Gebrauchtberatung Kawasaki KLR 650 (Tengai)

Gebrauchtberatung Kawasaki KLR 650 (Tengai)
Fernweh

Zuletzt aktualisiert am 17.07.1997

Als Honda mit der vollverschalten Transalp ganz auf Fernreise setzte, wollte Kawasaki nicht nachstehen und kreierte die Tengai: »Weites Land hinter dem entfernten Horizont«, so läßt sich der Name übersetzen. Hatte die Vorgängerin noch ganz profan KLR 650 geheißen und zumindestens mit ihrer Erscheinung an Kurzeinsätze im Gelände erinnert, kam die Tengai 1989 im Fernreise-Gewand daher. Eine große, rahmenfeste Verkleidung in Verbindung mit einem höher gezogenen Motorschutz, deutlich reduzierte Federwege und damit korrespondierend eine 50 Millimeter geringere Sitzhöhe sollte eine ganz andere Klientel animieren als das bisherige KLR-Publikum. Zusammen mit dem von der KLR übernommenen 23-Liter-Tank und dem explosiven Doppelnocken-Einzylinder versprach das neue Modell gute Reisequalitäten auf allen geteerten Straßen der Welt.
Touris, sofern sie nicht zu den ganz Großgewachsenen gehörten, nahmen die Alternative willig an und fuhren künftig auf dem Tengai-Single mit einem Aktionsradius von 400 Kilometern mit Gepäck und Begleiter hinter den Horizont. Dem Fahrwerk hatte Kawasaki die Tourenqualitäten mit einem neuen Stoßdämpfer mit kürzerer Kolbenstange und ebenfalls kürzeren Gabelstandrohren vorn anerzogen. Mit den vorn und hinten um rund 30 Millimeter gekappten Federwegen wurde der Kontakt zur Straße direkter, und das tiefe Eintauchen beim Abbremsen der alten KLR 650 war passé. Die Geradeauslauf-Eigenschaften sind für eine Straßenenduro erstaunlich.
Der wassergekühlte Einzylinder-Motor war gleich geblieben. Das bedeutet zufriedenstellender Antritt ab 3000/min und kerniges Ausdrehen bis an die 7000er Marke. Im ersten Jahr war die Motorleistung noch wie beim Vorgängermodell mit 48 PS angegeben. Aufgrund strengerer Geräuschlimits wurden der Tengai durch Änderungen am Vergaser und der Auspuffanlage nur noch 41 PS bescheinigt. In der Praxis allerdings war die Differenz wesentlich geringer, das Gros der Motoren leistet knapp 43 PS.
Im Langstreckentest der KLR 650 (MOTORRAD 13/1988) wußte das Doppelnocken-Triebwerk durchaus zu überzeugen. Anfangs reißende Ketten für die beiden Ausgleichswellen bekam Kawasaki in den Griff. Ebenso Risse in der Membran, die den Vergaser schon mal an Atemnot leiden ließen. Laufspuren am Pleuelauge, am Kolbenmantel und -bolzen nach 40 000 Kilometern zeigten aber, daß der Motor immer sorgfältig warmgefahren werden muß, bis ihm die volle Leistung abverlangt werden kann. Ansonsten im Ölverbrauch zurückhaltend, offenbart sich der Einzylinder bei Autobahnheizerei schon mal als Schluckspecht. Laufzeiten von 60000 Kilometern und mehr sind kein Problem, bis die ersten Überholungsarbeiten wie Übermaßkolben plus Zylinderschliff, eventuell neue Lager und Ventile anfallen.
Problemlos nach anfänglichen Mängeln ist auch die Elektrik - mit einer Ausnahme: Nach wie vor reagiert der seilzugbetätigte Schalter am Seitenständer sehr empfindlich auf Nässe. Im Falle eines Falles hilft nur Kurzschließen, anschließende Demontage und penibles Schmieren. Und noch was zum Thema Nässe: Durch Kondenswasser im Inneren und Feuchtigkeit von außen setzt Rost der kompletten Auspuffanlage, speziell dem Topf, kräftig zu.
Fahrer, die mit Sozius und viel Gepäck verreisen, klagen häufig über ein immer weicher werdendes Federbein hinten und eine zu weiche Vorderradgabel. Für den ausschließlichen Straßenbetrieb genügt zur Beruhigung hektischer Gabelbewegung, die Holme statt mit vorgegebenen 320 cm³ mit rund 400 cm³ Gabelöl mit der Viskosität zehn zu befüllen, anstatt die nicht verbundenen Luftpolster in den Holmen umständlich einzeln unter Druck zu setzen. Wenn das hintere Federbein wirklich zu schnell auf Block geht, reicht oft ein Austausch der serienmäßigen Feder gegen eine von White Power (zirka 180 Mark). Ein kompletter Tausch des gesamten Feder/Dämpfungselements ist nur nötig, wenn das Serienfederbein an Öl- und Dämpfungsverlust leidet.
Leider gibt es für die Kettenpflege keinen serienmäßigen Hauptständer. Und auch kein Nachrüstteil, das von Five Stars für die KLR 650 angebotene ist für die Tengai zu lang. Vielen Tengai-Besitzern mißfällt außerdem der Plastikschutz der vorderen Scheibenbremse. Da der Stopper außerdem bei Paßabfahrten durch den Hitzestau schneller zum Fading neigt, wird die Verkleidung ersatzlos demontiert.
Wer seine Tengai über das ganze Jahr bewegt, wird bei Startschwierigkeiten schon häufiger den Kickstarter der KLR 600 oder des Nachfolgemodells KLX 650 herbeigesehnt haben: Der paßt ohne Probleme an die vorhandene Starterwelle.
Die Tengai wurde von 1989 bis 1992 hierzulande angeboten. Dann wurde sie von der viel geländegängigeren, sportiveren KLX 650 abgelöst, die allerdings wegen diverser Motorschäden bald wieder vom Markt verschwand.
Und 1995 war sie wieder da: die KLR 650, allerdings mit kleinem 14-Liter-Tank, modernerem Design und ohne ihren schmückenden Beinamen. Die große Verkleidung und ein Drehzahlmesser fehlen, der überarbeitete Motor geht in Sachen Drehzahlfreude mit einem anderen Vergaser wesentlich gehemmter zu Sache.
Deutlich über 5000 Mark kostet eine Tengai nur, wenn die Laufleistung deutlich unter 40000 Kilometern liegt. Doch als reisetaugliche maschine hat sie oft mehr Kilometer hinter sich. Dann liegt der Preis je nach Zustand von Motor (Ölverbrauch?) und Fahrwerk zwischen 3500 und 4500 Mark ein.

Lesererfahrungen

Der kernige Antritt des Einzylinders hat es den Besitzern angetan. Kleine Macken, wie ein spinnender Unterbrecher-Schalter oder größerer Öldurst, werden gern verschmerzt. Reisende soll man nicht aufhalten.

Meine erste Tengai kaufte ich im Februar 1992 neu in der Kiste und baute sie selbst zusammen. Mitte Juli wechselte sie auf einer Englandreise unfreiwillig über Nacht den Besitzer. Die zweite, 1993 gebraucht gekaufte hatte 12 000 Kilometer auf dem Buckel. Die Bereifung wurde für eine Schottertour in Italien und Frankreich auf Michelin T 61/63 umgestellt. Sie hatte im Gelände passable Haftung, auf der Straße allerdings war das Profil nach 3000 Kilometern hinüber. Als Allrounder entpuppte sich der Metzeler Enduro 3, Laufleistung etwa 6500 Kilometer. Die zweite Tengai hatte einen selbstgebauten Alu-Motorschutz und einen Sebring-Endtopf, mit dem der Motor obenraus freier drehte. Motorseitig hatte ich keinerlei Probleme, außer nach längerer Standzeit beim Starten.Werner Sailer, EichstegenIch habe meine KLR 650 in der US-Ausführung 1991 mit 48 000 Kilometern gekauft und sowohl mit 27 und 48 PS gefahren. Gleichmäßige Leistungsentfaltung. Startverhalten immer gut. Motor: hohe Laufleistung (Überholung bei 85 000, zuletzt bei 115 000 Kilometern). Auspuff: noch der erste, zwitschert allerdings nicht nur bei meiner KLR wie ein Vogelschwarm. Einziges Ärgernis: Wackelkontakt des Killschalters an Kupplung und Seitenständer. Abhilfe: kurzschließen. Beim Kupplungsschalter hilft kurzfristig das Zerlegen. Nach ständig abnehmender Ladeleistung ist die Lichtmaschine vollständig ausgefallen. Darauf habe ich mir eine gut erhaltene KLR 650 A mit deutlich geringerem Kilometerstand zugelegt.Frank Renner, FrankfurtDie Tengai war Liebe auf den ersten Blick. Noch bevor ich meinen Führerschein erworben hatte, (Oktober 1994), machte ich mich auf die Suche nach ihr. Eine Woche später stand mein Traummotorrad, Baujahr 1992, aus erster Hand, 5200 Kilometer gelaufen und extra für mich auf 27 PS gedrosselt, in meiner Garage. Mittlerweile sind 48 000 Kilometer auf dem Tacho . Mit Metzeler Enduro 4 läßt das Fahrwerk kaum Wünsche offen, allerdings ist das Federbein im Soziusbetrieb selbst bei härtester Einstellung eindeutig überlastet. Entweder geht die Feder auf Block, oder die Maschine setzt mit dem zusätzlich montierten Hauptständer auf. In den zweieinhalb Jahren hatte ich keine größeren Probleme. Lästig ist allerdings, daß der Sicherheitsschalter des Seitenständers immer wieder Ärger macht. Der Scheinwerfer ist nur eine trübe Funzel, und viele Schrauben sind minderwertig und nach kurzer Zeit vermurkst.Uwe Würtz, BurscheidMeine Tengai habe ich 1994 mit 12 000 Kilometern gekauft. Heute sind es 36 500. Bis auf einen Wackelkontakt im Killschalter gab es bisher keine technischen Probleme. Die Originalreifen Dunlop Trailmax habe ich durch Metzeler Enduro 1 vorn und 2 hinten ersetzt. Damit erreiche ich eine etwa 40prozentig höhere Laufleistung. Mit zwei Personen und Gepäck stößt das Fahrwerk schnell an seine Grenzen. Die Gabel wird schwammig und das Hinterrad schlägt häufig mal durch. Die schmale und kurze Sitzbank zwingt häufig zu Pausen. Der Motor gibt unter 3000 Touren nur unter wildem Protest Leistung ab. Richtig Schub hat er erst ab 5500/min. Bei längerer Autobahnfahrt macht sich Ölkonsum bemerkbar.Steffen Krauth, Inzlingen Nach 5 000 Kilometern war der Simmerring am Getriebeausgang undicht. Bei 16 000 Kilometern wurde das total weiche Federbein gegen Kulanz (250 Mark) ausgetauscht, bei 28500 Kilometern habe ich dann für 160 Mark eine White Power-Feder einsetzen lassen. Damit bin ich bis jetzt (39 000 Kilometer) sehr zufrieden. Positiv ist die Reichweite des 23-Liter-Tanks, der allerdings kaum leerzufahren ist, weil eine Verbindung der beiden Tankhälften fehlt.Stefan Wagner, KarlsruheMit meiner Tengai, 1996 mit 16 000 Kilometern gekauft, habe ich jetzt fast problemlos 38 600 Kilometer erreicht. Ich bezahlte 5400 Mark dafür, eine Inspektion, neue Reifen, Bremsbeläge und frischer Kettenkit inklusive. Des weiteren spendierte ich ihr sicherheitshalber einen Kickstarter, da ich täglich auch im Winter bei jeder Temperatur zur Schule fahre und batterieunabhängig sein wollte. Der Kickstarter der KLR 600/KLX 650 paßt ohne Änderungen. Die Nachrüstung war spätestens dann sinnvoll, als der Anlasserschalter seinen Geist aufgab. Ein Ersatz kostet saftige 189 Mark.Olav Otto, Buchholz

Technische Daten

Kawasaki KLR 650 (Tengai)Technische DatenMotorWassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, zwei obenliegende zahnkettengetriebene Nockenwellen, vier über Tassenstößel betätigte Ventile, rollengelagerte Kurbelwelle,zwei Ausgleichswellen, kontaktlose Zündanlage mit elektronischer Zündverstellung, Keihin-Gleichdruckvergaser, 0 40 mm, Drehstromlichtmaschine 160 Watt, Batterie 12V/14 Ah, E-Starter.Bohrung x Hub 100 x 83 mmHubraum 652 cm3Verdichtungsverhältnis 9,5 : 1Nennleistung 48 PS (35 kW) bei 6500/minMax. Drehmoment 5,6 kpm (55 Nm) bei 5500/minKraftübertragungPrimärantrieb über Zahnräder, Mehrscheibenkupplung im Ölbad, klauengeschaltetes Fünfganggetriebe, Sekundärantrieb über O-Ring-Kette.FahrwerkEinschleifen-Stahlrohrrahmen, Telegabel luftunterstützt, Lenkkopf kegelrollengelagert, Standrohrdurchmesser 38 mm, Hinterradschwinge nadelgelagert, Zentralfederbein hinten, Federbasis und Zugstufendampfung verstellbar, Scheibenbremse mit Doppelkolbensattel vorn, 280 mm, Scheibenbremse mit Einkolbensattel hinten, 0 230 mm, Speichenräder.Federweg vorn/hinten 220/200 mmFelgengrößevorn 1.60 x 21hinten 2.50 x 17 Reifengrößevorn 90/90 - 21hinten 130/80 - 17Maße und GewichteLenkkopfwinkel 62 GradNachlauf 113 mmLänge 2220 mmRadstand 1480 mmSitzhöhe 860 mmLenkerbreite 830 mmTankinhalt/Reserve 23/3 LiterGewicht vollgetankt 191 kgZul. Gesamtgewicht 365 kgService DatenService-Intervalle alle 5 000 kmÖlwechsel mit Filter alle 10 000 kmMotoröl SAE 10W 40Füllmengemit/ohne Filter 2,5/2,2 LiterZündkerzen NGK DPR 8 EA 9Telegabelöl SAE 10 W 20Füllmenge je Holm 320 cm3Ventilspiel kalt Einlaß 0,10 bis 0,20 mm Auslaß 0,15 bis 0,25 mm TestwerteHöchstgeschwindigkeit solo/mit Sozius 155/140 km/hBeschleunigung 0-100 km/h solo/mit Sozius 5,9/7,2 sekVerbrauch 5,5 LiterKraftstoff Normal bleifrei Ersatzteil-PreiseSturzteileKupplungs-Armatur 74 MarkHandbremsarmatur 364 MarkLenker 97 MarkRückspiegel 72 MarkBlinker vorn 55 MarkTachometer 259 MarkDrehzahlmesser 308 MarkGabelstandrohr 215 MarkSchutzblech vorn 169 MarkVorderrad 754 MarkSchalldämpfer 687 MarkTank, lackiert 895 MarkRahmen komplett 1838 Mark Verkleidung komplett 1218 MarkVerschleißteileKettenkit 238 MarkBremsbeläge vorn und hinten 113 MarkKupplungsreibscheiben,ein Satz 113 MarkBremsscheibe vorn 450 MarkLuftfilter 25 MarkÖlfilter 7 Mark Stärken und SchwächenStärkenExplosiver, durchzugskräftiger MotorHervorragende KursstabilitätGroßer AktionsradiusSchwächenSicherheitsschalter (für Seitenständer) anfälligFederbein im Zweipersonenbetrieb zu weichZu knapper Soziusplatz Test in MOTORRAD1Test (KLR 650) 4/1987Test (Tengai) 4/1989Vergleichstest 8/1989Vergleichstest 22/1991Test (KLR 650) 2/1995 Reifenfreigaben Typ KL 650 B1vorn hintenKeine Markenbindung bei der ReifenwahlFußnoten:1Tests können beim Verlag bestellt werden, Telefon siehe Kasten auf Seite xxx.