Wer in den letzten zehn Jahren eine sportliche Supermoto für die öffentliche Straße suchte, der hatte die Qual der Wahl: Nehme ich sie in Orange mit KTM-Emblem (SMC R), in Weiß mit Husqvarna-Schriftzug (701 Supermoto) – oder, seit 2022, doch lieber in Rot mit der Kennzeichnung GasGas SM 700? Die Supermotos aus dem Pierer-Konzern regier(t)en die Klasse, waren gar konkurrenzlos. Und in der Zulassungsstatistik zusammengerechnet regelmäßig auf Platz zwei der beliebtesten Motorräder Deutschlands. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis andere Hersteller ein Stück von diesem Kuchen abhaben wollten.
Ducati-Single mit höherem Drehzahlniveau
2024 war es endlich so weit. Ducati stellt die Hypermotard 698 Mono vor und baut allein mit dem Datenblatt Druck auf. 77,5 PS bescheinigen die Italiener nämlich ihrer jüngsten Schöpfung und übertreffen den Austria-Single (75 PS) damit um 2,5 Vollblüter – zumindest mal auf dem Papier. Logisch, dass man sich in Bologna im Sinne des Wettbewerbs nicht mit identischer oder gar weniger Power, als sie der Kontrahent erreicht, zufriedengibt.
Die Mehrleistung resultiert maßgeblich aus dem höheren Drehzahlniveau des Ducati-Singles: Je öfter sich die (Arbeits-)Takte eines Verbrenners pro Zeiteinheit wiederholen, desto bäm! Bei einem Hubraummanko von 34 Kubik oder rund fünf Prozent (659 zu 693 Kubik) blieb den Entwicklern letztlich nur dieser Weg – allerdings mit Begleiterscheinungen. Ob die Ducati auf diese Weise der Regentschaft der KTM 690 SMC R ein Ende setzen kann? Das direkte Landstraßenduell der beiden SuMo-Renner wird es zeigen.
Auffallendes Konstantruckeln der Hypermotard
Irgendwo im sonnigen Süden fernab der Zivilisation donnert die KTM 690 SMC R einen eng gewundenen Pass hinauf. Dicht gefolgt von der Ducati Hypermotard 698 Mono. Ihr Donnern erklingt einen halben Ton höher, denn um nicht abreißen zu lassen, benötigt die auf maximalen Output getrimmte, untenherum etwas lustlose und kurz übersetzte Hyper hohe Drehzahlen. Im bevorzugten Supermoto-Jagdgebiet mit engen Radien und darob niedrigen Gängen feuert die Hypermotard im richtigen Gang giftig aus den Ecken. Doch um der KTM Paroli bieten zu können, ist ab dem ersten Meter Konzentration gefragt. Zumal die Ducati nur leicht verzögert auf Gasbefehle reagiert und in Rollphasen mitunter nachschiebt.
Dazu fällt sie mit Konstantfahrruckeln auf, startet morgens bei sehr kühlen Temperaturen nur unwillig und braucht dann eine Weile, bis sie richtig rundläuft. Eigenarten, die bereits im Top-Test der Hypermotard 698 Mono (Ausgabe 7/2024) auffielen, die wir von Ducati so aber eigentlich nicht kennen. Doch sie werden greifbar, wenn Supermoto-artgerecht das Vorderrad den Boden verlässt und das unruhige Auf und Ab des Vorderbaus mit häufigen Gaskorrekturen beim Einradtanz die Diagnose bestätigt: Mapping noch steigerungsfähig. Ohne Fehl und Tadel dagegen: der (aufpreispflichtige) Schaltautomat. Kupplungsfreie Gangwechsel flutschen hoch wie runter mit nur leichtem Zug respektive Druck am Hebel. Serienmäßig sind die restlichen, größtenteils vielfach justierbaren Fahrassistenzen. ABS, Traktions- und Wheeliekontrolle, Motorbremsmoment, Fahrmodi, Anbremsdrift-Funktion – hier fehlt es an nichts.
Weniger Ausstattung als bei Ducati Kontrahent
In diesem Kapitel muss die KTM 690 SMC R zurückstecken. ABS bietet sie nur mit der Option, den Blockierverhinderer fürs Hinterrad zu deaktivieren, TC lediglich mit On-off-Funktion, zwei in der Praxis kaum voneinander unterscheidbare Fahrmodi, das war’s. Auch das (Mini-)Cockpit mit seinen spärlichen Infos und den nicht identifizierbaren Hieroglyphen als Drehzahlmesser ist nicht mehr up to date. Obwohl von außen nicht erkennbar, verfügt auch die KTM über einen Quickshifter (Serie). Weil ihr Schalthebel aber direkt auf der Schaltwelle sitzt und sie dadurch ohne Schaltgestänge mit der üblichen Zug-/Drucksensorik auskommt, sieht man diese Assistenz nicht. Ohnehin würde man sie wegen der großartigen, mit äußerst geringer Handkraft zu bedienenden Kupplung kaum vermissen.
Deutlich mehr Drehmomente bei der KTM 690 SMC R
Kommen wir noch einmal zurück zum eingangs geschilderten Beschleunigungsszenario im Kurvendickicht, diesmal aus Perspektive der vorauspreschenden KTM 690 SMC R. Anders als die Italienerin, die erst jenseits von 4.500/min wach wird, liefert die KTM bereits rund 500 Touren früher genügend Punch für die Sause. Was sich nach wenig anhört, macht bei sportlichen Auftritten einen deutlichen Unterschied, denn dadurch verträgt die Orange bei gleicher Geschwindigkeit einen um eine Stufe höheren Gang. Weil sie zudem über nahezu den kompletten Drehzahlbereich deutlich mehr Drehmoment generiert und herrlich direkt am Gas hängt, zieht sie im Expresstempo unaufgeregt ihre Bahn – mega! Die idealen Schaltzeitpunkte für powervolle Anschlüsse liegen kurz hinter dem maximalen Drehmoment, das die SMC R bei 7.000/min bereitstellt. Rund 800 Touren höher dreht die Ducati Hypermotard 698 Mono auf ihrem Drehmoment-Zenit.
Eintöpfe und Laufkultur? Schwierig. Und bauartbedingt grundsätzlich ein Widerspruch. Zwar verfügen die Antriebe über jeweils zwei Ausgleichswellen, doch wirklich ruhig laufen sie dadurch nicht. Echte Fans wissen das und stehen drauf. Doch das typische lustvolle Stampfen geht bei der Italienerin mit steigenden Umdrehungen mehr und mehr ins Rumpeln über, die KTM 690 SMC R ihrerseits quittiert Drehzahlen unterhalb von 3.000/min mit nervigem Geruckel. Verbuchen wir beides großzügig unter dem Begriff "Charakter".
Erschwertes Einlenken durch nervöses Fahrverhalten
Unterschiedliche Naturelle zeigen Rot und Orange auch beim Fahrwerk. Die Ducati Hypermotard 698 Mono glänzt mit komfortabler, fein ansprechender Gabel, leidet lediglich bei voller Attacke etwas unter ihrem sehr soften Setup. Dadurch taucht die Front beim Ankern weit ab, und die Gabel arbeitet nah an ihrem hydraulischen Anschlag. Im Alles-oder-nichts-Fahrstil steigt das Heck bisweilen abrupt in die Höhe, was gute Reflexe beim Lösen der Bremse verlangt und generell Meter kostet. Letztlich erschwert ihr kopflastiges, nervöses Fahrverhalten dem Ducatista beim Ritt auf letzter Rille punktgenaues Einlenken und torpediert einen sauberen Strich durch die Bögen. Ein Spritzer mehr Öl in der Gabel brächte in den Anbremszonen sicher mehr Stabilität. Außerdem lastete bergab weniger Druck auf den Handgelenken. Nimmt man etwas Speed heraus, zeigt sich die Ducati-SuMo von einer ganz anderen, viel launigeren Seite. Ein leichter Impuls genügt – zack! –, schon winkelt sie zielsicher und bestechend leichtfüßig ab, wandelt sich zur astreinen Kurvenqueen. So lieben wir das! Als Bonus liefert sie vom Vorderrad ein Top-Feedback.
Stabilität als Kernkompetenz bei der KTM 690 SMC R
Etwas indifferenter berichtet die KTM 690 SMC R von der Front. Ihre straffe, aber traditionell nur durchschnittlich ansprechende Gabel lässt den SMC-Reiter etwas mehr im Unklaren über den Grip, stemmt sich im Gegenzug aber erfolgreich gegen Last-second-Bremsmanöver. Genau hier liegt der Unterschied: Stabilität in allen Lagen und bei jedem Tempo als Kernkompetenz der Österreicherin. Dazu trägt auch ihr etwas tieferer Schwerpunkt dank des im Heck befindlichen Tanks bei.
Außerdem baut sie insgesamt länger, besitzt bei sonst ähnlichen Geometriedaten einen klar längeren Radstand. Alles fein also? Ja, aber mit Einschränkungen. Man ahnt schon die nachteilige Auswirkung dieser Komposition. Tatsächlich benötigt sie mehr Nachdruck bei der Kurvenparty, sticht etwas verhaltener in und um die Ecken. Gleiches Bild beim Ankerwurf. Für möglichst späte Bremspunkte und kurze Wege verlangt das Mattighofen-Bike einen kräftigeren Zug am Hebel, die Verzögerungsleistung an sich geht aber in Ordnung. Ein- oder Zweifingerbremser werden dagegen mit der gierig zupackenden Anlage der Bologneserin glücklich.
Geringeres Tankvolumen bei Ducati
Vergleicht man die Designs, gefallen die fließenden Linien und das ausgewogene Ganze der KTM 690 SMC R. Insgesamt wirkt sie mit ihren klaren Formen sehr aufgeräumt, gekonnt verlegten die Stylisten zudem Kabel und Schläuche innerhalb vom Gitterrohrrahmen. Einzig das leicht pummelige Heck mag nicht unmittelbar ins Zentrum des einen oder anderen Ästheten vorstoßen. Aber irgendwo muss der Tank ja hin. Mit ihrem kleinen Spritbehälter und den reduzierten Verkleidungsteilen sieht die Ducati Hypermotard 698 Mono drahtiger aus, erscheint allerdings auch verschachtelter. Unter anderem, weil sich die Anbauteile rund um den Motor nicht so leicht verstecken lassen.
Bemerkenswert in Sachen Finish sind die leichten Schlieren im Tank der Hypermotard nach versehentlich übergelaufenem Benzin beim Spritfassen. Eingeschränkt User-freundlich gibt sich außerdem die nur mit Werkzeug abnehmbare Sitzbank. Mit 161 Kilo (Duc) und 162 Kilo (KTM) spielen die beiden SuMos gewichtsmäßig in derselben Liga. Doch weil auf dem Papier jedes Kilo ebenso zählt wie jedes PS, wollten sie in Bologna den Mattighofenern wohl auch in dieser Hinsicht zeigen, wo der Hammer hängt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass Ducati dieses Kilo ziemlich genau mit dem um 1,5 Liter geringeren Tankvolumen (12,0 Liter zu 13,5 Liter) einspart. Etwas größere Energiereserven für die Hatz bietet damit die KTM SMC R. An diesem Tag egal, denn beide steuern gemeinsam die Zapfsäule an, um Kraft für die nächste Runde zu tanken. Denn was beide eint: Auf engen Straßen machen sie süchtig.