Nachdem Aprilia lange ein Geheimnis daraus machte, wie umfangreich die Updates an der RSV4 und ihrer nackten Schwester, der Tuono V4, ausfallen würden, ist mit dem ersten Blick auf das Bike klar: sehr umfangreich. Man machte die Speerspitze der RS-Baureihe nicht bloß kompatibel mit aktuellen Geräusch- und Emissionsvorschriften, sondern hauchte ihr gleichzeitig noch mehr Leistung ein.
Der stärkste Supersportler ab Werk
220 PS stehen im Datenblatt und damit übertrifft die RSV4 erneut die ebenfalls erstarkte Konkurrenz BMW M 1000 RR und Ducati Panigale V4S mit Zweiarmschwinge und dieses Mal nominell um zwei und vier Pferdestärken. Das gelingt hauptsächlich durch die neue Einspritzanlage, die mit vier statt 3,5 bar Druck arbeitet und deren Drosselklappen 52 statt 48 Millimeter messen.
Zusammen mit der neuen Abgasanlage, deren Klappensteuerung neu programmiert wurde, sollen außerdem unterhalb von 5.000/min deutlich mehr Newtonmeter anliegen. Auf dem GP-Kurs von Mugello werden wir diesen Bereich allerdings meiden.
Neue Winglets, neue Bremsen, neues Chassis
Beim Chassis legte Aprilia ebenfalls Hand an. Der Motor hängt fünf Millimeter höher im Rahmen, der Schwingdrehpunkt wurde um 2,5 Millimeter angehoben und das Offset um zwei Millimeter vergrößert. Allesamt Maßnahmen, die dem Handling der RSV4 zugutekommen sollen. So fahrstabil wie bisher bekannt soll sie trotzdem bleiben, da die neu geformten Winglets den dafür nötigen Abtrieb generieren und zusammen mit der überarbeiteten Wheelie-Kontrolle für maximalen Vortrieb sorgen.
Weil die RSV4 Wheelies schon vor dem Abheben des Vorderrads antizipiert, kann früher und damit feiner eingegriffen werden. Überdies stellen die Programmierer der Traktions- eine Slide-Kontrolle zur Seite, mit der aus Schräglage mehr Beschleunigung möglich sein soll. Die negative Beschleunigung wurde bei der Modellpflege bedacht. Brembos neue Hypure-Sättel zieren die RSV4.
Mit Michelin-Semi-Slicks ein Feuerwerk
Für die ersten Stints auf dem Track hat Aprilia Michelins Trackday-Pneus Power Cup² montiert, denn die Strecke ist nach einem ordentlichen Regenguss kühl. Die feuchten Flecken verziehen sich aber schnell, also Feuer frei. Nein, Feuerwerk frei. Das ist die einzig passende Umschreibung dessen, was der 1099-Kubik-V4 auf der langen Start-Ziel-Geraden abbrennt. Ruckzuck stehen über 300 km/h auf der Uhr. Der Motor baut seine gewaltige Leistung über das gesamte Drehzahlband linear auf und lässt schon bei mittlerer Drehzahl die Welt ringsum verschwimmen. Wow.
Neue Bremse ist die richtige Wahl
Am Ende der langen Geraden werden erstmals die Stopper hart beansprucht. Bremsstabilität, das ist seit jeher eine Stärke der RSV4. Sie bleibt es 2025. Auf den Michelins lässt sich die Aprilia auf der Bremse leicht einlenken und mit etwas Körpereinsatz präzise umdrehen. Es folgt das Gasanlegen, das in den drei Motormappings mehr oder weniger direkt, aber in keinem ruppig umgesetzt wird. Schön.
Die RSV4 macht einen zugänglichen, wenn martialischen ersten Eindruck und vermittelt schnell Vertrauen. Sie ist nicht überhandlich, folgt klaren Befehlen des Körpers, aber ohne Murren. Das Tempo steigt und nach einigen Runden reißen immer mehr Pferde in Schräglage am Hinterrad. Langsam kommt im Standardsetting leichte Unruhe vom Heck auf. Hält man das Gas tapfer fest, bringt die Elektronik das Pumpen wieder unter Kontrolle, muss dazu aber die Drosselklappen spürbar schließen.
Öhlins-Fahrwerk wie gehabt top
Zurück an der Box nehmen die alarmierten Techniker Änderungen am Setup vor. Mehr Vorspannung am Federbein und mehr Beschleunigungssupport vom semi-aktiv arbeitenden Öhlins-Fahrwerk sollen dem Pumpen den Garaus machen. Und das gelingt. Spürbar gestrafft hält das Federbein beim Beschleunigen nun besser stand und lässt nur noch minimale Unruhe zu. Obwohl Aprilia weiterhin auf das Smart EC 2.0 System von Öhlins setzt und nicht auf die neue Generation 3.0, gibt das Bike ein tolles Feedback, wenn man das Gas ab dem Kurvenscheitel kontinuierlich, aber nicht ruckartig öffnet.
Mit 24h-Slick noch mehr Grip
Dieses Feedback verbessert sich nochmals, nach dem Reifenwechsel auf Michelin Power Performance Slicks (vorn Mischung "Soft", hinten "24"). Sie stellen nochmals mehr Grip zu Verfügung und erleichtern der Elektronik so die Arbeit. Außerdem aktiviert Aprilia die Corner-by-Corner-Anpassung von Fahrwerk und Elektronik, die beim Factory-Modell serienmäßig enthalten ist.
Via App wird dazu die Rennstrecke aufs Bike gespielt und die gewünschten Settings für die einzelnen Streckenabschnitte gewählt. Dann zeigt das neue Dashboard mit diversen Themes und integriertem GPS-Laptimer in der linken unteren Ecke eine kleine Rennstrecke an (Fun-Fact: Es ist immer Monza) an und signalisiert damit, dass das System aktiv ist. Hier etwas mehr Wheelie-Unterdrückung, dort etwas mehr Dämpfung – funktioniert.
Im letzten Stint passt das Setting der RSV4 gut. Es ist deutlich mehr Ruhe im Gebälk und die Leistung lässt sich spürbar leichter umsetzen. Wer sich die Zeit nimmt, kann also über die Corner-by-Corner-Anpassung erneut ein bisschen Performance herauskitzeln.
Das ist neu an der Aprilia RSV4 Factory
Motor
- Leistungssteigerung um drei auf 220 PS
- Auspuffanlage überarbeitet, Euro-5+
- Drosselklappen 52 Millimeter groß, Benzindruck vier statt 3,5 bar
Chassis und Bremsen
- Motor fünf Millimeter höher positioniert
- Schwingendrehpunkt 2,5 Millimeter höher
- Offset zwei Millimeter größer
- Neue Hypure-Sättel von Brembo vorne
Elektronik
- Mappings überarbeitet
- Fahrassistenten neu abgestimmt
- Wheeliekontrolle verbessert
- Slidekontrolle hinzugefügt
- Dashboard-Themes modernisiert
- Lenkerschalter modifiziert
Design
- Verkleidung überarbeitet, sechs Prozent weniger Luftwiderstand
- Winglets jetzt zweistöckig, acht Prozent geringere Wheelie-Neigung