Test: R 1300 GS, Multistrada V4, Super Adventure

R 1300 GS, Multistrada V4, Super Adventure
Neue BMW R 1300 GS im großen Vergleichstest

Veröffentlicht am 05.01.2024

Alle drei wollen die Elite des Segments sein. Entsprechend verlangen sie vom Kaufinteressenten viel Einsatz. Insbesondere finanziellen. Üppig, aber nicht maximal konfiguriert stehen bei der neuen BMW R 1300 GS , der Ducati Multistrada V4 S und der KTM 1290 Super Adventure S je weit über 20.000 Euro auf der Rechnung. Im Gegenzug erwartet die Kundschaft vielseitige Alleskönner. Ob Kaffeefahrt oder Weltreise, Premium-Teer oder Buckelpiste – egal wie, wann oder wohin, mit diesen Bikes will man immer "all-in" gehen können.

Neue BMW R 1300 GS tritt an

Riskieren wir zunächst einen Blick in die Karten der jüngst um 46 Kubik und viele weitere Upgrades erstarkte BMW R 1300 GS. Bei der Neuauflage sollen unter anderem 145 PS und gewaltige 149 Newtonmeter Drehmoment aus 1.300 Kubik für einen deutlicheren Respektabstand zur harten Konkurrenz von Ducati sorgen. Ein Bluff? Ihr augenzwinkerndes, asymmetrisches Pokerface hat die BMW jedenfalls abgelegt und unser Prüfstand offenbart, dass sie die Werksangabe sogar deutlich übertrifft. Hubraum-Plus und höhere Verdichtung verkleinern die Leistungslücke und sichern dem Shift-Cam-Boxer einen noch größeren Drehmoment-Vorsprung.

Wenn es um die Testsieg-Wurst geht, zählt nicht nur rohe Power. Das weiß BMW und entwickelt die sechste Generation GS komplett neu: Das semiaktive Fahrwerk senkt sich auf Wunsch um 30 Millimeter ab, was Aufstieg und Rangieren spürbar erleichtert. Dafür ist das straffere, ohne Absenkung 845 Millimetern hohe Sitzpolster nun, anders als bei KTM (855 – 875 Millimeter Sitzhöhe) und Ducati (845 – 865 Millimeter Sitzhöhe), nur im Winkel, aber nicht mehr in der Höhe justierbar. Dazu spendiert das Werk einen neuen Rahmen mit überarbeitetem "Evo-Telelever", mehr serienmäßige Assistenzelektronik inklusive vier Fahrmodi und Anpassungen an Schwinge und Ergonomie.

Ducati Multistrada V4 S fein gereift

Alles neu bei BMW gegen sanfte Modellpflege bei Ducati Multistrada V4 S. Ducati taktiert defensiv, und lässt die Multistrada V4 S Grand Tour mit behutsamen Updates. Unter dem schwarz-grauen Lackkleid hat sich vergleichsweise wenig getan: Die Gummi-Entkopplung am Lenker fällt weg, ein zusätzlicher Hitzeschutz kommt hinzu. Außerdem gibt es mehr Platz für den Sozius und einen Lüfter am immer noch zu knappen Handyfach. Und Multistrada beherrscht ebenfalls den Hof-Knicks: Auf Knopfdruck nimmt der Dämpfer elektronisch Vorspannung raus, senkt damit das Heck, um beim Aufstieg und im Stop-and-go zu unterstützen. Ihr V4 mit 1.158 Kubik erzeugt mit 170 PS weiterhin am meisten Leistung und mit 125 Nm im Reigen am wenigsten Drehmoment.

KTM 1290 Super Adventure S gewohnt stark

Und die KTM 1290 Super Adventure S? Macht zunächst weiter wie gehabt. Das letzte umfassende Update hauchte dem brachialen Muscle-Tourer mehr Komfort und Zugänglichkeit ein, liegt aber nun fast drei Jahre zurück. Damals hielt das Bosch-Radarsystem mit Abstandsregeltempomat Einzug, fast drei Jahre bevor BMW entsprechend optional nachgerüstet. Wann zünden die Österreicher die nächste Evolutionsstufe? Ein mutmaßlicher Erlkönig einer aktualisierten Super Adventure wurde jedenfalls bereits gesichtet und der neue Motor mit 1.350 Kubik und variabler Ventilsteuerung ist bekannt. Bis dahin bleibt es bei 160 PS und 138 Nm aus zwei Zylindern mit 1.301 Kubik.

Gieriger V2 von KTM

Ohne Zögern erwachen GS-Boxer und V4-Granturismo zum Leben und nach etwas Orgeln der mächtige KTM-V-Zwo. Einmal da, lässt er sich nicht zweimal bitten: schiebt brutal von unten an und dreht gierig, begleitet von kernigen Vibrationen ab 5.000 Touren. Direkt und kompromisslos reagiert die KTM auf Eingaben am Gasgriff, gibt am Tableau hin- und mitreißend die gut gelaunte Rampensau.

Drehfreudiger V4

Ganz anders die Ducati: Zwar steht sie schon früh gut im Futter, spielt ihre Trümpfe lieber über die Drehzahl aus. In engen Ecken fährt man auf ihr immer einen Gang tiefer und lässt anschließend länger stehen, um mit dem TDI-Schub der beiden Zweizylinder Schritt zu halten. Seidig und zugleich willig dreht der 1158er, begleitet von herrlichem V4-Konzert über die der 10.000er-Marke. Bescheuert und verdammt geil.

Geschmeidiger Boxer

Ähnlich geschmeidig geht die neue GS ans Werk: mit ausgesprochen sanftem Motorlauf und linear druckvoller Leistungsentfaltung übers gesamte Drehzahlband. Den Antritt von ganz unten war von der Vorgängerin brachialer in Erinnerung. Dafür geht oben raus mehr, garniert mit dem feinsten Ansprechverhalten im Testfeld. Ein Blick auf die Fahrleistungen bestätigt den Eindruck: Beim Durchzug packt die BMW eine Schippe drauf, die KTM dominiert bei der Beschleunigung aus dem Stand. Insgesamt trennen aber alle drei bei sämtlichen Messwerten nur wenige Zehntel.

BMW und Getriebe – Beziehungsstatus kompliziert

Knappe Sache auch beim Thema Getriebe. BMW lässt bei der R 1300 GS eine Ausgleichswelle weg, das knochige Schaltgefühl bedauerlicherweise nicht. Immerhin sind die Schaltwege kürzer und das Schaltgefühl weniger teigig. Das machen die exzellenten Schaltboxen von Ducati und KTM besser, funktionieren gleichermaßen leichtgängig und präzise. Besonders geschmeidige, kurze Schaltvorgänge der Multistrada V4 S verdienen ein Extralob, bei der 1290 Super Adventure S dürfte die Zugkraftunterbrechung bei niedrigen Drehzahlen gerne etwas sanfter und kürzer sein. Ihr Schalthebel fordert dafür kaum Kraft.

Die GS ist kompakt und durchdacht

Die BMW R 1300 GS steht gedrungen, im direkten Vergleich beinahe zierlich im Hochnebel. Neben den Respekt einflößenden Tank- und Verkleidungsgebirgen von Ducati und KTM wirkt sie kompakt und handlich – nicht nur im Stand, sondern auch aus der Fahrerperspektive. Hier zahlt sich der neue, schlankere 19-Liter-Tank aus, der zwar einen Liter Volumen eingebüßt hat, dafür aber mehr Bewegungsfreiheit ermöglicht. Dazu gesellen sich perfekt positionierte Rasten und Lenkerenden, die nun zwar sportlicher platziert sind, aber immer noch intuitiv zu Hand und Fuß finden. Die elektrisch einstellbare Verkleidungsscheibe ist ein nachgerüstetes Alleinstellungsmerkmal, wobei die Abschirmung vor Wind und Wetter bei allen gut funktioniert. Das Next-Gen-GS-Wohnzimmer wirkt jugendlicher und durchdacht.

Multistrada steht für Enduro-Spirit und Roadster-Flair

Ducati trifft bei in der Multistrada V4 S den richtigen Ton zwischen Gemütlichkeit und Dynamik, wenn auch mit einer Prise mehr Enduro-Spirit und weniger Roadster-Flair. Die Front ist hoch und der Lenker breit, aber trotz beeindruckender Dimensionen ist die Multi keine garstige Diva, sondern vermittelt den Eindruck einer zugänglichen, beherrschbaren Reisebegleiterin. Die angenehm konturierte Sitzbank platziert den Fahrer gut integriert. Der Knieschluss am Tank ist etwas breiter, lässt aber bei aktiver Fahrweise ausreichend Platz zum Herumturnen.

Super Adventure in XXL

Derweilen macht die KTM 1290 Super Adventure auf Big Size XXL. Wahnsinn, wie viel Motorrad man da zwischen den Schenkeln hat! Piloten mit königlicher Statur mag das gefallen, der Rest benötigt etwas Eingewöhnung in die breitbeinige Haltung. Markentypisch straff ist der Sattel, für Tagestouren geht der Komfort in Ordnung. Langstrecken- und Vielfahrer sollten sich die komfortablere Ergo-Sitzbank für 194 Euro Aufpreis gönnen. Schmaler Lenker und weiter vorn positionierte Rasten signalisieren – ebenfalls KTM-typisch – Offroad-Bereitschaft. Zumindest für diejenigen, die keine Skrupel haben, mit 250 Kilo unter sich im Dreck zu wühlen.

3 semi-aktive Fahrwerke im Vergleich

Dieser Mutprobe stellen wir uns bei einer anderen Gelegenheit, bügeln dafür über tief zerfurchte Holperpisten, die den semiaktiven Fahrwerken alles abverlangen. Jeweils aufs komfortabelste Setting geklickt, offenbaren sie deutliche Unterschiede: 200 Millimeter Federweg an Heck wie Front in der WP-Hardware der KTM 1290 Super Adventure S sind ein Wort, doch kein Garant für den Komfort einer königlichen Sänfte. Die Österreicherin hält zwar satt den Bodenkontakt, ist allerdings insgesamt am straffsten und lässt bei Ansprechverhalten und Komfort Federn.
Ducati Multistrada und die BMW GS – beide mit Marzocchi – filtern Wellen und Schläge mit mehr Feingefühl aus dem Asphalt. Insbesondere die GS dämpft harmonisch und souverän, wenn auch nicht mit dem Sofa-Komfort ihrer Vorgängerin. Trotzdem: Die Bandbreite zwischen softer und sportlich harter Einstellung ist bei ihr am deutlichsten spürbar.
Daneben liefert die Ducati eine souveräne Vorstellung, fängt harte Schläge gekonnt ab und muss sich nur beim Ansprechverhalten der BMW knapp geschlagen geben. Dafür bietet sie mehr Individualisierbarkeit und lässt sich mit hunderten Kombinationsmöglichkeiten in jedem Fahrmodus exakt feintunen.

So fahren GS, Multi und die 1290 durch Kurven

Spielerischen meistert die Ducati Multistrada V4 S den Tanz mit den Kehren, macht Abmessungen und Gewicht schon beim ersten Knick zur Nebensache. Ein minimaler Zupfer am Lenker genügt und sie winkelt ab. Im Gegenzug ist in voller Schräglage etwas mehr Konzentration und eine ruhige Hand gefragt, um die angepeilte Linie zu halten.
Hier trumpft die BMW R 1300 GS auf, bleibt selbst über leichte Wellen hinweg neutral, präzise und stabil. Und gibt durch die aktivere Fahrposition mehr Informationen von der Vorderhand weiter.
Die KTM 1209 Super Adventure S kurvt anders: Sie braucht einen kräftigeren Impuls zum Abbiegen, fühlt sich trotz ihres Gewichtsvorteils schwerfälliger an. Einlenken und Umlegen erfordern bestimmte Eingaben an der Lenkstange, dafür überzeugt sie in Schräglage mit unbeirrbarer Stabilität "wie auf Schienen".

Technische Daten
BMW R 1300 GS (2024)Ducati Multistrada V4 S (2023)KTM 1290 Super Adventure S (2023)
Motor2, Boxermotor4, V-Motor2, V-Motor
Leistung106,0 kW / 144,0 PS bei 7.750 U/min125,0 kW / 170,0 PS bei 10.500 U/min118,0 kW / 160,0 PS bei 9.000 U/min
Hubraum1300 cm³1158 cm³1301 cm³
Sitzhöhe850 mm
Sitzhöhe von/bis820 mm / 850 mm840 mm / 860 mm850 mm / 870 mm
Grundpreis19.880 €23.290 €19.249 €