Ein MOTORRAD-Kollege fasste die unterschiedlichen Charaktere von Honda CB 750 Hornet und Suzuki GSX-8 S jüngst (in MOTORRAD Ausgabe 15/2023) wie folgt zusammen: "Die Honda packt einen Sportmotor ins Tourenfahrwerk – das wirkt im Vergleich nicht so harmonisch wie der Tourenmotor im Sportfahrwerk der Suzuki." Auf heimischer Landstraße holte sich Letztere folglich den Testsieg beim Mittelklasse-Naked-Bike-Vergleich. Alles gesagt also? Mitnichten.
Im Rahmen des Alpen-Masters, dem größten Motorrad-Test in den Alpen, werden die Karten neu gemischt. Welche Stärken ein Motorrad ausspielen kann und welche Unzulänglichkeiten besonders negativ auffallen, hängt schließlich eng mit dem Einsatzgebiet zusammen. Stop-and-go-Kehren, geziert mit tiefen Bodenwellen und Rissen im Asphalt, dazwischen kurze steile An- oder Abstiege – das findet man nur auf wenigen Hausstrecken in Deutschland. So grandiose Panoramen aber eben auch selten bis nie, und deshalb zieht’s so viele von uns im Sommer in die Alpen. Nur fair, dass die Hornet hier ihre Revanche gegen die Suzuki GSX-8S bekommt.
Honda-Motor jubelt auf
Auf Honda CB 750 Hornet und Suzuki GSX-8S erklimmen wir die Passhöhe des Stilfser Jochs. Der erwähnt sportlich abgestimmte Reihentwin der Honda – mit 755 Kubikzentimetern Hubraum und V2-mäßigem 270-Grad-Hubzapfenversatz – erfreut zwischen den Spitzkehren ein ums andere Mal mit Drehfreude und Spritzigkeit. Dort, wo der konstruktiv sehr ähnliche, aber charakterlich vollkommen unterschiedliche Motor der GSX-8S die Segel streicht und vor dem nächsten Anbremsen noch einen Schaltvorgang fordert, jubelt der Honda-Motor fröhlich auf- und kräftig vorwärts. Belebt von so viel Sportsgeist genießt man auch den kernigen, aber nicht aufdringlichen Klang, mit dem sich die Honda ihrer Umgebung mitteilt.
Suzuki akustisch fast unbemerkt
Akustisch fast unbemerkt folgt die Suzuki. Ihr 776 Kubikzentimeter starker Motor hält sich in dieser Hinsicht zurück. Er lässt die Muskeln auf andere Weise spielen. Aus niedrigen Drehzahlen drückt er Bike und Biker so lässig voran, dass die Honda auf den ersten Metern nach der Kehrtwendung nicht mit der Suzuki mithalten kann. Während es im Kurbelgehäuse der Hornet noch rappelt und hart auf die Kette eingetreten wird, läuft der schwungmassereiche GSX-Motor längst rund und generiert fein dosierbaren Schub. Auch am Scheitelpunkt der 180-Grad-Ecken ist er im Vorteil.
Geschmeidig geht die GSX-8S bei niedriger Drehzahl vom Schiebe- in den Lastbetrieb über, wohingegen das starke Rucken der Hornet nur mit der (leichtgängigen) Kupplung geglättet werden kann.
Wer das Zusammenspiel von Kupplung, Gas und Hinterradbremse einmal beherrscht, findet anschließend schnell Freude daran, die handliche Hornet von einer Schräglage in die nächste zu werfen. Lenkimpuls, Gewichtsverlagerung oder auch nur der Blick in Richtung Scheitelpunkt – die Honda biegt all diesen Befehlen folgend fluffig leicht ab. In Schräglage angekommen lässt sie sich von Unebenheiten in der Fahrbahn allerdings leichter ablenken als die weniger handliche, dafür gelassener wirkende GSX-8S. Sie setzt der Agilität der Honda Spurtreue und satte Straßenlage entgegen. Sichere Führung am Vorderrad wird unterstützt vom gut gedämpften Fahrwerk (wie jenes der Hornet bis auf die Vorspannung des Federbeins nicht weiter einstellbar). So gelingen enge und weite Bögen mit der Suzi deutlich relaxter. Auf (fast) gleichen Reifen, Honda (Sonderspezifikation "L") und Suzuki ("X") haben jeweils den Dunlop Roadsport 2 als Erstbereifung für ihre Mid Nakeds gewählt.
CB 750 Hornet komfortabler, GSX-8S straffer
Eine Disziplin, in welcher der Hornet ihr eingangs erwähntes Tourenfahrwerk zugutekommt, ist der Fahrkomfort. Niedrige Federraten und softe Dämpfung an Gabel und Federbein absorbieren harte Schläge, kommen aber bei Beladung oder im Zwei-Personen-Betrieb schneller an ihre Grenzen als die straffere und härtere Hardware der GSX-8S. Jene geht einen anderen Weg, ist auf ihre eigene Weise um Komfort bemüht. Nämlich durch eine im Vergleich zur Hornet etwas entspanntere Sitzposition mit offenerem Kniewinkel. Wo sich jedoch beide einig sind: Komfort-Features wie Windschild oder Griffheizung braucht ein erschwingliches Mittelklasse-Naked-Bike nicht. Wer das anders sieht, wird im Zubehör fündig.
Fahrdynamisch relevante Assistenzsysteme
Fahrdynamisch relevante Assistenzsysteme bringen Hornet und GSX-8S dagegen schon ab Werk mit, wenn auch in beiden Fällen nicht schräglagenabhängig. Einstellbare Traktionskontrollen und verschiedene Mappings sind an Bord (das Ansprechverhalten der Honda bleibt aber auch in der softesten Einstellung etwas zu hart). Zwischen den einzelnen Einstellungen zu wählen, fällt im gut strukturierten Menü der Suzuki leichter, ihr TFT-Display lässt sich zudem besser ablesen als jenes der Honda, bei der etwa die Wahl des Motormappings viel Aufmerksamkeit von der Straße aufs Display lenkt.
Bremsen: klarerer Druckpunkt, kräftiger Biss
Ohne verschiedene Modi kommen die Antiblockiersysteme aus. Bei den Bremsmessungen zu zweit bergab geben ihre Abstimmungen trotzdem keinen Grund zur Beschwerde. Bevor Hornet oder GSX-8S zum Stoppie ansetzen, greifen sie zuverlässig ein. Weil die Gabel der Honda beim Bremsen bergab rasch tief abtaucht, fällt ihr Bremsweg etwas länger aus als jener der Suzuki. Die Anker selbst bleiben übrigens in beiden Fällen von der Dauerbelastung einer Passabfahrt unbeeindruckt. Mit klarerem Druckpunkt und kräftigerem Initialbiss liegt die Suzuki-Bremse nach Punkten leicht vorn.
Honda mit weniger Verbrauch und größerem Tank
Die Testrunde in den Alpen neigt sich dem Ende. Letzte Punkte werden wie immer an der Zapfsäule vergeben. Einen Hauch sparsamer und zusätzlich mit größerem Tank ausgestattet, sichert sich die Honda den Reichweitensieg gegen die Suzuki. Doch es reicht trotzdem nicht, um den Spieß noch umzudrehen. Zu stark performt die GSX-8S in Sachen Motorabstimmung und Fahrwerksqualität. Dass die Hornet leichter, stärker und günstiger ist, kann sie auch bei der Revanche am Pass nicht ausnutzen. Glückwunsch, Suzuki, das Double ist geschafft!
Suzuki GSX-8S (2023) | Honda CB 750 Hornet (2023) | |
Motor | 2, Reihenmotor | 2, Reihenmotor |
Leistung | 61,0 kW / 83,0 PS bei 8.500 U/min | 67,0 kW / 91,0 PS bei 9.500 U/min |
Hubraum | 776 cm³ | 755 cm³ |
Leergewicht vollgetankt | 202 kg | |
Sitzhöhe | 810 mm | 795 mm |
Grundpreis | 8.900 € | 7.400 € |