Bei aller Technik gibt es zunächst auch ein bisschen konventionelle Modellpflege: Verkleidung und Lack der Yamaha Tracer 9 wurden aufgehübscht, wie gehabt gibt es das Signature-Design "Icon Performance" im Stile der hauseigenen SP-Modelle sowie eine etwas gediegenere Option in "Cobalt Blue". Dazu kommen neu gestaltete und jetzt größere Sitzflächen für Pilot und Begleitung sowie ein neues Fußrasten- und Lenkerarrangement.
Elektrisch einstellbarer Windschild
Der bekannte Grundeindruck der Yamaha Tracer 9 bleibt: Versammelt, kompakt und trotzdem komfortabel, zwickfrei bei 180 Zentimeter Körperlänge. Bei dieser Körpergröße ist der Windschutz des vergrößerten und nun um 100 Millimeter elektrisch
einstellbaren Windschilds nahezu perfekt. Nur die obersten Zentimeter des Helms hängen noch im direkten Fahrtwind. Leichter geworden sind die Aluminium-Felgen, welche im Yamaha-eigenen Spin-Forge-Verfahren gegossen worden sind; gleiches gilt für die überarbeiteten Bridgestone T32 mit Sonderkennung.232 Kilo wiegt die neue Yamaha Tracer 9 GT+. Inklusive Koffer und allen Flüssigkeiten sind das fast 10 Kilo mehr als bisher, aber im Segment ist der Sporttourer damit immer noch moderat unterwegs.
Yamaha Tracer 9 GT+ mit Matrix-LED-Scheinwerfer
Das Fokus-Thema der neuen Tracer 9 GT+ ist eindeutig: Technologie. Augenscheinlichste Neuerung sind die neuen Matrix-LED-Scheinwerfer, eine echte Weltpremiere im Zweiradsektor. Die über 20 LED-Einheiten können mithilfe einer Infrarot-Kamera das Umfeld adaptiv, maximal effektiv und minimal blendend illuminieren, und zwar bis zu 175 Meter weit.
Tracer 9 mit automatisiertem Getriebe Y-AMT
Die nächste Neuerung ist das automatisierte Getriebe Y-AMT. Von MT-07/09 schon bekannt, übernehmen hier zwei Stellmotoren die Arbeit von Kupplungs- und Getriebebetätigung, auf Wunsch vollautomatisch oder mit manueller Gangwahl per Schalterwippe am linken Lenkerende. Der neueste Quickshifter und sogar blitzschnelle Anpassungen des semiaktiven Fahrwerks sollen dabei immer für sanfte Schaltvorgänge sorgen.
Der Schaltvorgang ist bei der Yamaha Tracer 9 GT+ mechanisch jederzeit fühlbar, aber abseits eines deutlichen Schaltschlags beim Wechsel von Leerlauf zum ersten Gang tatsächlich angenehm smooth, ob nun manuell oder automatisch getätigt. Letzteres funktioniert gut, aber noch nicht perfekt. Beim Runterschalten trifft das Getriebe die Schaltpunkte ziemlich intuitiv und verrichtet die Arbeit meist punktgenau. Nur mit dem Hochschalten lässt es sich beim Cruisen gern mal ein bisschen zu viel Zeit, gern auch nachdem man spontan (zum Beispiel fürs Überholen) viel Kraft abgerufen und damit ein schnelles Runterschalten ausgelöst hat.
Der sportlichere der beiden Automatikmodi (D+) lindert, aber verhindert das nicht. Kann man natürlich durch manuelle Befehle jederzeit per Fingerwippe kurieren. Zumindest, wenn genug Drehzahl für den jeweiligen Gang anliegt. Unterhalb von ca. 60 km/h mag die Yamaha Tracer 9 GT+ den vierten Gang beispielsweise partout nicht freigeben. Lifehack: manuell geschaltet gelten solche Grenzen nicht. Dennoch: Es ist durchaus angenehm, die Möglichkeit zu haben, sich nicht immer aktiv um die Gangwahl kümmern zu müssen. Fernab fahrdynamischer Sonder-Herausforderungen wie Spitzkehren und Ähnlichem funktioniert das System gut und ist in jedem Fall ein echter Seelenbalsam.
Radarbasierte Assistenzsysteme mit erweiterten Funktionen
Letztes großes Technik-Update sind die erweiterten Funktionen der radarbasierten Assistenzsysteme. Der adaptive Tempomat der Yamaha Tracer 9 GT+ kann jetzt selbstständig schalten, die vorausgehende Fahrtstrecke noch besser erfassen und so innerhalb eines möglichen Geschwindigkeitsbereichs von 30 bis 160 km/h bei nicht zu anspruchsvollem Streckenprofil fast schon teilautonome Fahrten inner- und außerorts erlauben, bei denen man quasi nur noch lenken muss.
Neu sind auch ein Kollisionswarnsystem und eine Totwinkel-Überwachung. Erstere kann dank des überarbeiteten Kombibremssystems selbstständig den vom Fahrer gewählten Bremsdruck erhöhen, wenn dieser zur Vermeidung eines Aufpralls nicht ausreichen sollte. Ein paar Eskalationsstufen vorher kann es entweder warnend eine Serie von fühlbaren, aber nicht folgereichen Mini-Bremsimpulsen setzen oder erst einmal mahnend eine großflächige Warnung im Display ausgeben. Die aktiven Bremseingriffe ließen sich auf der Testfahrt allerdings nicht aktiv erspüren. Hier wird ein ausführlicher Test mehr Klarheit bringen. Wichtig: Zum vollständigen Halt kann dieses System das Motorrad nicht bringen.
Yamaha Tracer 9 GT+ mit Fahrzeughaltefunktion
Apropos Halt: Die Fahrzeughaltefunktion fixiert das Motorrad zuverlässig und fast unmerklich, wenn man mal an einer Steigung bzw. an einem Gefälle stoppen oder anfahren muss. Ein leichter Dreh am Gas und man rollt sanft wieder weiter. Funktioniert richtig gut und unauffällig.
Doch es gibt noch ein paar weitere (kleine) digitale Neuheiten. Mit einem schlüssellosen Zugangssystem samt Zentralverriegelung für die serienmäßigen 30 Liter-Koffer (ein Integralhelm passt rein) und optionale Topcases, neuen und hinterleuchteten Schaltereinheiten sowie sich automatisch rückstellenden Blinkern wurde die Benutzbarkeit der hochtechnisierten Yamaha Tracer 9 GT+ spürbar feingeschliffen. Nicht zwingend notwendig, aber angenehm.
Gegen neue Sicherheitsfeatures wie eine Reifendruckkontrolle im großen 7-Zoll-Display oder die Notbrems-Warnfunktion der Blinker kann man ja auch nicht wirklich was haben. Genauso verhält es sich mit der deutlich wartungsärmeren und langlebigeren, DLC-beschichtete Antriebskette. Kein (schwerer) Kardan, aber trotzdem schön touren und tourerfreundlich.
Dreizylinder: wütend röhrend, geschmeidig laufend
Wenig geändert hat sich an den beiden Kernkompetenzen der Yamaha Tracer 9 GT+. Der famose, ebenso wütend röhrende wie geschmeidig laufende 890er-Dreizylinder drückt die große Yamaha jederzeit mühelos, elegant und vergleichsweise sparsam (unter 5 Liter Durchschnittsverbrauch auf über 300 Kilometer sehr flotter Testrunde) nach vorn. Hier gilt es nur, das schärfste Motormapping (Stufe 1 bzw. Fahrmodus Sport) behutsam einzusetzen. Auch dann geht der Triple zwar noch weich, aber dafür wirklich feurig scharf ans Gas. Die restlichen Mappings sind sehr brauchbar im Alltag und wie immer Geschmacks- beziehungsweise Witterungssache.
Semiaktives Fahrwerk von Kayaba
Und dann gibt es natürlich noch das semiaktive Fahrwerk von Kayaba, das ähnlich souverän und geschmeidig arbeitet wie der Motor der Yamaha Tracer 9 GT+. Es hat einen angenehm verbindlichen Grundcharakter, spricht nie unangenehm forsch auf Straßenunbill an und schwebt im zweiten Semiaktiv-Modus A-2 erhaben über den Asphalt. A-1 ist deutlich knackiger, immer noch praktikabel, aber in den allerwenigsten Fällen wirklich nötig.
Die Spreizung der beiden fixen Settings C-1 und C-2 ist härtetechnisch vergleichbar, aber in beiden Fällen fehlt einiges der erwähnten Eleganz beim Fahrwerken. Kleine Unebenheiten werden hier deutlich transparenter durchgereicht. Das Handling ist vertrauenerweckend stabil und immer noch Tracer-typisch agil. Die fast schon nervöse Beweglichkeit der frühen Modellreihen fehlt mittlerweile glücklicherweise komplett.
Yamaha Tracer 9 GT+ ab 16.049 Euro
Günstig ist das Ganze erwartungsgemäß nicht: 19.249 Euro (inklusive Nebenkosten) muss einem das Technikfeuerwerk der Yamaha Tracer 9 GT+ schon wert sein. Oder man verzichtet im Wesentlichen auf die Radartechnik und das automatisierte Getriebe, dann sind es "nur" noch 16.049 Euro. Beide Tracer 9-Modelle sind ab Juni 2025 im Handel verfügbar.