Einzeltest: Ducati Hypermotard
Der Spaß hat erst mal ein Loch, wie man so schön sagt. Das hat einen einfachen Grund: Im sonst auch Ende Februar so schönwettersicheren Ronda, ganz im Süden Spaniens, gießt es in Strömen. Und das tut weh, denn Ducati hat sich für die Präsentation der neuen Hypermotard einiges überlegt. Für die scharfe, Racing-mäßige SP-Version haben sie extra die Rennstrecke von Ascari gewählt und für die Standard-Hyper das bergige und kurvenreiche Hinterland der Costa del Sol. Aber die Sonne macht woanders Urlaub und deshalb werden die Turns auf der Rennstrecke abgesagt, denn es ist so nass, dass der radikale Supercorsa SP von Pirelli auf den leichten Schmiedefelgen hier einfach keinen Stich machen kann.
Gott sei Dank hat die Standard-Hyper den Pirelli Rosso II auf den normalen Gussfelgen, außerdem noch eine achtstufige Traktionskontrolle, drei Fahrmodi und ein abschaltbares Bosch-ABS. Damit sollte wenigstens ein erster Eindruck auf der Straße drin sein. Also raus aus der Rennkombi, rein ins halbwegs wasserdichte Ornat und los.
Sofort fällt auf, dass die neue Hypermotard eine wesentlich kommodere Sitzposition bietet als ihre Vorgängerin. Man klemmt nicht mehr so eng am Lenker und die Füße sitzen auf den um sieben Zentimeter nach vorn gerückten Rasten zwar immer noch aggressiv genug, aber nicht mehr so ganz so Drag-Style-mäßig. Für kleiner gewachsene Fans ebenfalls sinnvoll: Die Hyper ist 20 Millimeter niedriger geworden (Sitzhöhe 870 mm).
Auf der Schnellstraße kann der Antrieb überzeugen





Also gut, werfen wir das Schätzchen an, denn schließlich ist ihr Herzstück komplett neu und prahlt mit ganz anderen Leistungsdaten als der luftgekühlte 1100er-Zweiventiler der Vorgängerin. Testastretta-Twin, wassergekühlt, 821 cm3, 110 PS – das klingt doch geil! Da kann es regnen wie es will, das muss man einfach probieren. Und der Motor selbst klingt auch geil, als er nach dem Druck aufs Knöpfchen zum Leben erwacht. Drei, vier Dreher am elektronischen Gasgriff quittiert der V-Motor mit wildromantischem Fauchen, läuft dabei aber butterweich und dreht freudig über die 7000/min hinweg. Erster Gang rein. Hui, geht sanft und leicht! Und ab geht’s.

Um es kurz zu machen: Auf der Schnellstraße bis zur Abzweigung in die Berge konnte der Antrieb schon voll überzeugen. Er läuft wirklich sehr vibrationsarm und marschiert ab 3000/min wie ein Springinsfeld los. Und auch ab der fiesen Abzweigung, die neben Ufo-großen Wasserlachen noch feinstes Geröll bereit hält, kann der Testastretta, der in seiner Grundkonstruktion aus dem 848er-Supersportler stammt, noch mal punkten. Denn den Eiertanz in den ganz engen Kehren macht er mit der sanften Gasannahme, dem schön zu schaltenden Getriebe – gut, die Wege sind etwas lang – und dem 1:1-Gefühl am E-Gasgriff weit mehr als erträglich.
Die Hypermotard wirkt auch allzeit beherrschbar. Der breite Lenker lässt den Fahrer die Flügel, sprich die Ellbogen, ausfahren und wie einen souveränen Supermoto-Piloten daherwedeln. Einfach schön, wenn nur der Wassereinbruch in Stiefel und Handschuhe nicht wäre. Mist, wir müssen umdrehen, so bringt das nichts mehr, denn unter diesen Umständen lassen sich ABS und Traktionskontrolle nicht aussagekräftig auf den Zahn fühlen. Man kann nur checken, ob sie überhaupt arbeiten. Oh ja: Selbst beim kleinsten Wheelie-Versuch dreht das Hinterrad durch und regelt die Elektronik (funktioniert ausschließlich über die Zündung). Die Straßen sind so schmierig, dass das ABS bergabwärts immer wieder das typische Pulsieren in den Bremshebel zaubert.
Am Ende bleibt nur der Frust über das Wetter

Wenigstens beschleicht uns noch eine Erkenntnis, als wir wieder auf der Schnellstraße sind. Scharfe Kanten outen das Fahrwerk als recht straff, besonders im Highspeed-Bereich. Das spürt man vor allem in der Gabel ordentlich. Aber fair ist so ein Versuch erst, wenn das Gabelöl im nächsten Test die Chance bekommt, Betriebstemperatur zu erreichen.
Am Ende bleibt nur der Frust über das Wetter und die ungestillte Lust, mit der Hypermotard mal so richtig über feine, geschwungene Landstraßen zu brennen. Dieser erste Ritt hat jedenfalls viel versprochen und eine Menge Spaß angedeutet. Die Vorfreude ist enorm, lass uns bald richtig toben und die Ellbogen ausstellen!
Daten und Urteil

Daten
Antrieb:
Zweizylinder-V-Motor, 4 Ventile/Zylinder, 81,0 kW (110 PS) bei 9250/min*, 89 Nm bei 7750/min*, 821cm3, Bohrung/Hub: 88,0/67,5 mm, Verdichtung: 12,8:1, Zünd-/Einspritzanlage, 52-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung, Sechsgang-getriebe, Kette.
Fahrwerk:
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopf-
winkel: 64,5 Grad, Nachlauf: 104 mm, Radstand: 1500 (1505) mm, Ø Gabelinnenrohr: 43 (50) mm, Federweg v./h.: 170 (185)/150 (175) mm.
Räder und Bremsen:
Leichtmetall-Gussräder (Alu-Schmiederäder), 3.50 x 17/5.50 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 245-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten, ABS.
Gewicht (vollgetankt):
175 (171) kg*, Tankinhalt 16,0 Liter Super.
Grundpreis:
11190 (14 590) Euro (zzgl. NK)*
*Herstellerangaben
PS-Urteil
Ob die Hypermotard ihr einst eigenwilliges Fahrverhalten mit diesem neuen Bike abgelegt hat, war im Dauerregen von Südspanien nicht seriös und mit Gewissheit zu beantworten. Aber der Motor und die Elektronik versprechen viel Spaß, die Optik ist immer noch betörend und die Sitzposition macht Lust, dem Funbike aus Bologna schnellstens in PS-Manier die Sporen zu geben.
Uwe Seitz
Ducati Hypermotard SP





Parallel zur Standard-Hypermotard bietet Ducati noch sportlicheren Hyper-Fans wie schon in der luftgekühlten Vergangenheit eine SP-Version an. Sie zeichnet sich vor allem durch deutlich weniger Gewicht und eine sehr viel mehr an eine Supermoto erinnernde Geometrie und ein ebensolches Fahrgefühl aus.
Die größte Gewichtsersparnis kommt von den geschmiedeten Marchesini-Leichtmetallfelgen. Sie allein bringen zwei von insgesamt vier Kilogramm Gewichtsvorteil. Die 171 Kilo Gesamtgewicht entsprechen übrigens dem der SP-Vorgängerin. Ein sehr guter Wert, wenn man bedenkt, dass der wassergekühlte Antrieb mit allem Drum und Dran gut zwei Kilo schwerer ist als der luftgekühlte 1100er, wie Projektleiter Federico Sabbioni PS offenbarte. Aber mit viel Detailarbeit hätten sie es schließlich geschafft, so der Ingenieur nicht ohne Stolz. Dazu tragen Karbon-Teile wie der vordere Kotflügel und die Abdeckungen der Zahnriemen bei.
SP-Fahrer kommen auf jeden Fall in den Genuss eines deutlich wertigeren, voll einstellbaren Fahrwerks. Statt der 43-mm-Kayaba-Gabel der Standard verfügt die SP über eine fette 50-mm-Marzocchi USD Light-Gabel mit satten 15 Millimetern mehr Federweg. Zwischen dem Rahmen und der Einarmschwinge dämpft ein Öhlins-Federbein mit Ausgleichsbehälter die Hinterhand und gönnt der nur in der Corse-Lackierung erhältlichen SP gar 25 Millimeter mehr Federweg.
Die Bereifung entspricht dem sportlichen Anspruch

Dadurch erhöht sich auch die Sitzhöhe um 20 Millimeter. Der Radstand ist um knapp fünf Millimeter länger, was recht wenig Einfluss auf die Fahreigenschaften hat. Da ist das Mehr an Schräglagenfreiheit nicht nur für Fahrer, die den Supermoto-Style bevorzugen, eine gute Nachricht. Auch die Bereifung der SP unterstreicht mit dem Pirelli Supercorsa SP ihren supersportlichen Anspruch.
Wie beim Standard-Modell besitzt auch die Hypermotard SP das Bosch-ABS, das sich in drei Abstimmungen regeln lässt und für ganz harte Sportfahrer auch abschaltbar ist. Über die Performance der SP können wir leider gar nichts sagen, da außer einer Besichtigungsrunde der Rennstrecke in Ronda effektives Testen dank des Dauerregens überhaupt nicht möglich war, der Supercorsa natürlich null Grip bot. Aber die aggressive Sitzposition sowie die hochwertigen SP-Teile machen einen echten PS-Test unbedingt und bald nötig.