LiveWire S2 Alpinista - zu wenig Reichweite

Exklusiv – So fährt die LiveWire S 2 Alpinista
Fahrspaß sucht Reichweite

Veröffentlicht am 29.01.2025

Nach den Varianten"Del Mar" und"Mulholland" stellt LiveWire zu Jahresbeginn die dritte Variante der S2 vor: die S2 Alpinista. Ein verheißungsvoller Name, wer bei ihm aber wie der Autor an eine Elektro-Reiseenduro denkt, der wird überrascht. Die Alpinista ist nicht aufs Reisen ausgelegt, was schon angesichts ihrer realen Reichweite und Ladedauer sinnvoll erscheint.

Dafür setzt sie mit 17-Zoll-Rädern, sportlicher Bereifung und auf 320 Millimeter Durchmesser gewachsener Bremsscheibe voll auf Fahrdynamik. Alpine Gebiete erschließt sie folglich in Form von Passstraßen wie dem Col de L’Espigoulier im Süden Frankreichs. Hier fühlen wir der jüngsten LiveWire erstmals auf den Zahn.

Sportliches Design

Auf dem Wanderparkplatz am Fuß des Berges macht die S2 Alpinista schon im Stand eine adrette Figur. Die Silhouette mit in die flache"Tank"-Verkleidung übergehender Sitzbank übernimmt sie von der Schwester Del Mar, kombiniert sie mit einem modern-klassischen LED-Scheinwerfer und ab Werk nach unten stehenden Lenkerendenspiegeln.

Zusammen mit den 17-Zöllern formt sich ein sportlich anmutendes Naked Bike, das sich dank moderater Sitzhöhe (800 mm) und von der MOTORRAD-Waage bestätigten 197 Kilogramm angenehm leicht rangieren lässt.

Der 10,5-kWh-Akku, der mittragend ins Chassis integriert wurde, ermöglicht einen schmalen Knieschluss, bietet allerdings keine klaren Kontaktpunkte für die Schenkel. Der Kniewinkel bleibt moderat, dafür streckt die Alpinista den Oberkörper des Fahrers deutlich in Richtung Vorderrad.

Ergonomisch eine Mischung aus Chopper und Naked Bike mit Tendenz zu Letzterem.

Motor mit Elektro-Punch

Per Druck auf den Starterknopf wechselt der Synchronmotor der Alpinista in den Bereitschaftsmodus. Davon spürt man nichts, erst der Blick ins runde TFT-Cockpit oder ein zaghafter Dreh am Gasgriff verraten, dass es losgehen kann.

Mit 84 PS Spitzenleistung scheint die S2 auf den ersten Blick nicht übermäßig stark, wie bei Elektrobikes üblich gibt’s aber massenhaft Drehmoment (234 Nm), und das liegt unabhängig von der Drehzahl IMMER an. Zumindest wenn man den Sport-Fahrmodus auswählt. Neben ihm stehen noch ein Straßen-, ein Regen- und ein Eco-Modus zur Verfügung.

Allen gemein ist, dass das Gasanlegen supersmooth gelingt und das Drehmoment nicht nur flüsterleise, sondern auch ohne Lastwechselruck ans Hinterrad übertragen wird.

Dreht man am Kurvenausgang den Quirl weiter, geht’s so rasant vorwärts, dass man besonders beim Sprint aus engen Ecken kaum einen Gegner fürchten muss. Erst ab rund 120 km/h beschleunigt die LiveWire spürbar zäher, was im normalen Landstraßen- oder Passbetrieb nicht ins Gewicht fällt.

Präzises Handling

Dafür rückt das präzise und neutrale Handling in den Fokus. Toll, wie die Alpinista auf Dunlop Sportmax Roadsport IV-Reifen in Schräglage fällt und bis zum Schleifen der Fußrasten die anvisierte Linie hält.

Dank sportlicher Ergonomie und viel Last auf der Front gibt das Bike ein gutes Feeling in Kurven und ordentliches Feedback. Und das, obwohl die Federelemente vorne wie hinten nicht mit Feinfühligkeit aufwarten können. Die voll einstellbare Gabel spricht mittelmäßig an und kann beim harten Bremsen bergab schon mal auf Block gehen.

Das Federbein schickt harte Schläge derweil ohne Kommentar weiter in den straffen Sitz. Man darf, wie von einer Harley, äh, LiveWire gewohnt, nicht allzu viel Fahrkomfort erwarten. Übrigens: LiveWire ist zwar offiziell eigenständig, auf dem Elektromotor der S2 Alpinista prangt aber trotzdem noch der Schriftzug"Harley-Davidson Motor Company".

Feiner als die Federelemente präsentiert sich die Einscheibenbremse, bestückt mit 320-Millimeter-Scheibe und Brembo M4-Sattel. Sie stoppt die Fuhre mit angemessenem Biss und zeigt sich auch bei der Passabfahrt standfest.

Schön auch, dass im Sport-Modus das schräglagensensible ABS nicht zu früh eingreift und Spätbremsen zur Freude wird.

Elektronik auf hohem Niveau

Wie das ABS agiert auch die Traktionskontrolle schräglagensensibel – und auch sie bremst den Fahrer im Sport-Modus kaum ein. Im Regen-Setting sind die Assistenten in erhöhter Alarmbereitschaft, außerdem setzt die LiveWire Gasbefehle dann sehr zaghaft um.

Elektronisch präsentiert sich die Alpinista insgesamt gut und bietet neben den Fahrassistenten auch Connectivity für Smartphone und Headset sowie einen Tempomat.

Nach kurzem Vergnügen legen wir den Eco-Modus ein, denn das sportliche Treiben macht mit der LiveWire S2 Alpinista zwar mächtig Laune, es saugt den Akku zwischen den Beinen aber auch in Windeseile leer.

Mit gezügelter Gashand käme man immerhin knapp 100 Kilometer weit (siehe links unten), doch spätestens dann ist eine längere Ladepause Pflicht. Bei einem Kaufpreis von knapp 19.000 Euro ein teures und kurzes Vergnügen.

Kleiner Akku, lange Ladedauer

Der 10,5-kWh-Akku der LiveWire S2 Alpinista lässt sich über den mitgelieferten Adapter an der Haushaltssteckdose oder mit einem Typ-2-Stecker an der Ladestation aufladen. Um den Akku von 20 auf 80 Prozent zu laden sind mindestens 78 Minuten an der Ladestation und knapp sechs Stunden an der 230-Volt-Steckdose nötig.

Andersherum saugt die Alpinista den Akku bei sportlicher Fahrweise binnen 32 Kilometern von 80 auf 20 Prozent herunter, im Road-Modus schafften wir immerhin gut 54 Kilometer. Da das Drehmoment bei niedrigem Ladezustand nochmals deutlich reduziert wird, erscheinen knapp 100 Kilometer Reichweite realistisch.

Dann allerdings ohne herzerwärmende Ampelstarts oder sportliches Herausbeschleunigen. Die Krux: Für eine größere Reichweite wünscht man sich einen größeren Akku, dessen Zusatzgewicht möchte man aber auf keinen Fall mit herumschleppen müssen.

Zum Preis von knapp 19.000 Euro wäre aber zumindest die Möglichkeit der Schnellladung (Gleichstrom) erwartbar, so wie es zum Beispiel die LiveWire One bereits ermöglicht.