Im Portfolio von Honda, Kawa und seit 2024 auch Aprilia finden sich A2-Derivate der großen Superbikes, die ihnen auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich sehen. Welches der drei Bikes bietet den größten Fahrspaß fürs Geld? Ein Landstraßentest und der MOTORRAD-Handling-Parcours auf abgesperrter Strecke werden es offenlegen.
Aprilia RS 457 – Sport als Kernkompetenz
Die Jüngste im Bunde ist die komplett neu entwickelte Aprilia RS 457 . Mit 270 Grad Hubzapfenversatz entspricht ihr Antrieb modernem Reihenzweizylinder-Zeitgeist, die Kolben der Twins von Honda und Kawasaki oszillieren gegenläufig. Ihr Punch (48 PS/44 Nm) liegt dafür etwas später an als beim Wettbewerb. Up to date: der Hauptrahmen aus Alu mit mächtigem Lenkkopf, Sport als Kernkompetenz. Auch ihre Ergonomie mit tiefem, weit ausgestelltem Lenker (auf Dauer unbequem, so viel sei bereits jetzt verraten) und hohem Sitz vertritt den sportiven Grundgedanken in der Aprilia mit Stolz.
In den Sätteln von Honda und Kawa sitzt man dagegen entspannter. Besonders die CBR 500 R ist um das ergonomische Wohl des Fahrers bemüht, reicht die Lenkerenden weit oben in die Hände, lässt den Knien dank tief montierter Rasten einen offenen Winkel. Durch den breiten Tank wirkt die Honda zudem wuchtiger als die beiden um die Hüfte sehr schlanken Mitstreiterinnen. Aufrecht sitzt man auch auf der Kawa, ihre Lenkerstummel sind gar so weit zum Fahrer gekröpft, dass sie beim Rangieren mit den Knien in Konflikt geraten können.
Superbike-Feeling auf der Aprilia RS 457
Im lockeren Swing entern die drei A2-Sportler die kurvigen Landstraßen der Schwäbischen Alb. Hoppla, die Aprilia RS 457 winkelt erstaunlich stabil ab, nicht der Hauch von Unruhe oder Eigenbewegung in der Frontpartie. Linie anpeilen, durchziehen, fertig. Echtes Superbike-Feeling, großes Kino! Als Nebenwirkung verlangt die Italienerin jedoch einen deutlichen Einlenkimpuls, und um in Schräglage auf Kurs zu bleiben, braucht sie ebenfalls etwas Nachdruck. Stabilität mit Körpereinsatz, für ein Sportmotorrad okay. Serienmäßig rollt die Aprilia auf No-Name-Reifen (Eurogrip Protorq Extreme), die sich hölzern anfühlen und kein bedingungsloses Vertrauen vermitteln können.
Aprilia mit mustergültig abgestimmtem E-Gas
Eilige Zeitgenossen halten den Twin permanent auf mindestens 6.000 Touren, unterhalb dieser Marke an der Rolle zu kurbeln bedeutet Cruisen statt Kacheln. Dennoch zieht der Antrieb vom Drehzahlkeller bis zum elektronischen Stopp schön gleichmäßig durch, Leistungslöcher oder -sprünge sind bei der Aprilia RS 457 Fehlanzeige. Dazu reagiert der Twin dank mustergültig abgestimmtem E-Gas sehr direkt auf Marschbefehle, ohne mit Lastwechseln zu nerven. Aprilia-typisch der Sound. Wie ihre große Schwester RS 660 bollert die 457er dumpf-bedrohlich aus ihrem Endtopf, düster wie nahende Gewitter.
Kurze Schaltwege und dreistufige Traktionskontrolle
Knackig kurz fallen die Schaltwege bei der Aprilia RS 457 aus, allerdings flutschen die Gänge nicht ganz so geschmeidig wie jene der Japanerinnen. Eine Ausgleichswelle neutralisiert die Schwingungen, die bei Motoren mit Hubzapfenversatz naturgemäß auftreten. Dadurch läuft der Antrieb erfreulich kultiviert, lediglich auf längeren Autobahnetappen dringt leichtes Kribbeln in die Rasten. Mit drei Fahrmodi (Eco, Rain, Sport), dreistufiger Traktionskontrolle und dem deaktivierbaren Hinterrad-ABS bietet die Aprilia für diese Klasse reichlich elektronische Fahrhilfen und ein top ablesbares Fünf-Zoll-TFT-Cockpit. Im Fahrbetrieb spürt man aber zumindest zwischen Eco und Sport kaum einen Unterschied. Dennoch ist der Twin ein richtig launiger Geselle, der garantiert noch weitere Modelle aus Noale befeuern wird.
Honda CBR 500 R – einzige mit Doppelscheibenbremse
Umstieg auf die Honda CBR 500 R, die zu dieser Saison ein Facelift bekam, optisch aber noch immer eng verwandt mit der Fireblade, Generation SC77, erscheint. Als Einzige des Trios klotzt sie mit einer Doppelscheibenbremse inklusive feiner Wave Discs, dazu Michelins in den erwachsenen Dimensionen 120/70 und 160/60. Mit Einscheiben-Stoppern, 110er-Vorderreifen und 150er-Dimension hinten setzen die beiden Mitbewerber dagegen auf schlichtere Ware.
Richtig profitieren kann die Honda davon indes nicht. Zwar packen die Bremsen im ersten Moment kräftiger zu als jene der Italienerin. Doch beim Verzögern am Limit bestehen kaum noch Unterschiede, zumindest nicht in der Wirkung. Etwas weniger Leerweg am Hebel verschafft der Honda insgesamt dennoch einen kleinen Vorteil. Und die Kawasaki Ninja 500 ? Zu ihr kommen wir gleich noch.
Astreine Leistungsentfaltung und ordentliche Werte
Beim Beschleunigen und auch in flotten Wechselkurven kämpft die CBR mit ihrem hohen Kampfgewicht von 193 Kilo. In Kombination mit den breiten Sohlen und der superkommoden Ergonomie macht die Kurvensause zwar noch immer viel Spaß, man muss die Honda CBR 500 R aber regelrecht auswringen, um der Aprilia RS 457 folgen zu können. Von seiner besten Seite zeigt sich der Antrieb, wenn das TFT-Cockpit (neu, mit Connectivity) mittlere Drehzahlen anzeigt.
Astreine Leistungsentfaltung, ordentliche Werte, alles supi. Sozialverträgliche Drehzahlen, angenehm blubbernder Motor – reine Seelenmassage. Auf der Habenseite stehen auch die hohe Laufkultur des Twins, eine klasse dosierbare und leichtgängige Kupplung, easy Gangwechsel und trotz der direkt an die Drosselklappen mündenden Gaszüge ein weiches und gleichermaßen direktes Ansprechverhalten – passt! Unterm Strich bevorzugt die Honda eine moderate, ruhige Gangart und droht beim Angasen, den Anschluss zu verlieren.
Honda geeignet für längere Etappen
Ins Bild passen die passabel ansprechenden und soft abgestimmten Federelemente. Dämpfung vermissen wir auf der Landstraße nicht, und der Handling-Parcours ist noch nicht in Sichtweite. Um der Honda CBR 500 R etwas der angeborenen Hecklastigkeit zu nehmen, spannen wir die Feder auf die zweithöchste Stufe vor. Kleine Maßnahme, spürbare Wirkung, doch als Kurvenräuberin setzt sich die Honda nach wie vor nicht in Szene, tut dafür auf längeren Etappen am wenigsten weh.
Kawasaki Ninja 500 – klare Kurven-Königin
Mit 173 Kilo stemmt die Kawasaki Ninja 500 satte 20 Kilo weniger auf die Waage als die Honda CBR 500 R und immerhin noch fünf weniger als die Aprilia RS 457. Dazu rollt sie auf den schmalsten Rädern, und ihre Entwickler verpassten der Ninja auch den geringsten Nachlauf und damit extrem handlingfördernde Zutaten. Eine echte Show, wie easy sie in die Ecken sticht, die Linie in Schräglage beliebig enger zieht und regelrecht durch Kurvenkombinationen giert. Klare Kurven-Königin, im Geschlängel unerreicht.
Allerdings einhergehend mit einer Prise Nervosität. Anders als vor allem die Aprilia fordert die Kawa beim Einlenken und in Schräglage mitunter minimale Lenkkorrekturen. Nichts Wildes, aber wahrnehmbar. Überraschenderweise liefert ihre einfach wirkende Vorderbremse mit simplem Zweikolben-Schwimmsattel und nicht einstellbarem Hebel den besten Biss und das knackigste Bremsgefühl. Die Federelemente bieten wenig Überraschendes. Auch sie stammen nicht aus dem obersten Regal, was man in dieser Preisliga ja auch nicht erwarten kann. Abstimmungstechnisch liegt das Federbein wie jenes der Aprilia auf der straffen Seite und funkt Schlaglöcher direkt ins Gesäß durch.
Krätiger Punch und feinnervige Vibrationen
Herrlich spritzig stellt sich der Kawa-Motor dem Fahrer vor. Seine etwas geringere Spitzenleistung gleicht er locker mit kräftigem Punch von unten aus, wodurch die Grüne ebenso flott aus den Ecken pfeffert wie die Aprilia RS 457, sich dabei aber wesentlich unaufgeregter zeigt – tatkräftig unterstützt von der insgesamt kürzesten Übersetzung des Vergleichs. Sound? Eher zurückhaltend, ähnlich jenem der Honda CBR 500 R.
Im Gegensatz zu ihr erzeugt der Kawa-Antrieb allerdings ab 6.000/min feinnervige Vibrationen, die sich am Lenker, dem Sitz und an den Rasten austoben. Auch die Kawasaki Ninja 500 ist mit einem Old-School-Gasgriff ausgestattet, dessen Züge ebenfalls direkt an die Drosselklappen andocken. Nachteil: bei zu viel Spiel harte Lastwechsel. Am Testbike aber alles tutti. Kurzum: Die Ninja ist ein äußerst lebendiger Feger, der fahrdynamisch auf der Landstraße auftrumpft. Ausstattungsseitig gibt’s neben dem gut abgestimmten ABS nicht viel. Das TFT-Cockpit mit Ganganzeige und Connectivity ist aufgeräumt und hält alle relevanten Trip-Infos parat. Das war’s dann aber auch. Einfache Mittel, großer Output, so könnte man den Auftritt der Ninja 500 zusammenfassen.
Honda CBR 500 R mit geringstem Verbrauch
An der Zapfsäule bleiben alle drei A2-Sportler im erwarteten Rahmen und schonen trotz sportlicher Gangart den Geldbeutel. Besonders sparsam tut sich die Honda CBR 500 R hervor, was unter anderem auf die im Gangdiagramm ersichtliche, lange Übersetzung und das damit einhergehende niedrigere Drehzahlniveau beim Swing im sechsten Gang zurückzuführen ist. Während die Honda bei 100 km/h mit 5.200/min tourt, jault die Kawasaki Ninja 500 beispielsweise hier schon mit 5.800/min, die Aprilia RS 457 liegt bei 5.400/min.
Krönender Abschluss auf dem Testgelände
Und damit zum krönenden Abschluss: Handling-Parcours auf dem MOTORRAD-Testgelände. Exakt 1.661 Meter lang, mit engen und weiten Bögen, harten und weichen Bremsphasen sowie wechselnden Asphaltbedingungen. Erwartungsgemäß lassen sich die Fahreindrücke von der Landstraße hier grundsätzlich bestätigen, einige Charakterzüge treten aber bei voller Brause stärker ins Rampenlicht. Bei der Aprilia RS 457 vor allem die Bremsperformance.
Beim späten Ankern fällt nicht nur das vergleichsweise stumpfe Gefühl im Hebel, sondern auch das grobe Einschreiten des ABS auf. Wer das System hinten deaktiviert oder den Fußhebel in Ruhe lässt, kann besser Speed abbauen, doch mit beiden Japanerinnen gelingt’s noch präziser. Auch das Federbein der Aprilia überarbeitet sich nach einigen flotten Runden spürbar und gibt mit nachlassender Dämpfung ein immer schwammigeres Gefühl.
Sportmotorrad, Tourensportler oder Etwas dazwischen
Bei der Honda CBR 500 R ist es neben dem Gewicht die Schräglagenfreiheit, die sie auf dem Rundkurs einbremst. Früh kratzen die Rasten über den Boden und limitieren den Kurvenspeed. Auf der Landstraße kein Thema, auf abgesperrter Strecke aber schon. Die Kawa bestätigt ihre Fähigkeiten auch auf dem Parcours und hinterlässt mit ihrer vergleichsweise einfachen Hardware den besten Eindruck. Abgesehen von leichter Nervosität über Unebenheiten in voller Schräglage kann man der Grünen auf dem Handling-Parcours nichts vorwerfen. Dank des spritzigen Motors und federleichten Handlings umrundet die Kawasaki Ninja 500 den Kurs auch in der kürzesten Zeit. Knapp dahinter liegt die Aprilia, und einen weiteren Atemzug später kommt die Honda über die Linie.
Wie wichtig so eine Rundenzeit bei A2-Sportlern wirklich ist, muss jeder selbst entscheiden. Nach dem umfangreichen Testtag ist jedenfalls klar, dass man in dieser Kategorie die Wahl hat zwischen konsequentem Sportmotorrad (Aprilia RS 457) und Tourensportler im Superbike-Dress (Honda CBR 500 R) – oder etwas dazwischen (Kawasaki Ninja 500).