Bimota DB10 Bimotard und Ducati Hypermotard 1100 Evo Vergleich

Vergleichstest Zweizylinder-Supermotos Bimota DB10 Bimotard und Ducati Hypermotard 1100 Evo

Mit der DB10 Bimotard feiert die italienische Edelschmiede Bimota ihre Premiere im Segment der Zweizylinder-Supermoto-Bikes. Als Antrieb des knapp 21000 Euro teuren Edel-Drifters dient der Motor aus der Ducati Hypermotard. Spender trifft Empfänger.

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Die Autoschlange vor dem Einlasstor zur Rennstrecke beim letztjährigen Grand Prix in Mugello muss wohl sehr lang gewesen sein. Auf jeden Fall lang genug, um die Diskussionen zwischen den Bimota-Verantwortlichen um Technikchef Andrea Acquaviva zu einem kreativen Ende zu bringen. Bis ein Ordner endlich die Tickets der Gruppe an der Fahrerlagereinfahrt abzwickt, ist die Entscheidung gefallen. Zum ersten Mal in der Firmengeschichte wird Bimota ein Supermoto-Bike entwickeln. Bereits fünf Monate später, Anfang November 2011, steht die DB10 Bimotard, wie die Italiener pfiffig wortschöpften, auf der Motorradmesse EICMA in Mailand.

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Typisch Ducati: Die Einarmschwinge gehört zu den Markenzeichen des Herstellers aus Bologna.

Und noch vor dem ersten Jahrestag jenes Brainstormings in Mugello rollt das Supermoto-Erstlingswerk aus Rimini denn auch schon aus der MOTORRAD-Tiefgarage. Im Sattel der Supermoto-Weltmeister der Jahre 2006 und 2008, Bernd Hiemer (siehe Interview in MOTORRAD 13/2012), im Schlepptau die Spenderin des Antriebsaggregats der Bimota, die Ducati Hypermotard 1100 Evo. Wie in einem Tunnel retournieren die Blechkarossen im dicht gedrängten Stadtverkehr das dumpfe Bollern der beiden Vau-Zwo. 1079 cm³ Hubraum, dezente Kühlrippen, kaum Kabel- oder Schlauchgewürm - der größte luftgekühlte Ducati-Motor kann sich nicht nur hören, sondern auch sehen lassen. Passt mit seinem unverschnörkelten Auftritt genau zum Konzept der beiden Italienerinnen. Supermoto pur. Ohne modernistisches Gezappe zwischen Fahrmodi, ohne Ride-by-Wire, ohne Traktionskontrolle, ja sogar ohne ABS.

Die Stadt verschwindet in den Rückspiegeln. Wohin? Einfach den spitzen Nasen der beiden Straßenräuber nach. Je kleiner das Hinweisschild, das zum nächsten Örtchen weist, je schmaler das Asphaltband, desto besser. Bis es so weit ist, eine kurze Rückblende.

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Typisch Bimota: Die Verbundkonstruktion des Rahmens findet in der Hinterradschwinge ihre stilistische Fortsetzung. Toll: die aus einem Block gefräste Kombination aus Kettenspanner und Bremssattelaufnahme.

Das Jahr 2005. Ducati präsentiert die Studie eines Supermoto-Bikes. Zwei Jahre später geht die euphorisch aufgenommene Hypermotard in Serie. Mit Gitterrohrrahmen, Einarmschwinge und obenliegenden Auspuffen fügt sich der Drifter nahtlos in die damalige Palette der Supersportler aus Bologna ein. Zu jener Zeit hangelt sich Bimota unter Führung des Mailänder Geschäftsmanns Roberto Comini noch aus den Niederungen des Neuanfangs im Jahr 2003 nach oben. Zeitgleich mit der Vorstellung der Hypermotard, also auch im Jahr 2007, setzt die Edelschmiede von der Adria erstmals bei ausnahmslos allen Modellen auf das bis heute charakteristische technische Konzept: Eine Kombination aus Gitterrohrfachwerk und gefrästen Aluplatten formt sowohl Rahmen als auch Hinterradschwinge. Als Antrieb kommen ausschließlich Ducati-Motoren zum Einsatz.

Die Exklusivität hatte bei Bimota schon immer ihren Preis. Auch der Tarif der Bimotard legt die finanzielle Latte für ein Supermoto-Bike neu: 20 790 Euro. Dagegen nehmen sich die gut 12000 Euro für die Ducati geradezu als Schnäppchen aus.

Bernd bremst mit einem kräftigen Stoß Zwischengas die Abzweigung an. Die DB10 bellt bissig aus den beiden Schalldämpfern, erinnert daran, dass die Tüftler von der Adria die Ducati-Technik nicht unverändert übernahmen. Statt der Siemens-Einspritzung der Duc sitzt eine amerikanisch-italienische Walbro-Einspritzanlage zwischen den Zylindern, statt dem mit einer Klappe akustisch befriedeten Ducati-Auspuff schlängelt sich eine Edelstahlanlage von Arrow zum Rahmenheck. Was nicht ohne Konsequenzen bleibt.

Deutlich frischer hängt der modifizierte L-Twin am Gas, reagiert spontaner auf jeden Dreh am Griff und katapultiert sich mit fühlbar mehr Elan aus den Ecken. Oder liegt’s einfach nur an Bernd? Von wegen. Vom Drehzahlkeller bis zum Begrenzer schürt die Bimota-Abstimmung im mächtigen Vau-Aggregat ein kräftiges Feuer, verleiht ihm gerade im relevanten mittleren Drehzahlbereich bis zu 8 PS mehr Leistung und zehn Newtonmeter mehr Drehmoment. Akustisch bleibt die Kur dennoch im vernünftigen Rahmen. Eine Ducati Panigale oder Aprilia RSV4 donnern bereits im Serienzustand lauter.

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Kopf hoch: Im Gegensatz zur tiefen Ducati-Front setzt Bimota auf eine ausgewogenere Fahrwerksgeometrie und Ergonomie.

Dass wir uns richtig verstehen: Nach mehr Power haben bislang die allerwenigsten Hypermotard-Treiber gerufen. Im Gegenteil. So samtig wie dieser Duc-Motor oberhalb von 3000 Touren anzieht, so kultiviert, druck- und gehaltvoll er sich anschließend durchs Drehzahlband wuchtet, genau darin liegt der eigentliche Reiz dieses famosen Triebwerks. Und von dieser Charakteristik hat er - trotz der höheren Leistung und der zusätzlichen Spontanität - auch in der Bimota keinen Deut eingebüßt. Ein Genuss ohne Reue.

Apropos Genuss. Keine Ausfahrt mit Italienern ohne Cappuccino-Pause. Pures Klischee zwar, aber warum denn nicht? Wir stoppen an einem Straßencafé, lassen vor allem die neue Bimota auf uns wirken. Man glaubt förmlich die Fräs- und Drehmaschinen noch surren zu hören, sucht auf dem Boden klammheimlich nach einer Lache von frisch herabgetropftem Kühlmittel. Nicht eine einzige Schweißnaht schuppt sich am Rand dieser schimmernden Aluteile. Allein der aus einem Block gefräste Kettenspanner mit integrierter Aufnahme des hinteren Bremssattels ist ein Meisterwerk der Fräskunst - und ein selbstbewusstes Bekenntnis zur Identität dieser Marke. Denn seien es die zentralen Aluplatten, welche die Rahmenteile samt Fußrastenausleger harmonisch aufnehmen, die interessant gestylten, nach unten abfallenden Gabelbrücken oder Details wie die unscheinbare Rücklichtabdeckung aus gebürstetem Alu - die DB10 präsentiert sich als Gesamtkunstwerk in Rot und Silber, stellt selbst die durchgestylte Hypermotard, Geschmack hin oder her, optisch eindeutig in den Schatten.

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Hoch die Tassen. Bernd Hiemer hebt das Vorderrad der Bimota.

Auch wenn sie technisch manches schuldig bleibt. Noble radial angeschlagene Brems- und Kupplungsarmaturen (übrigens Serienausstattung bei Ducati), leichte Schmiederäder oder gefräste Monobloc-Bremszangen bleiben trotz stolzem Preis und elitärem Anspruch unerfüllte Wünsche.

Dennoch: Mit 182 Kilogramm vollgetankt setzt die filigrane Bimotard einen neuen Leichtbau-Rekord im Zweizylinder-Funbike-Segment. Immerhin zwölf Kilo trennen sie von der Ducati, mindestens 20 von der restlichen vergleichbaren Supermoto-Konkurrenz. Ein Wert, der gerade in der durchweg rudimentär ausgestatteten Supermoto-Liga durchaus Respekt verdient.

Genug geschaut und gerechnet. Das Bein sportiv über die mit 900 Millimetern (Ducati: 850 mm) offroadig hohe Sitzbank geschwungen, den tief zwischen Lenkkopf und Tank eingelassenen Zündschlüssel gedreht, Knöpfchen gedrückt, weiter geht’s. Die Straßen werden immer schmaler und holpriger, verzwirbeln sich zusehends. Endlich Supermoto-Land. Attacke! Doch so schnell der Übermut aufkommt, so schnell verfliegt er wieder. Denn statt mit ihrem durchtrainierten Astralkörper die Asphaltschnörkel entlangzuhechten, lässt sich die Bimotard von Verwerfungen aus der Spur bringen, gibt sich in engen Kehren kippelig und schlägt am Kurvenausgang gelegentlich noch kräftig mit den Lenkerenden. Der Grund? Wohl eine unheilige Allianz aus den handlichen Michelin Pilot Power Pure, dem straff abgestimmten italienischen Extreme tech-Federbein, fehlendem Lenkungsdämpfer und der hohen Sitzposition. An der Papierform kann’s kaum liegen. Denn die Ducati, mit ihrer tiefen Front bekanntermaßen auch kein Musterknabe in Sachen Lenkpräzision, weist bei Radstand und Lenkwinkel die identischen Fahrwerksdaten auf, gibt sich aber mit weicherer Federung, tiefer integriertem Fahrer und neutraleren Pirelli Diablo Rosso-Pneus im Vergleich dennoch treffsicherer und spurgenauer.

Erst wenn sich das Wellenmeer auf dem Asphalt glättet, findet die Bimota zu ihrer Bestimmung. Dann lässt sich das Leichtgewicht mit zartem Schenkeldruck von Kurve zu Kurve dirigieren, fast schwerelos in tiefste Schräglagen fallen oder mit der Kraft eines einzigen Fingers brachial abbremsen. Plötzlich, auf Rennstreckenähnlichem Untergrund harmonieren Geist und Körper. Vielleicht, nein, ganz bestimmt braucht der Supermoto-Neuling gemeinsam mit der rennsportlich geprägten Bimota-Entwicklungscrew einfach noch ein paar Kilometer für die Feinabstimmung. Und zwar auf der Landstraße, nicht in Mugello. Es würde sich lohnen.


Fazit

Mit filigraner und liebevoll umgesetzter Technik bleibt auch die Bimotard den Maximen der Edelschmiede aus Rimini treu. Dennoch: Für knapp 21000 Euro muss die Ausstattung des Supermoto-Erstlingswerks von der Adria edler und das Fahrverhalten homogener ausfallen. Kreise um das zweizylindrige Supermoto-Establishment wie die Ducati Hypermotard fährt die Bimota jedenfalls nicht - so schön sie auch sein mag.

Technische Daten

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Kreise um das zweizylindrige Supermoto-Establishment wie die Ducati Hypermotard fährt die Bimota nicht.

Bimota Ducati
Motor 
Bauart Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor
Einspritzung Ø 42 mm Ø 45 mm
Kupplung Mehrscheiben-Trockenkupplung  Mehrscheiben-Trockenkupplung
Bohrung x Hub 98,0 x 71,5 mm 98,0 x 71,5 mm
Hubraum 1079 cm3 1079 cm3
Verdichtung 10,7:1 11,3:1
Leistung 72,0 kW (98 PS) bei 7500/min 67,0 kW (91 PS) bei 7500/min
Drehmoment 105 Nm bei 5500/min 105 Nm bei 5750/min
Fahrwerk
Rahmen Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend
Gabel Upside-down-Gabel, Ø 50 mm Upside-down-Gabel, Ø 50 mm
Bremsen vorne/hinten Ø 320/220 mm Ø 305/245 mm
Räder 3.50 x 17; 5.50 x 17 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Bereifung Michelin Pilot Power Pure Pirelli Diablo Rosso
Maße + Gewichte
Radstand 1465 mm  1465 mm 
Lenkkopfwinkel 66,0 Grad 66,0 Grad
Nachlauf k. A. 100 mm
Federweg vorne/hinten 165/140 mm 165/141 mm
Sitzhöhe** 900 mm 850 mm
Gewicht vollgetankt** 182 kg 194 kg
Zuladung** 178 kg 196 kg
Tankinhalt/Reserve 13,5 Liter 12,4 Liter
Service-Intervalle 12000 km 12000 km
Preis inkl. Nebenkosten 20790 Euro 12055 Euro
MOTORRAD - Messwerte
Höchstgeschwindigkeit* 228 km/h 220 km/h
Beschleunigung
0–100 km/h 3,6 sek 3,6 sek
0–140 km/h 6,2 sek 6,2 sek
0–200 km/h 14,7 sek 17,6 sek
Durchzug
60–100 km/h 4,0 sek 5,2 sek
100–140 km/h 3,5 sek 4,7 sek
140–180 km/h 4,6 sek 6,6 sek
Verbrauch Landstraße 4,9 Liter/Super 4,5 Liter/Super
Reichweite Landstraße 276 km 276 km

*Herstellerangabe, **MOTORRAD-Messungen

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