BMW R 1300 GS vs. BMW S 1000 XR: Gegensätze im Vergleich

BMW R 1300 GS vs. BMW S 1000 XR
Fahrdynamik und Fahrgefühl im direkten Vergleich

Veröffentlicht am 06.04.2025

Wo versteckt die BMW R 1300 GS ihre 18 Kilogramm Mehrgewicht gegenüber der BMW S 1000 XR , wie kann sie so leichtfüßig sein? Diese Fragen drängen sich nach mehrmaligem Umsteigen von der einen auf die andere und wieder zurück in den Vordergrund.

Der Vergleich fahrwerksgeometrischer Daten hilft kaum weiter. Zu unterschiedlich sind die Fahrwerkskonzepte; die längslenkergeführte Telegabel der BMW R 1300 GS, der mittlerweile schon traditionelle Telelever, verhält sich wegen des weitgehenden Bremsnickausgleichs beim Einlenken ganz anders als die Upside-down-Gabel der BMW S 1000 XR.

Beschwingtes Fahrgefühl auf der BMW R 1300 GS

Radstand und Nachlauf der BMW S 1000 XR sind zwar länger als bei der BMW R 1300 GS, die Unterschiede jedoch gering. Wie bei allen komplexen Systemen macht das Zusammenspiel einer kaum überschaubaren Menge von Parametern den Unterschied – Massenverteilung, Steifigkeit hier, Elastizität da, Massenmomente der Räder, Lage der Kurbelwelle, um nur einige wenige zu nennen. Nicht zu vergessen, die Ergonomie. Die Art, wie der Fahrer platziert wird, vor allem der schmale Knieschluss und viel Bewegungsfreiheit, tragen zum beschwingten Fahrgefühl auf der BMW R 1300 GS bei. Hier zeigt sich ein großer Vorteil der Boxer-Bauweise: Sie verlagert essenzielle Motorkomponenten wie die Zylinderköpfe dorthin, wo sie den Fahrer nicht stören.

BMW S 1000 XR: eingeschränkte Bewegungsfreiheit

Die BMW S 1000 XR spreizt ihrem Fahrer die Knie etwas weiter auseinander, an der Kontaktstelle zu den Oberschenkeln geriet die Airbox-/Tankabdeckung kantig, und die Sitzmulde liegt zwar insgesamt höher als bei der GS, in Relation zum Soziussitz aber etwas tiefer, was die Bewegungsfreiheit nach hinten einschränkt.

Doch je weiter die Kurve und je höher das Kurventempo, desto mehr holt die XR auf. Ja, sie muss mit stärkeren Lenkimpulsen auf die gekrümmte Linie gebracht werden und verlangt in weit herumgezogenen Biegungen stets etwas Gegendruck am kurveninneren Lenkerende. Doch trifft sie Einlenk- und Scheitelpunkt mit großer Präzision und zieht auch beim Beschleunigen in Schräglage nur ganz dezent auf einen etwas weiteren Bogen. Das ist nichts, was sich nicht aussteuern ließe.

Verwischtes Einlenkverhalten bei der GS

Nicht ganz so zielgenau gelingt der BMW R 1300 GS jenseits der 80 km/h das Einlenken in Kurven. Die beiden Top-Tester Timo Morbitzer und Karsten Schwers haben im Unterschied zum Autor schon andere Exemplare der neuen GS mit anderen Reifen gefahren und kannten dieses ganz leicht verwischte Einlenkverhalten bisher nicht. Das Verhältnis von Straßen- und Offroad-Tauglichkeit wird bei Reifen für Reiseenduros oft in Prozenten angegeben. Ein Metzeler Tourance Next 2 zum Beispiel wird auf 90 Prozent Straße und zehn Prozent Offroad taxiert, der auf dieser Test-GS aufgezogene Michelin Anakee Adventure dagegen mit 80 zu 20. Gut möglich, dass dessen Profilblöcke sich in Schräglage stärker verformen und so ein wenig an Linienschärfe kosten.

Der Bridgestone S 22 auf der BMW S 1000 XR ist übrigens ein 100-zu-null-Reifen. Alle bisher geschilderten Unterschiede sind auch nur im direkten Vergleich auffällig; nach zwei Dutzend Kilometern hat man sich an sie gewöhnt und kompensiert sie. Aber es gibt sie nun einmal.

Sportlichste GS in der Modellgeschichte

Die BMW R 1300 GS – das haben die Tests eindeutig zutage gebracht – ist die sportlichste in der langen Modellgeschichte dieses Bestsellers. Das betrifft auch die Grundabstimmung der semiaktiv dämpfungsvariablen Federelemente. Konnte man auf der bisherigen R 1250 GS auch im Dynamic-Modus fluffigen Federungskomfort genießen, wählt man auf der 1300er selbst fürs sportliche Landstraßenfahren gerne den Road-Modus.

Trotz der gestrafften Abstimmung bügelt die Vorderhand der GS Bodenwellen aber immer noch feiner aus als die BMW S 1000 XR im namensgleichen Dämpfungsmodus. Hinten schenken sich beide nichts, dabei dürfte trotz gelungener Abstimmung das Gewicht des GS-Kardans und der prinzipiell schwereren Einarmschwinge eine Rolle spielen. Wieder ein Kontrast zur kettengetriebenen, zweiarmig beschwingten XR.

Gegensätzliche Motorcharakteristiken

Würde man die Logik der Reifen auf die Motorcharakteristik übertragen, käme man zu der Aussage, dass der GS-Boxer zu 80 Prozent auf Drehmoment und nur zu 20 Prozent auf Spitzenleistung ausgelegt ist. Der XR-Vierzylinder verhält sich genau entgegengesetzt. Obgleich auch er sich durch ein hohes spezifisches Drehmoment auszeichnet und auf dem Prüfstand sogar die Werksangabe übertrifft, braucht er 6.500/min, um aus einer Hochebene den Aufstieg zu einem beeindruckenden Newtonmeter-Gipfel zu beginnen. Da befindet sich der GS-Boxer schon auf dem Abstieg aus noch weitaus luftigeren Höhenlagen und verlangt nach dem nächsthöheren Gang. Und so, wie es die Leistungs- und Drehmomentkurven zeigen, fühlt es sich im Fahrbetrieb auch an.

BMW S 1000 XR: viel Zugkraft bei moderaten Drehzahlen

Dank ihrer kurzen Übersetzung erreicht die BMW S 1000 XR respektable Durchzugswerte, im Sprint geradeaus läuft sie der GS sogar davon. Diese wiederum verleitet dazu, ihre Macht beim Beschleunigen aus den Kurven hemmungslos zu nutzen und zu genießen. Dabei sieht der Fahrer im Augenwinkel allerdings häufig ein verräterisches Flackern im TFT-Anzeige-Instrument – die Traktionskontrolle hat auch bei griffiger Fahrbahn und warmen Reifen alle Sensoren und Programmschleifen voll zu tun. Ganz ehrlich, ohne TC würde ich diesen Motor ungern fahren, schon gar nicht auf nassen Straßen, weil sein gemütliches Brummen darüber hinwegtäuscht, wie viel Zugkraft schon bei moderaten Drehzahlen den Hinterreifen strapaziert.

Andererseits eröffnet das Zusammenspiel des niedertourig bärig andrückenden Motors und des leichtfüßigen Handlings die Möglichkeit, auf eine entspannte Art und ohne große Umweltbelästigung sehr zügig zu fahren. Wenn es gilt, einem aufreizend mühelos dahingleitenden BMW R 1300 GS-Fahrer zu folgen, schlagen der Puls des XR-Motors und derjenige des XR-Fahrers jedenfalls erheblich schneller.

Halber Liter Mehrverbrauch bei der XR

Über 120 Nm ab 3.000/min, die der Boxer fast beiläufig auf die Prüfstandsrolle drückt, wirken sich auch unmittelbar auf den Benzinverbrauch aus. Der 1.300er kann so schaltfaul in hohen Gängen gefahren werden, dass er mit weniger als fünf Litern auf 100 Kilometern auskommt. Die durchweg höheren Drehzahlen des XR-Vierzylinders verursachen einen halben Liter Mehrverbrauch auf diese Distanz. Mit einem Liter weniger Tankinhalt kommt die GS 404, also rund 20 Kilometer weiter als die XR, verliert jedoch etwa 40 Kilometer an theoretischer Reichweite gegenüber ihrer 1.250er-Vorgängerin. Wirklich bedauerlich ist dieser Verlust wohl kaum.

S 1000 XR verzögert wie ein Kampfjet

Kehren wir die Beschleunigungsrichtung um und betrachten die Bremsen. Stellen wir uns dafür zunächst einmal vor, ein sportlich motivierter und geschulter Fahrer würde sich sorgfältig die BMW R 1300 GS erschließen und dann dezidierte Bremsentests durchführen. "Besser geht es kaum" – so würde mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Kommentar lauten. Und er hätte sich nur durch dieses "kaum" vor einem Irrtum bewahrt. Denn mit der BMW S 1000 XR geht es besser.

Es geht sogar so viel besser, dass man es kaum für möglich hält. Das erste Anlegen der Bremsbeläge hat schon einen überaus kräftigen Biss zur Folge. Dann versteift sich vorn die Druckstufe, hinten geht die Zugstufe auf, und die XR verzögert weiter wie ein Kampfjet am Fanghaken. Dieser Vergleich ist nicht neu, aber hier muss er wieder einmal herhalten.

Höhenverstellbare Verkleidungsscheiben

Sorgfältige Entwicklungsarbeit im Windkanal verrät der Windschutz der beiden BMWs. Die Verkleidungsscheiben sind in der Höhe einstellbar, bei der BMW R 1300 GS gegen Aufpreis elektrisch, bei der BMW S 1000 XR von Hand. Turbulenzen und Windgeräusche, die bei schmalen, steil stehenden Scheiben oft ziemlich lästig ausfallen, zeigen sich hier nur in gedämpfter Intensität. In diesem Punkt bieten die BMW-Schwestern einträchtig eine hohe Benutzerfreundlichkeit.

Dies gilt auch für die elektronische Ausstattung. Hier bietet die GS eine kleine Neuerung: Statt eines festen Schalters für die Griffheizung hat sie jetzt einen Favoritenschalter, der wahlweise mit der Steuerung der Griffheizung, der Einstellung der Scheibe oder der Wahl des Dämpfungsmodus belegt werden kann. Die jeweils anderen Funktionen erfordern zur Justage eine Reise durchs Einstellmenü.