Es gibt Motorräder, bei denen sich nichts ändern darf – und genau deshalb müssen sie sich verändern. Willkommen bei Ural. Die Kult-Marke lebt von Charakter, Charme und klassischer Mechanik. Doch unter dem erwünscht nostalgischen Blech schlägt ein Herz, das technisch schon vor Jahrzehnten an seine Grenzen kam. Und siehe da: Ausgerechnet aus China könnte eine Option kommen. In Form eines 900-Kubik-Boxermotors von Crystalburn, dessen Wurzeln wie die des Ural-Boxers bei BMW liegen. MOTORRAD erlaubt sich eine Spekulation:
Mehr Leistung, neue Perspektiven
Die bisherigen Ural-Motoren liefern rund 41 PS aus 745 Kubik. Für sehr entspannte Landstraßentouren reicht das. Doch mit Beiwagen, Gepäck, Ersatzteilen und Sozia belastet, sind Reserven an Steigungen oder auf der Autobahn willkommen und ergeben mit Blick auf Haltbarkeit Sinn. Der neue luftgekühlte Boxer aus China könnte hier Abhilfe schaffen. Orientiert am Konzept des 2V-Boxers BMW-Typ 247, dessen vermuteten 60 bis 65 PS und dem wohl deutlich höheren Drehmoment wirken auf dieser Ebene keine Argumente dagegen.
Ural-Boxer unter 20.000 Euro?
Ein weiterer Aspekt ist der Preis. Aktuelle Ural-Gespanne bewegen sich deutlich oberhalb von 25.000 Euro. Ein Teil dieser Kosten ist der wohl hauseigenen Motorproduktion geschuldet. Zwar wurde der Boxer erst 2023 technisch deutlich modernisiert, doch ein zugelieferter, zuverlässigerer, stärkerer und günstigerer Motor aus chinesischer Serienfertigung könnte eine deutliche Kosten- und damit Preissenkung ermöglichen. Eine Preismarke unterhalb von 20.000 Euro für die großen Gespanne wäre damit zumindest denkbar – und wohl sehr willkommen.
Hinweis aus Fernost: Die Neo 500
Und die Verbindung von Ural und Hardware aus China besteht bereits: Die neue Ural Neo 500 ist vollständig in China gefertigt und eigentlich eine Yingang, die zur Ural wird. Mit einem wassergekühlten Twin mit 500 Kubik und 35 PS aus einem Zonsen-Motor als Nachbau eines Honda-Twins bildet die Neo 500 den Brückenkopf für die Spekulation des China-Boxers im Ural-Gespann. In diesem Kontext erscheint die Idee, für das klassische Modell einen Antrieb von außen zu beziehen, nicht vollkommen an den Haaren herbeigezogen.
Technische Machbarkeit und offene Fragen
Technisch wäre ein Austauschmotor mit einem ähnlichen Layout umsetzbar. Der Grundaufbau bliebe erhalten, die Anforderungen an Einbaulage und Gewicht sind vergleichbar. Und durch die wahrscheinliche technische Nähe zwischen dem mutmaßlichen neuen Boxer aus China und dem Original von BMW dürfte der Endantrieb samt Beiwagen-Antrieb einfach zu lösen sein.
Ob der chinesische Boxer-Motor sich im Hinblick auf Leistung, Haltbarkeit, Wartung und Abgasnormen bewährt, müsste Ural allerdings erproben. Angesichts der zunehmend globalisierten Motorradproduktion erscheint diese Kombination jedenfalls plausibel.