Mittelklasse-Sportler im Vergleich: 5 Bikes mit rund 100 PS

5 Mittelklasse-Supersportler im Vergleichstest
Sportbikes von Aprilia, Honda, Suzuki, Triumph, Yamaha

Veröffentlicht am 10.04.2025

Die 5 Sportbikes Aprilia RS 660 , Honda CBR 650 R E-Clutch, Suzuki GSX-8 R, Triumph Daytona 660 und Yamaha R7 sind ausweislich ihrer Leistungsdaten und Kaufpreise ganz klar dem Breitensport, ergo dem Mittelfeld, zugeordnet. Was sie nicht davon abhalten muss, im Rahmen von Cups (z. B. Aprilia RS 660 Trophy in Italien und Yamaha R7 Cup in Deutschland) durchaus seriösen (Hobby-)Rennsport zu betreiben.

Aprilia RS 660: Mit Traktions und Wheeliekontrolle

Alleine mit der Beschreibung der elektronischen Möglichkeiten der Aprilia RS 660 könnte man einen umfangreichen Artikel befüllen. Hier das Wichtigste in Kürze: Es gibt insgesamt fünf vorkonfigurierte Modi (Commute, Dynamic, Individual, Challenge, Time Attack), die sich aber samt und sonders in den Punkten ABS, Gasannahme, Motorbremse, Traktions- und Wheeliekontrolle individualisieren lassen. Die Bandbreite reicht dabei jeweils von handzahm bis vogelwild. Vor allem beim ABS ist in den schärferen Varianten Vorsicht geboten, da das Hinterrad dann mitunter sehr schnell sehr hoch steigt. Grundsätzlich verzögert die Brembo-besattelte und Stahlflex-geleitete Anlage mit geringer Handkraft und toller Dosierbarkeit, wirkte aber zumindest bei Testbeginn etwas stumpf.

Durchweg erfreulich hingegen ist die, gemessen am Anspruch, entspannte Ergonomie, die auch längeres Verweilen spannungsfrei erlaubt. Ihr Twin hat zwar nominell die höchste Leistung, wird aber auf dem Prüfstand von der Daytona übertroffen. Zwar akzeptiert er ab rund 3.500/min auch den Sechsten, so richtig auf lebt er aber erst ab rund 7.000/min und trompetet dann unter Last dermaßen vernehmlich aus der Airbox, dass man den Tirolern einmal mehr zurufen möchte, wie praxisfremd ihre 95-dB-Regelung ist. Denn mit moderaten Drosselklappenöffnungswinkeln bewegt, ist man mit der RS keineswegs laut, aber immer noch pfeilschnell unterwegs.

Hohe Stabilität in den Kurven

Die Schaltbox erledigt ihren Job rauf wie runter elektronisch unterstützt kurzwegig und präzise. Das Fahrwerk geht den sportlichen Anspruch mit, USD-Gabel und direkt angelenktes Federbein sind jeweils in Vorspannung und Zugstufendämpfung, wenngleich diese sehr versteckt liegt, justierbar. Doch das Grundsetting ist schon sehr in Ordnung. Soft genug, um auch auf kleine Impulse zu reagieren, und andererseits hat es hinreichend Reserven, um auch bei sportlicher Gangart (auf der Landstraße) nicht gleich in die Knie zu gehen. In der Agility-Wertung muss sie sich knapp der Suzuki geschlagen geben, dennoch lässt sie sich leichtfüßig ins Eck werfen und umrundet Kurven mit hoher Stabilität und viel Vertrauen ins Vorderrad. Ein echter Racer eben.

Als Einzige hat die Aprilia RS660 Rahmen und Schwinge aus Aluminium, die optisch aber eher wie schlecht lackierter Baustahl rüberkommen. Generell wirken die matten Oberflächen der RS eher trist. Die nicht überlackierten Aufkleber unterstreichen diesen Eindruck. Dafür punktet sie mit für Racer eher untypischen Goodies wie einem Tempomaten, einem großen Gepäckträger unterhalb des Soziussitzes sowie einstellbaren Knäufen von Brems- und Schalthebel. So sammelt die Aprilia hier wie dort fleißig Punkte und gewinnt am Ende drei Rubriken. Auch der nominell höchste Kaufpreis relativiert sich, denn bei ihm sind die obskuren Nebenkosten bereits inkludiert.

Honda CBR 650 R: Neues TFT-Display

Zweite im Bunde bzw. Alphabet ist die Honda CBR 650 R. Sie ist in dieser Form seit 2019 bekannt, bekam 2021 ein Upgrade auf Euro 5 sowie eine neue, nicht einstellbare Showa-Big-Piston-Gabel. Der 2024er-Jahrgang bietet neben einem (endlich) zeitgemäßen Connectivity-tauglichen TFT-Display, dessen Ansteuerung über das bis dato kleinste, gleichwohl hinterleuchtete Schalterkreuz erfolgt, auch die Möglichkeit, für 400 Euro Aufpreis die Kupplungsarbeit einer elektromechanischen Einheit anzuvertrauen. Das Getriebe selbst muss aber noch eigenfüßig bedient werden. Den Kupplungshebel gibt es weiterhin. Ihn braucht es aber nur, wenn das System deaktiviert ist oder mit eingelegtem Gang gestartet werden soll.

Honda mit E-Clutch

Weder im Test- noch im Alltagsbetrieb konnte die "E-Clutch" genannte Errungenschaft im aktuellen Status restlos überzeugen, denn die Schaltvorgänge gehen mit routinierter Kupplungshand besonders im Stadtverkehr oftmals geschmeidiger und geräuschloser über die Bühne, als wenn man sie dem System überlässt. Zudem läuft die Honda CBR 650 R E-Clutch nach dem Kaltstart recht lange mit stark erhöhter Drehzahl. Um zum Beispiel Wohngebiets-kompatible Tempos einzuhalten, heißt es dann, gegen die Bremse zu fahren, worauf die E-Clutch mit schleifender Kupplung antwortet. Ob das der Lebensdauer zuträglich ist, sei einmal dahingestellt. Auch bei flotten Ampelstarts schleift die Kupplung recht lang. Manuell eingekuppelt lassen sich von 0 auf 100 km/h drei Zehntel holen, die Messwerte im Datenkasten wurden mit E-Clutch ermittelt. Dessen ungeachtet schalten sich die Gänge rauf wie runter fluffig und präzise.

Kritiklos agiert auch der Rest des Antriebs. Wie es sich für einen Reihenvierer gehört, kann man mit 40 km/h im Sechsten quasi geräuschlos durch den Ort bummeln, am Ende desselben ist aber mehrfaches Runterschalten angezeigt, möchte man zügig Fahrt aufnehmen. So richtig in Wallung kommt der Vierer erst ab rund 6.000/min, und mit der Leistung kommen dann auch die feinen, nichtsdestotrotz auf Dauer recht unangenehmen Vibrationen. Zudem geht er in seinem einzig vorhandenen Mapping recht hart ans Gas und zeigt spürbare Lastwechselreaktionen.

Wenig agiles Einlenkverhalten der CBR

Die bis auf die hintere Federvorspannung fixen Federelemente machen zumindest bei Landstraßen-Tempos einen soliden Job und verbinden brauchbaren Komfort mit hinreichend Dämpfung. Wie sie sich bei wirklich hoher Beanspruchung wie zum Beispiel beim Fahren auf der Rennstrecke schlagen, ist heuer nicht Gegenstand dieses Vergleichstests. Wenig überzeugend ist das mit Abstand trägste oder zumindest am wenigsten agile Einlenkverhalten der Honda CBR 650 R E-Clutch. Sie benötigt schon einen klaren Impuls zum Abwinkeln und entwickelt auf der Bremse ein deutlich spürbares Aufstellmoment.

Die Bremse als solche liefert solide ab, ohne wirklich zu brillieren. Im ABS-Regelbereich bleibt die Honda dafür am stabilsten und das Hinterrad stets in Bodennähe. Die Ergonomie auf der Honda ist moderat sportlich und definitiv langstreckentauglich. In den alltagsrelevanten Belangen wie Sicht, Spiegel, Windschutz gibt sich die CBR ebenfalls keine Blöße, bleibt aber irgendwie stets im Hintergrund. Dessen ungeachtet gilt: Relativ kleine Vierzylinder mag man – oder eben nicht. Die optionale E-Clutch ändert daran nichts.

Suzuki GSX-8R: Die günstigste Variante

Die Suzuki GSX-8R nicht zu mögen – das fällt zumindest mit rationalen Argumenten schwer. Zwar kann sie "nur" das Kapitel Kosten für sich entscheiden, dieses dafür deutlich. Historisch betrachtet: Typisch Suzuki eben. Und im Motoren-Kapitel verliert sie primär bei den absoluten Fahrleistungen aufgrund ihrer relativ langen Gesamtübersetzung und vor allem wegen des praxisgerecht auf eine starke Mitte anstelle hoher Top-End-Power bei höchsten Drehzahlen abgestimmten Twins. Oberhalb seines Drehmoment-Maximums lässt seine Drehfreude nämlich rapide nach.

Darunter und diesseits der Stoppuhr hingegen ist er ein Freudenspender erster Güte. Er hängt in jedem der drei Mappings, allerdings mit unterschiedlicher Verve, spontan, aber nicht nervös am Gas, schiebt an wie Hulle und entwickelt exakt das richtige Maß an mechanischer Unruhe und akustischen Lebensäußerungen, um als viertaktende Kraftmaschine wahrgenommen zu werden. Die kurzwegig, knackig und präzise agierende Schaltbox shiftet locker-quick, zum Blibbern braucht’s aber Kraft. Freunde der Mechanik greifen deshalb abwärts gern zum Kupplungshebel.

Top Handling, leicht in den Kurven

Die Kupplung selbst arbeitet mit der höchsten, aber noch moderaten Handkraft im Testfeld, der Druckpunkt selbst liegt recht dicht am Lenker und ist sehr hart. Nicht hart, sondern klar und präzise ist der Druckpunkt der Bremse, die sich auch in Sachen Dosierbarkeit, Handkraft, Rückmeldung und vor allem Wirkung noch vor der Aprilia an die Spitze setzt. Ebenfalls spitze ist das Handling. Keine lässt sich so leicht von einer in die andere Schräglage werfen wie die Suzuki GSX-8R. Dort angekommen, hält sie stabil den Radius und vermittelt viel Vertrauen, bis irgendwann die aufsetzenden Fußrasten zur Mäßigung mahnen. Unterstützt wird die Leichtigkeit des Wedelns durch eine recht aufrechte, eher touristische denn sportliche Sitzposition.

Auch wenn die "R" im Gegensatz zu ihrer Nudistenschwester "S" anstelle eines Rohrlenkers Stummel trägt, ändert das nicht viel an der angenehmen Ergonomie. Auch die Verkleidung dient mehr der Optik als der Funktion. Schmal geschnitten und eng anliegend, zudem mit einem ebenso schmalen wie flachen Windschild versehen, sollte man vom Wind- und Wetterschutz nicht allzu viel erwarten. Das TFT-Infocenter ist bereits aus anderen Modellen wie der V-Strom 1050 bekannt. Es ist übersichtlich gestaltet, einfach zu bedienen und verweigert sich connectivistischen Aktivitäten. Leider auch der in Europa üblichen Zeitanzeige im 24-h-Format. Und den Achter-GSXen bleibt auch die Außentemperatur vorenthalten. Letztendlich alles keine Gründe, die Suzuki nicht mögen zu können.

Triumph Daytona 660: Gute Fahrdynamik, hoher Verbrauch

Das Display der Triumph Daytona 660 kann zwar 24-h-Format, bleibt aber ebenfalls Smartphone-Tauglichkeit und Außentemperatur schuldig. Wie auch bei der Yamaha sieht man dem LC-Display den Kostendruck durchaus an. Die einzigen elektronischen Features sind neben einer Traktionskontrolle die Mappings Rain, Road und Sport, die neben der Gasannahme die Eingriffsschwelle besagter TC beeinflussen. Leider weiß man mangels eindeutiger Anzeige nie, ob das angewählte Mapping auch wirklich ausgeführt wird. Letztendlich ist das aber auch egal, denn Dreh- und Angelpunkt der Daytona ist der herzerfrischend lebendige 660-Kubik-Triple. Drehpunkt darf hier durchaus wörtlich genommen werden, denn keine andere im Testfeld ist so kurz übersetzt wie die Triumph. Das ist gut für die Fahrdynamik, aber schlecht für den Verbrauch.

Auf der zurückhaltend zurückgelegten Verbrauchsrunde nimmt sich die Daytona mit immer noch fairen 4,4 Litern ganze 0,8 mehr als die Sparsamste im Feld, die Yamaha. Der mit einer klassischen 120-Grad-Kurbelwelle bestückte Triple knurrt, faucht und röhrt sich durchs breite Drehzahlband, dass es eine wahre Freude ist. Die im Übrigen nicht zulasten der Außenstehenden geht. Nicht ganz die wahre Freude hingegen bereitet die Schaltbox, die im Gegensatz zu den üblichen Triumph-Gepflogenheiten eher mäßig präzise und mit recht langen Schaltwegen operiert. Auch Schalthilfen gibt es keine. Das ebenfalls bis auf die hintere Federvorspannung nicht einstellbare Fahrwerk wiederum macht seine Sache richtig gut.

Daytona mit Kunstoffblenden

Nicht ganz so handlich und stabil, aber ebenso neutral wie die Suzuki eilt die Triumph Daytona 660 durchs Winkelwerk. Die Gabel pariert grobe Verwerfungen ebenso gelassen wie kleine Anregungen sensibel. Da kann das Federbein nicht ganz mithalten, trotz Hebelumlenkung spricht es etwas harzig an. Die voluminöse Schwinge steht übrigens zu ihrem Werkstoff Stahl, wie Rostansätze in den Gewindebuchsen für die Montageständer-Aufnahmen belegen. Beim einteiligen Stahlrahmen versuchen großflächige Kunststoffblenden eine Aluminium-Konstruktion vorzutäuschen. Mit mäßigem Erfolg. Nichts vorzutäuschen braucht man bei der Bremse. Bei Wirkung und Dosierung gibt es nichts zu meckern, lediglich das ABS dürfte etwas feiner regeln, zudem neigt sie vor allem auf welligem Untergrund zum Stoppie. Generell muss man leider anmerken, dass die Daytona längst nicht so wertig wirkt wie ihre ähnlich teure Schwester Speed Twin 900. Das zeigt sich zum Beispiel bei diversen Oberflächengüten und an Anbauteilen wie Brems- und Schalthebel oder Seitenständer aus billigem Stahl anstelle geschmiedeten Aluminiums. Doch genug der Schelte, wir haben uns ja um noch einen Kandidaten zu kümmern.

Yamaha R7: Nutzerfreundlich und zuverlässig

Und die Yamaha R7 hat es in diesem Umfeld wirklich nicht leicht. Denn zum einen ist ihr aus der genialen MT-07 stammende Antrieb nominell mit einem ordentlichen Leistungsdefizit gesegnet. Obendrein fallen einem zu dem Twin zwar viele Attribute ein: nutzerfreundlich, sparsam, robust, zuverlässig bis hin zu Unkaputtbarkeit, aber eben nicht unbedingt sportlicher Ehrgeiz. Zum anderen verweigert sich die R7 sehr konsequent den Errungenschaften der Moderne: Blibber, Connectivity, Mappings, TFT, Traktionskontrolle, Quickshifter (den immerhin gibt es für 200 Euro Aufpreis) und anderes mehr sucht man hier vergebens. Wobei sich das Nichtvorhandensein dieser Goodies eher nicht auf den Preis auswirkt. Dazu kommt ein Sitzarrangement, das zwar konsequent sportlich ausgelegt ist, im Zeitalter von Wellness und Health-Management nicht nur Komfortsuchenden zu tiefstummelig sein dürfte. Für eine R7 entscheidet man sich also bewusst.

Gutes Fahrwerk, hohe Stabilität

Wohl muss sie in der Motorenwertung aufgrund besagten Leistungsdefizits und der daraus resultierenden Fahrleistungen Federn lassen, doch im Alltag und wenn die hier noch per leibhaftigem Gaszug betätigten Drosselklappen nicht permanent auf Durchzug stehen, zählen andere Dinge. Eine feine Gasannahme zum Beispiel oder eine zur Leistungscharakteristik passende Getriebeabstufung. Und siehe da, im sechsten Gang liegt die anliegende Hinterradleistung bis etwa 130 km/h zwar am unteren Ende des Testfelds, aber zumindest in Reichweite von Aprilia und Triumph. In den tieferen Gängen schaut das ähnlich aus. Mit anderen Worten: Wenn man auf der Landstraße den anderen nicht hinterherkommt, liegt es nicht am Motorrad. Für Ausflüge auf den Kringel gilt diese Aussage freilich nur bedingt. Für fixes Vorankommen braucht es freilich mehr als nur Motorleistung. Ein gutes Fahrwerk zum Beispiel. Da ist die Yamaha R7 dabei. Zwar nicht superhandlich und auf der Bremse eher unwillig einlenkend, aber mit hoher Stabilität und klarer Rückmeldung als vertrauensbildende Maßnahme geht die Yamaha auf Pirsch.

Yamaha R7 mit sportlicher Grundabstimmung

Ihre 41er-USD-Gabel ist als einzige im Feld voll einstellbar, jedoch gaukeln die vielen möglichen Klicks einen Einstellbereich vor, der in dieser Breite leider keineswegs vorhanden ist. Doch solange der Belag nicht das Prädikat Rübenacker verdient, lässt sich mit dem Gebotenen gut leben. Für das via Umlenkung betätigte Federbein gilt, abgesehen von der nicht vorhandenen Druckstufeneinstellung, im Prinzip das Nämliche. Generell ist die Grundabstimmung auf der sportlich straffen Seite, und so spricht das Fahrwerk bei niedrigen Tempos eher mäßig auf kleine Unebenheiten an.

Wenn es ums Bremsen geht, ist die Yamaha R7 voll mit bei der Musik. Allerdings reagiert sie im ABS-Regelbereich stark auf die Sitzposition. Weit hinten auf dem üppigen, aber harten Polster sitzend, bremst sie bockstabil, doch mit Tuchfühlung zum Tank neigt das Hinterrad verschärft zum Abheben. Nicht gerade optimal für Schreckbremsungen. Doch zählen nicht auch das Sicheinlassen auf und Bewältigen von suboptimalen Umständen als stimulierende Herausforderung? Wie gesagt, es lebe der Sport.