Wenn es ein Motorrad in der großen BMW-Range gibt, das zwei scheinbar unvereinbare Welten zu vereinen sucht, dann heißt das in jüngster Zeit nicht etwa GS oder RS sondern XR, genauer S 1000 XR. Ein agressiver und grenzstarker Reihen-Screamer mit maximal rückenschonender Ergonomie.
Wer zwei ähnlich gelagerte Herzen in der Brust, aber dafür etwas weniger Mut und oder Geld im Portemonnaie trägt, kann jetzt auch eine Etage tiefer einsteigen. Parallel zur F 900 R bieten die Bajuvaren nun auch eine hochgelegte Version mit dem neuen Zweizylinder feil. Die Hardware ist weitestgehend identisch, das heißt dank zwei Millimeter mehr Bohrung 895 sehr lebhafte Kubikzentimeter Hubraum, ein steifer Brückenrahmen sowie zeitgemäße Elektronik-Ausstattung. Nur das Outfit sowie die Schuhmode wurden kräftig angepasst. In Motorradbegriffe übersetzt gibt es also nun eine schnittige Frontmaske samt Windschild sowie erhöhte Federwege, außerdem eine weniger sportliche und damit vielseitigere Erstbereifung (Michelin Road 5 GT statt Bridgestone S21).
Lässt sich mühelos per Fingerzeig dirigieren
Genau wie bei der großen Schwester S 1000 XR hat das Wort "Gelände" bei diesen Maßnahmen keine Rolle im Hintergrund besetzt. Viel mehr soll die nun durchaus sportliche DNA der neuen 900er-Reihe vielseitiger und damit noch einfacher nutzbar gemacht werden. Dazu passt das genretypisch in allen Dimensionen leicht entschärfte Sitzdreieck der F 900 XR .

Reisen und Rasen in Harmonie vereint, also. Und Rasen ist hier bei Bedarf konzeptgemäß keineswegs die falsche Vokabel. Die kompakte BMW F 900 XR lässt sich wieselflink von einer Ecke in die anderen werfen, mühelos per Fingerzeig dirigieren und wie mittlerweile gewohnt dank Hubzapfenversatz mit V2-Feeling aber nun deutlich stärker aus den Ecken feuern. Die kräftige Adrenalinspritze in die bei 750/850 GS noch fast müde wirkenden Brennräume ist zweifellos die nachhaltigste Maßnahme der neuen 900er-Architektur. Der höchst kultiviert laufende Twin bietet zwar nicht ganz den Tiefenpunch einer Multistrada 950 und auch nicht die schiere Drehzahlgewalt einer Tracer 900, schlecht angezogen fühlt man sich mit ihm aber nie.
BMW F 900 XR mit Dynamic-ESA-Fahrwerk
Nie unpassend agiert auch das Fahrwerk, wobei die Testmaschine mit dem aufpreispflichtigen E-Fahrwerk "Dynamic-ESA" ausgestattet war. Dieses regelt zwar nur am Federbein und auch nur in der Zugstufendämpfung, findet aber einen guten Kompromiss aus Straffheit und Komfort. Wer es ernster meint, schaltet von "Road" auf "Dynamic". Wer es noch ernster meint wildert wahrscheinlich eh in falschen Gefilden.
Ordentliche Serienausstattung
Apropos Aufpreis: Davon gibt es markentypisch natürlich einige, wenn auch das Serienpaket durchaus zeitgemäß geschnürt ist. LED-Beleuchtung rundum, das brillante und aus anderen Modellen bekannte TFT-Cockpit und ein Basis-ABS sowie eine Basis-Traktionskontrolle sind immer an Bord. All das in schräglagensensitiv – sprich Kurvenlicht, -ABS und-Traktionskontrolle – kostet extra und findet sich gebündelt in geschickt gepackte Pakete, die irgendwie immer zur Vollausstattung führen. Da bleiben die Münchener ihrer Linie treu. Die beinhaltet allerdings auch einen nicht allzu teuren Einstieg, wenn man denn den Versuchungen beim Kreuzchen machen widersteht. Und zum Beispiel die genannte Ducati Multistrada 950 zum Vergleich heranzieht. Dann müssen ab sofort 11.400 Euro gen München überwiesen werden.
Friede, Freude, Freistaat? Fast. Das Getriebe ist kurz, knackig aber auch knochig und die Sache mit dem (natürlich optionalen) Schaltassistent hat man in Bayern bei weniger als vier Zylindern immer noch nicht ganz raus. Da ruckelt es gern mal mehr als gewünscht. Nicht schlecht für den Einstand.