Die Mission der neuen R 1300 GS ist klar: Sie soll die Reiseenduro-Krone wieder nach München holen. Wie die Chancen dafür stehen, erfährt MOTORRAD auf erster Testfahrt im spanischen Malaga.
BMW R 1300 GS Updates
Bei der Transformation der 1250er zur 1300er ließen die Ingenieure kaum ein Teil unberührt. Nicht beim Chassis, nicht bei der Verkleidung und selbstverständlich nicht beim Motor. Die Modifikationen am Herz der GS beschränken sich zudem nicht auf Feintuning. Der Boxer wurde von Grund auf neu entwickelt und wächst im Vergleich zum Vorgänger mit einer größeren Bohrung bei geringerem Hub um 46 auf exakt 1300 Kubikzentimeter Hubraum, zusätzlich wurden die Ventile vergrößert und die Verdichtung auf 13,3 zu 1 gesteigert. Ergibt mehr Leistung und Drehmoment (145 PS und 149 Newtonmeter), wie sich das für ein Update gehört. Ebenso wie ein geringeres Gewicht. Der gesamte Antriebsstrang mit unterhalb des Motors positioniertem Getriebe soll 6,5 Kilogramm Gewicht verloren haben. In diese Rechnung bezieht BMW die leichte Lithium-Batterie ein, am Motor selbst sollen 4,5 Kilogramm gespart werden.
Weniger Gewicht durch Weglassen
Weitere 5,5 Kilogramm speckte die GS nach Herstellerangaben ab, sodass das Leergewicht um 12 auf 237 Kilogramm gesunken sein soll. Allerdings wurde die Berechnung durch das Weglassen des Hauptständers in der Serienausstattung und einen um einen Liter geschrumpften Tank – sagen wir – optimiert. Was die Waage bei gewöhnlicher Ausstattung tatsächlich anzeigt, wird sich zeigen.
Neuer Rahmen, neue Optik
Haupt- und Heckrahmen sind neu, besonders Letzterer wirkt optisch deutlich schlanker als die bisher verbaute Gitterrohr-Konstruktion. Wie die überarbeitete Frontverkleidung, noch immer mit ikonischem Schnabel, neu mit symmetrischem Matrix-LED-Scheinwerfer. Sie wirkt schlank, reduziert, beinahe futuristisch. Sie umfasst den Lenkkopf weniger bauchig und gewährt tiefe Einblicke in den neuen Evo Telelever der 1300er. Bei ihm werden die konstruktionsbedingt notwendigen Kippbewegungen des Lenkers beim Ein- und Ausfedern nicht mehr von Tonnenlagern an der Klemmung der oberen Gabelbrücke ausgeglichen, sondern durch Flexelemente an der Gabelklemmung.
So fährt sich die neue GS
Gut fährt sie sich, die neue R 1300 GS. Sehr gut sogar. Genauer? Na gut. Kenner der R 1250 GS wissen längst um die Stärken des Shift-Cam-Boxers bei niedrigen und mittleren Drehzahlen. Turbinenartiger Rundlauf ab Standgas und kurz darüber bereits gut 100 Newtonmeter Drehmoment. Punch vermisste bisher niemand im Sattel einer aktuellen GS und das wird so bleiben. Nachdem der neue Boxer das Bike beim Start minimal kippt, schnurrt er sanftmütig und kernig vor sich hin. Dabei entweicht ein weniger aufdringlicher Bass als bisher aus dem schlanken Auspuff mit hinter dem Getriebe versteckten Vorschalldämpfer. Schön, denn gerade in dieser Hinsicht war die Konkurrenz zuletzt deutlich sozialverträglicher als die 1250er-GS. Und der erste Gang klonkte BMW-typisch ins Getriebe mit etwas teigigem Hebelgefühl.
Bei der 1300er benötigt’s weniger Kraft und das Getriebe rastet klarer. Es ist aber noch immer nicht leichtgängig. Im für den Start eingelegten Road-Modus gibt der neue Boxer ab Standgas den gewünschten Vortrieb exakt dosierbar ab. Intuitiv legt man vom optionalen Quickshifter unterstützt früh den nächsten Gang ein und rollt schon bei rund 50 km/h lässig im Sechsten dahin. Dann liegen unter 2.000 Touren an. Doch herunterschalten, nach einem Ortsschild oder zum Überholen ist nicht nötig.
Neuer Motor, mehr Kraft
Einfach rechts drehen und der neue Boxer der R 1300 GS erledigt den Rest. Das kurzhubigere Layout macht sich nicht durch den Verlust von Dampf aus dem Drehzahlkeller bemerkbar, der Shift-Cam-Boxer bleibt ein Drehmoment-Biest. Und er zeigt Drehzahlgier am anderen Ende der Leiter. Vom Dynamic-Modus mit spritzigerem Ansprechverhalten unterstützt wird die GS beim ambitionierten Ritt zur Athletin. Fröhlich feuert die 1300er aufwärts und lässt die Umgebung verschwimmen. Wenngleich die Spitzenleistung von 145 Pferdestärken noch immer 25 PS unterhalb einer Ducati Multistrada V4 liegt, dürften die Fahrleistungen der neuen GS im landstraßenrelevanten Bereich schwer zu übertreffen sein.
Neues Fahrwerk der GS
Während der ersten Ausfahrt bewies die neue BMW R 1300 GS eine beeindruckende, ungeahnte Handlichkeit. Nach dem Abwinkeln liegt sie unabhängig von Geschwindigkeit und Kurvenradius satt in Schräglage und folgt der anvisierten Linie wie von selbst, muss nicht aktiv auf ihr gehalten werden. Die überarbeitete Evo Telelever-Vorderradführung bietet ein gutes Vorderradgefühl, die verstärkte Schwingenlagerung eine klare Hinterradführung. Vertrauensvoll lehnt man sich mit der 1300er GS an die Flanken der Metzeler Tourance Next Reifen, die auch auf ausgewaschenen spanischen Asphalt viel Haftung finden. Schnelles Umlegen gelingt über den breiten Lenker spielerisch und insgesamt fühlt sich die GS in Bewegung leicht an.
Semi-aktives Fahrwerk der neuen GS
Wird das Geläuf mal gröber, wechselt man im bekannten Cockpit elektronisch das Setting des überarbeiteten Fahrwerks. Die SAF-Next getaufte Kombination aus Tele- und Paralever mit je einem eigenen Stoßdämpfer ermöglicht einen breiten Einstellbereich der Dämpfung, Road und Dynamic-Setting lassen sich zudem in je fünf Stufen feinjustieren. Das erstmals mögliche Absenken des Motorrads im Stand, um drei Zentimeter, soll die Rangierbarkeit verbessern. Ab einer Geschwindigkeit von 50 km/h fährt es automatisch wieder hoch. Das ausgeklügelte Dämpfersystem inklusive Federratenanpassung sorgt für feines Ansprechverhalten über Asphaltrisse und somit viel Fahrkomfort. Semi-aktiv gesteuert ist Nachschwingen von Front oder Heck zudem auf der ersten Testfahrt kein Thema, selbst wenn leichte Bewegungen von hinten beim harten Beschleunigen spürbar bleiben.
Der Komfort der neuen GS
Komfortabel bleibt die Ergonomie der BMW R 1300 GS. Das Sitzdreieck blieb unangetastet, es lässt sich außerdem durch verschiedene Varianten von Lenker, Sitzbank und Rasten individualisieren. Standardmäßig sitzt man hinter der kleinen in zwei Stufen einstellbaren Scheibe (optional höher und elektrisch verstellbar) zwar nicht komplett vom Fahrtwind abgeschirmt, aber mit wenig Druck auf der Brust bequem. Die GS bleibt ergonomisch selbstverständlich ein Motorrad für die ganz große Reise. Weil die selten ausschließlich über asphaltierte Wege führt, biegen wir für den zweiten Teil des Fahrberichts mit der Trophy-Variante der 1300er GS von der Straße ab und bekommen auf Schotterwegen einen ersten Eindruck der Offroad-Qualitäten.
Was kann die neue GS Offroad?
Griffige Offroad-Rasten, Metzeler Karoo 4 Pneus und den Boxer der neuen BMW R 1300 GS umschließende Motorschutzbügel qualifizieren die Trophy-GS zum fähigen Schotter-Eisen. Im nach wie vor sehr nutzerfreundlich strukturierten Menü wählen wir obendrein den aufpreispflichtigen Modus "Enduro Pro", der ein detailliertes Abstimmen aller Fahrassistenten ermöglicht. Die wie in allen Mappings sanfte Gasannahme kombiniert dieser Modus auf Wunsch mit einer zahmeren Leistungsentfaltung und macht den Motor so zum sanften Riesen im Gelände.
Wie ein Traktor zieht er Mensch und Maschine über Schotterwege und steinige Auffahrten hinauf. Wer sich traut, deaktiviert die Traktionskontrolle dabei. Doch nötig ist das nicht: Auf Wunsch lässt die GS elektronisch überwacht gerade genug Schlupf zu, um jeden Anstieg sicher zu erklimmen. Auf der anderen Seite des Gipfels zeigt das Offroad-Setting des ABS (vorn minimal, hinten deaktiviert), dass es mit jedem Untergrund zurechtkommt und sogar versierte Fahrer im Gelände nicht einschränkt. Die Verzögerung der neuen Bremse mit Brembo-Sätteln und Magura-Armatur lässt sich zudem mit einem Finger leicht dosieren.
BMW R 1300 GS Trophy
Im Stand fällt der etwas aufgedrehte Lenker der BMW R 1300 GS Trophy gut in die Hände und formt mit dem schmalen Knieschluss am neu geformten Tank eine aktive Position. Für Etappen im Stehen lässt sich zudem der Fußbremshebel durch einen praktischen Klappmechanismus mit einem Handgriff nach oben verstellen und ist dann bestens erreichbar. Die Trophy-GS schmiegt sich an den Kontaktpunkten zutraulich an den Fahrer oder die Fahrerin und gibt offroad sofort viel Vertrauen. Großen Anteil daran hat das Fahrwerk, das im Enduro-Setting die langen Federwege (vorn 190 Millimeter, hinten 200 Millimeter) ausgezeichnet ausschöpft, viel Feedback gibt und bei moderater wie flotterer Gangart stets den Kontakt beider Räder zum Boden sichert. Über einfache Schotterwege schwebt die neue GS lässig, vermittelt eine Leichtigkeit, die man ihrem Datenblatt kaum zutrauen würde. Schwerpunkt, Geometrie, Fahrwerk, Motor und Elektronik vereinen sich zu einem Fahrgefühl, das anhand von Daten nicht darstellbar ist, mehr ist als die Summe seiner Eigenschaften.