sind jedoch nur in Modus eins (deaktiviertes Hinterrad-ABS) möglich.
4-stufig einstellbare Traktions- und Wheeliekontrolle
Die weitere elektronische Ausstattung der Ducati Hypermotard 698 Mono umfasst eine vierstufig einstellbare Traktions- mit separater, ebenfalls vierstufiger Wheeliekontrolle, eine dreifach justable Motorbremse, die ebenfalls dreistufige Launch-Kontrolle sowie drei Power-Modi, die das Verhältnis von Drehwinkel des Gasgriffs zur Drosselklappenöffnung variieren (der niedrigste drosselt die Spitzenleistung auf 58,5 PS). Alle Assistenten verrichten ihren Job sehr gut. Für Supermoto-Treiber angenehm: Die Trennung von Abhebeerkennung und Traktionskontrolle funktioniert so gut, dass auf Wunsch auch bei hohen Wheelies trotz aktivierter TC nicht eingegriffen wird.
Die Justage der einzelnen Assistenten kann in allen vier Fahrmodi (Sport, Road, Urban, Rain) angepasst werden. Im kleinen 3,8-Zoll-LC-Display gelingt das schnell und einfach, denn die Navigation über die Schalter auf der linken Lenkerseite ist intuitiv. Kleines Manko: Wer beim Deaktivieren des Blinkers den Blinkerschalter mehr als einmal betätigt, nullt den angezeigten Tageskilometerzähler unabsichtlich. Unpraktisch, besonders weil es keine Tankanzeige gibt. Beim Tanken selbst sollte man aufpassen, dass kein Benzin auf die erwähnten roten Plastikparts gelangt. Diese ermatten dann nämlich sofort. Die sonst sehr gute Verarbeitung wird dadurch leicht getrübt. Dass der Tankdeckel ohne Klappmechanismus während des Tankens beiseitegelegt oder festgehalten werden muss, ist bei Sportgeräten wie der Ducati Hypermotard 698 Mono normal. Dass zum Demontieren der Sitzbank zwei Schrauben gelöst werden müssen, aber nicht. Angesichts der unter dem Sitz befindlichen USB-Ladedose wäre eine praktischere Lösung wünschenswert.
Hypermotard 698 Mono mit Konstantfahrruckeln im Stadtverkehr
Doch all das ist vergessen, wenn man mit der Ducati Hypermotard 698 Mono wie im Rausch durch die Kurven tanzt, auf Zwischengeraden den Desmo-Einzylinder frei drehen lässt und vor dem nächsten Einlenkpunkt mit wimmerndem Hinterreifen verzögert. Man wird süchtig, kann nicht aufhören, bis die Sonne hinter dem Horizont verschwindet und der Rückweg zwangsweise zur Nachtfahrt wird. Das schicke und helle LED-Licht leuchtet die Fahrbahn jetzt sehr ordentlich aus. Der relativ breite Lichtkegel gibt keinen Anlass für Kritik.
Und die muss man sowieso im Zusammenhang mit der zu Beginn dargestellten Ausrichtung der Ducati Hypermotard 698 Mono als konsequentes Sportgerät verstehen. Sie ist für jeden Schabernack zu haben, fordert aber im Alltag Kompromissbereitschaft. Eigenwilliges Kaltstartverhalten und Konstantfahrruckeln im Stadtverkehr muss man ertragen und das dauerhafte Betteln um Vollgas hier ignorieren. Dafür gibt dieses Bike in freier Wildbahn ein pures, aufregendes Fahrerlebnis mit höchstem Unterhaltungswert und ist in so mancher Hinsicht sogar unkompliziert. Lange 15.000er-Inspektionsintervalle stehen zum Beispiel auf der Habenseite und haben auch ihren Anteil am letztendlich starken Top-Test-Ergebnis der Ducati Hypermotard 698 Mono. Für die kommenden Vergleichstests räumen wir ihr realistische Chancen auf den Klassensieg ein.