Wir geben es zu: Die Skepsis war groß, die Meinungen waren zu Beginn des Dauertests gespalten. Sie hält, sagten die einen. Das steht sie nicht durch, die anderen. Schließlich hat die ungewöhnliche und mutige Konstruktion der Ducati 1199 Panigale eine kleine Revolution angezettelt. 195 PS aus einem Twin zu kitzeln, noch dazu mit gewaltiger 112-mm-Bohrung, zu Drehzahlen bis 11.500/min fähig. Und als Krönung des Ganzen der Motor als tragendes Element, ohne eigentlichen Rahmen. Das schien recht verwegen.
Geschont wurde die Ducati 1199 Panigale jedenfalls nicht. Wurde über lange Distanzen gehetzt, über Rennstrecken gescheucht, durch den Feierabendverkehr gequält. Aber sie hat den Marathon überstanden. Vielleicht nicht in Rekordzeit, aber sie ist ja auch ein Renneisen, kein Tourensofa zum Kilometerfressen. Ganz reibungslos verlief zumindest die erste Hälfte des Marathons freilich nicht. So überraschte sie Kollege Schneider schon nach knapp 10.000 Kilometern damit, nach dem Kaltstart bisweilen nur auf einem Zylinder zu laufen, was aber mit dem Gangbarmachen der Auspuffklappe behoben war. Dieses Phänomen tauchte aber wieder auf, fortan stets unter nasskalten Bedingungen, und zwang im folgenden Winter bei Kilometerstand 24.150 zu mehreren Werkstattaufenthalten. Die Ursache dafür konnte nie so recht ermittelt werden. Ob der Tausch des Kabelbaums, der nach einem unverschuldeten Unfall erforderlich wurde, sie kurierte oder die ebenfalls getauschte Lambdasonde Wurzel des Übels war, konnte nie ganz geklärt werden. Jedenfalls war dieses Thema fortan Geschichte.
Love it or leave it

Von solchen Unpässlichkeiten abgesehen, bewies die Ducati 1199 Panigale aber auch Ausdauer. Touren von 1.300, 2.500 oder gar 3.000 Kilometern absolvierte sie mehrere Male am Stück klaglos. Und fanden sich auch viele Einträge im Fahrtenbuch, die sie wegen der Krümmerhitze unter dem Sitzpolster, der unkomfortablen Hinterhand oder des höllenlauten Auspuffgeräuschs geißelten, noch länger war die Liste an begeisterten Einträgen über ihr Temperament, ihre Stabilität, ihren feurigen Motor. Love it or leave it, kalt ließ sie niemanden. Die zweite Hälfte des Langstreckentests jedenfalls absolvierte die Duc mit großen Schritten. Und – fast – ohne Zwischenfälle.
Mysteriös war der Verlust sämtlicher Befestigungsschrauben der hinteren Bremsscheibe bei Kilometerstand 30.170. Trotz intensiver Untersuchung fand Ducati keine Erklärung dafür. Und trotz über 130.000 produzierter Exzenter-Spindeln, auf denen die Bremsscheibe sitzt, konnten von Ducati nicht einmal zehn Fälle weltweit ausgemacht werden, in denen sich die Schrauben gelöst hatten. Dennoch führte dieser Vorfall zu einer umgehenden Änderung der Wartungsvorschriften. So steht nun bei jeder Inspektion eine Drehmoment-Prüfung der Schrauben auf dem Pflichtprogramm. Leider wurde bei der Untersuchung im Werk in Bologna von einem unvorsichtigen Mechaniker beim Lösen der Auspuff-Befestigungsschraube wegen wiederholt klappernder Auspuffblenden die Auspuff-Halterung am Motorgehäuse abgebrochen. Was gegen Ende des Dauertests wohl zum Riss des Krümmers und dessen Austausch im Rahmen der 48.000er-Inspektion führte. Dazwischen zwang der Riss der Kette kurz vor der 36.000er-Inspektion unplanmäßig zum Werkstatt-Stopp, nachdem kurz zuvor der Gangsensor den Dienst quittierte. Von diesen beiden Vorfällen abgesehen, absolvierte die Ducati 1199 Panigale aber die zweite Hälfte der Testdistanz problemlos und ziemlich flott.
Andi Bildl über die Dauertest-Abschlussbilanz der 1199 Panigale
Motor alles andere als ein Leisetreter

Für den krönenden Abschluss sorgte Chefredakteur Michael Pfeiffer höchstpersönlich. Er trieb die Ducati 1199 Panigale an einem Tag die letzten 1.400 Kilometer zum MotoGP-Lauf an den Österreichring und zurück. Abstecher im Fahrerlager in die Ducati-Box nebst kurzem Treffen mit Casey Stoner und dem Ducati-Werksteam inklusive. Zurück in Stuttgart standen die Abschlussmessungen auf dem Protokoll.
Der Prüfstand wies acht PS weniger Leistung aus als noch zu Beginn, entsprechend fielen die Fahrleistungen geringfügig schwächer aus. Und mechanisch war der Motor der Ducati 1199 Panigale zum Ende alles andere als ein Leisetreter. Einerseits. Andererseits hatte der Motor zwischen den lang gestreckten 12.000er-Inspektionsintervallen überhaupt nur einmal nach einem zusätzlichen Schluck Öl verlangt. Dazu war das Ergebnis der abschließenden Druckverlustmessung tadellos.
48.000er-Wartung kostete 3.300 Euro

Billig ist der Spaß jedenfalls nicht. Das beginnt beim Verbrauch der Ducati 1199 Panigale. Sieben Liter verfeuerte der Twin im Schnitt auf 100 Kilometer. Reifen ist ein kurzes Leben beschert. Mit gutem Willen halten Pirelli Supercorsa SP oder Bridgestone S20 knapp 4.000 Kilometer durch. 7.000 Kilometer waren mit Metzeler Sportec M7RR und Dunlop Sportsmart II drin. Stress fürs Budget bedeuten dazu die Inspektionen. Recht moderat fielen noch die Erstinspektion und der 12.000er-Wartungsdienst mit knapp 300 respektive 600 Euro aus. Happige 1.500 Euro wurden dagegen für den 24.000er-Service fällig, bei dem erstmals die Kontrolle des Ventilspiels ansteht. Bei dieser Gelegenheit wurden auch gleich die klappernden Auspuffabdeckungen repariert. Offenbar kein Einzelfall. Noch dicker kam es mit der 48.000er-Wartung. 3.300 Euro sind ein Wort. Auch wenn rund 1.000 davon allein auf den Austausch des gerissenen Krümmers entfallen. Neben der regulären Inspektion, die etwa auf Höhe der 24.000er-Rechnung gelegen wäre, trieben der Wechsel von Kettensatz, vorderem Radlager und Lenkkopflager die Rechnung in die Höhe.
Macht unterm Strich 20,1 Cent pro Kilometer ohne Wertverlust und Spritkosten. Mithin knapp das Doppelte der Yamaha R1. Irgendwie passend daher das Schlusswort von Kollege Johannes Müller, der kurz vor Ende ins Fahrtenbuch notierte: „Laut, heiß, anstrengend – immer wieder ein Genuss.“ Und Service-Chef Jörg Lohse pflichtete bei: „Heiß, unbequem, ruppig – aber doch irgendwie …GEIL. Ciao Bella.“ Laut, heiß, trotzdem geil, dieses knappe Fazit findet sich auch häufig in den Leserzuschriften wieder. Und wie war es nun um die Innereien des Twins bestellt? Die riesigen Kolben zeigten sich vom Marathon ziemlich unbeeindruckt. Verblüffend geringe Ablagerungen auf dem Kolbenboden, die Kolbenhemden und Ringe makellos, selbst die dreiköpfige Ducati-Delegation aus Bologna und die beiden Vertreter von Ducati Deutschland staunten. Kleinere Laufspuren an den Zylinderwänden im unteren Bereich stuft Ducati als unbedenklich ein, zumal die Zylinder der Ducati 1199 Panigale maßhaltig sind und kein Ölverbrauch messbar war.
Wo sind die fehlenden acht PS geblieben?

Nockenwellen und Kolbenbolzen boten einen erfreulichen Anblick. Getriebe, Ölpumpe und die Kupplung ebenfalls. Auch an den Ventilsitzen der Ducati 1199 Panigale fanden sich keine kritischen Spuren. So weit sah also alles recht proper aus, und die leistungsbestimmenden Teile gaben keinen Hinweis darauf, wo die sieben Pferdchen denn entschwunden sein könnten. Weder der Verdacht eines defekten Katalysators noch gelängter Steuerketten als Ursache bestätigten sich nach Untersuchung dieser Teile im Werk. Auch ein geändertes Mapping während der Testdauer scheidet als Erklärungsursache laut Ducati aus. So bleibt nur, die acht Weniger-PS zur Kenntnis zu nehmen. Deutlichen Verschleiß zeigten die eingelaufenen Pleuellager. Leichte Laufspuren auf dem Hubzapfen der Kurbelwelle stuften die Ducati-Techniker dagegen als nicht weiter bedenklich ein. Ebenso wie geringe Pittingspuren an einigen der DLC-beschichteten Kipphebeln und manchen Schaltklauen des Getriebes.
Völlig verschlissen und damit reif für den Schrott war dagegen eine der drei Schaltgabeln. Und während die Schaltwalze die Distanz unbeeindruckt überstanden hat, lief ihr Wälzlager im Motorengehäuse ziemlich rau. Auffällig waren zwar die leicht ovalen Ventilführungen und die mit 1,6 mm breit geschlagenen Ventilsitze, die aber allesamt noch innerhalb der – recht großzügig bemessenen – Grenzwerte lagen. Die hatte Ducati übrigens erst zur Testbesprechung parat, weil man selbst bislang nur eigene Erfahrungen bis 48.000 Kilometer Laufleistung hatte. Trotz der zu tauschenden Teile insgesamt also ein beachtliches Ergebnis für die Ducati 1199 Panigale, deren gewaltiger V2 in Sachen Leistung und Gewicht sicherlich an den Grenzen des Machbaren wandelt. Und gleichzeitig eine tragende Rolle im Chassis übernehmen muss. Abgerundet wird dieses Bild vom sehr guten Zustand der Fahrwerks-, Lack-, und Alu-Teile. Deren Oberflächen mussten immerhin drei Wintern trotzen und machten dennoch zu Testende einen ausgesprochen guten Eindruck. Umso betrüblicher, dass Ducati nach nur fünf Jahren Bauzeit dieses Kapitel unter dem Druck von Euro 4 wieder schließt.
Bilanz nach 50.000 Kilometern
Zustand: Der Allgemeinzustand der Ducati 1199 Panigale ist gut. Es sind keine Lackabplatzungen zu erkennen. Die Oberflächen des Motorgehäuses sehen gut aus. Bremsscheiben sind noch in gutem Zustand.
Zylinderkopf: Die Ventilführungen sind leicht konisch geweitet. Eine Auslassführung ist leicht außerhalb der Toleranz. Die Ventilsitze sind geweitet und auf der Auslassseite an der Toleranzgrenze.
Zylinder/Kolben: Zylinder und Kolben sind im guten Zustand. Es sind leichte Laufspuren vorhanden.
Kurbeltrieb: Die Pleuellager sind verschlissen. Die Trägerschicht ist schon leicht sichtbar. Die Kurbelwelle hat Laufspuren.
Kraftübertragung: Die Gangräder haben an den Schaltklauen deutliche Laufspuren. Ansonsten sind Getriebezahnräder und -wellen in gutem Zustand.
Rahmen/Fahrwerk: Rahmen sowie Fahrwerk präsentieren sich in gutem Zustand.
Kosten und Wartung
Kosten
Betriebskosten auf 50000 Kilometern | |
18,5 Öl à 18,07 Euro | 334,30 Euro |
5 Ölfilter à 25,87 Euro | 129,35 Euro |
2 Luftfilter à 49,4 Euro | 98,80 Euro |
4 Zündkerzen à 35,85 Euro | 143,40 Euro |
3 Satz Bremsbeläge hinten à 45,67 Euro | 137,01 Euro |
4 Satz Bremsbeläge vorne à 101,02 Euro | 404,08 Euro |
3 Kettensätze | 861,80 Euro |
Bremsflüssigkeit | 9,52 Euro |
1 Krümmer komplett | 889,26 Euro |
Kleinteile, Schmierstoffe | 279,42 Euro |
Dichtungen | 91,86 Euro |
Inspektionen und Reparaturen | 3.800,67 Euro |
Reifen (inkl. Montage, Wuchten und Entsorgen) | 2.873,00 Euro |
Kraftstoff | 5.063,71 Euro |
Gesamtkosten | 15.116,17 Euro |
Anschaffungskosten | 19.990,00 Euro |
Wertverlust | 9.390,00 Euro |
Schätzpreis (Händlerverkaufspreis) | 10.600,00 Euro |
Kosten pro Kilometer (ohne/mit Wertverlust) | 30,2/49,0 Cent |