Geglückt und beeindruckend ist der Erstaufschlag von Suzuki in der Klasse moderner 800er-Reihenzweizylinder. Trotzdem produziert Suzuki die altbewährten 650er-V2-Modelle vorerst weiter. Wie sinnvoll ist das? Wir haben die außergewöhnliche Koexistenz in der Suzuki-Mittelklasse unter die Lupe genommen, auch mit den Enduro-Modellen V-Strom 800 DE und V-Strom 650 XT, auf Landstraßen und in leichtem Gelände.
Der bewährte 650er-V-Twin von Suzuki
Blutleer oder altbacken wirkt er jedenfalls nicht, der bewährte 90-Grad-V-Motor mit 645 Kubik. Er steckt baugleich sowohl im Naked Bike SV 650 als auch in der Enduro V-Strom, tritt munter an und dreht kultiviert hoch – untermalt von bauarttypischen Twin-Vibrationen und kernig-rotzigem Sound. Leistungsausbeute? Bei der V-Strom 650 sind es maximal 71 PS sowie 62 Nm. Aus heutiger Sicht sind das in der Mittelklasse keine Traumwerte mehr, dafür überfordert die Power nie und sorgt auf der Landstraße allemal für Unterhaltung. Suzukis Mittelklasse-Dauerbrenner ist ein genügsamer Spaßbringer, der mit Zuverlässigkeit und Charakter besticht.
Der neue 800er-Reihentwin von Suzuki
Doch das geht noch besser, und auch das hat Suzuki inzwischen bewiesen. Mit dem modernen 776er-Reihentwin: kompakter, leichter und deutlich stärker ist der. Interessant ist zudem, wo und wie das neue Herzstück abliefert: Schon ab rund 2.500 Umdrehungen stehen 60 Newtonmeter bereit, beim 650er-V fällt dieser Wert erst bei der 5.000er-Marke. Souveräner und geschmeidiger dreht der Reihenmotor aus dem tiefsten Drehzahlkeller, ohne obenraus müde zu wirken. Der in dieser Klasse mittlerweile obligatorische 270-Grad-Hubzapfenversatz sorgt für stilechten V-Puls, bleibt jedoch klanglich etwas zurückhaltender.
Beide Suzuki-Twins mit rund 4 Liter Spritverbrauch
Dafür übt sich der bauartbedingt etwas breitere Reihenmotor auch an der Zapfsäule in Genügsamkeit: Trotz stärkerer Motor-Performance verbraucht die 800er-Enduro ebenfalls nur rund 4 Liter Sprit pro 100 Kilometer, wie die 650er. Zentralisiertere Massen – für gutes Handling vorteilhaft – und kostengünstigere Produktion stehen wiederum auf der Habenseite des Paralleltwins, genau wie das knackige 6-Gang-Getriebe mitsamt dem tollen Quickshifter. Abseits der schlankeren Bauform bleiben für das V-Layout so kaum noch Argumente, die neue Zylinderanordnung ist die logischere und vernünftigere Wahl.
Die V-Strom 800 DE ist noch mehr Enduro
V-Strom 650 XT und V-Strom 800 DE interpretieren das Thema Reisen unterschiedlich, liegen konzeptionell weiter auseinander als die Naked Bikes SV 650 und GSX-8S. Mit sehr langen Federwegen (220 mm vorn und hinten) sowie 21-Zoll-Vorderrad lässt die 800 DE keine Zweifel aufkommen: Sie nimmt das mit der Geländetauglichkeit deutlich ernster als ihre 650er-Schwester. Und auch der Komfort stand wohl ganz oben im Lastenheft der Suzuki-Ingenieure: Großzügig dimensioniert und gepolstert präsentiert sich die neue Sitzbank. Moderat platzierte Fußrasten und der ausgesprochen breite, aber angenehm geformte Lenker ergeben eine entspannt-aufrechte Haltung, in der es sich gerne auch mal länger verweilen lässt. Man sitzt auf der Neuen viel mehr auf als im Fahrzeug.
Die V-Strom 650 ist auch als XT besser auf Asphalt
Ergonomie und Setup der an der Front kleiner besohlten 650er sind hingegen weniger für Schotterausflüge ausgelegt, sie ist durchweg straffer und mehr auf den Straßeneinsatz zugeschnitten. Ihr Lenker ist deutlich schmaler, aber stark gekröpft, der straffere Sattel liegt wie bei der SV tiefer im Fahrzeug, lässt weniger Bewegungsfreiraum. Auf der Straße ist die kompaktere Sitzhaltung kein Nachteil, wenn auch durch den hohen Lenker gewöhnungsbedürftig. Offroad-Einlagen im Stehen dürften mit der altmodischen Ergonomie, dem 19-Zoll-Vorderrad und den relativ knapp bemessenen Federwegen (circa 150 mm vorn und hinten) deutlich weniger Spaß machen. Auf der Straße ist die V-Strom 650 dagegen spürbar zuhause, lenkt ausgewogen-neutral ein und wirkt in Summe sogar etwas agiler als ihre 800er-Schwester.
Die 650er ist 9 Kilo leichter als die 800er
Immerhin ist die 650er 9 Kilo leichter und für eine Reiseenduro fahrwerksseitig tendenziell straff abgestimmt. Die insgesamt größere 800er ist nicht unhandlich, aber im direkten Vergleich etwas träger. Richtungswechsel verlangen mehr Kraft, und ihr deutlich softer abgestimmtes Enduro-Fahrwerk gibt spürbar weniger Vorderrad-Feedback. Einmal abgewinkelt, rollt sie dafür herrlich spurstabil ums Eck.
Fahrwerk und Bremsen in der Suzuki-Mittelklasse
Die Bremsen der V-Strom 800 DE sind im Vergleich zum Naked Bike GSX-8S für einfachere Dosierung im Gelände entschärft, verzögern aber mit fein regelnden ABS-Intervallen immer noch ordentlich. Die V-Strom 650 XT verschenkt hier durch das gröber regelnde ABS wertvolle Meter, obwohl Wirkung und Dosierung eigentlich ebenfalls stimmen. Beim Platzangebot für Mitreisende schenken sich beide Reiseenduros wenig, und auch die Fahrwerke zeigen sich mit per Handrad erhöhter Federbein-Vorspannung von Zuladung unbeeindruckt. Apropos Einstellmöglichkeiten: Bei der 800 DE dürfen vorn wie hinten Zug- und Druckstufe auf die eigenen Vorlieben abgestimmmt werden, dem einfacheren 650er-Fahrwerk fehlt diese Flexibilität, es ist nur hinten in Vorspannung und Zugstufe einstellbar.
V-Strom 650 XT kostet 2.000 Euro weniger als V-Strom 800 DE
Bleiben noch – last, but not least – die Preise. Greift man zur älteren Reiseenduro V-Strom 650 XT mit dem altbewährten V-Motor, spart man 2024 genau 2.000 Euro. Wer einen robusten, günstigen Reisebegleiter mit tollem Windschutz sucht, macht mit der V-Strom 650 XT grundsätzlich nichts falsch. Mit der V-Strom 800 DE ebenso wenig, sie rechtfertigt ihren höheren Preis funktional und mit besserer, modernerer Ausstattung. Grundsätzlich ist es schön, die Wahl zu haben – von uns aus kann das in der Suzuki-Mittelklasse gerne so bleiben.
Suzuki V-Strom 800 und V-Strom 650 noch preisgünstiger
Übrigens gibt es beide V-Strom-Versionen, die 800er und die 650er, auch als Basis-Varianten, also ohne die zusätzlichen Typkürzel DE und XT. Mit Aluminiumguss-Rädern sind die dann weniger Enduro, kosten dafür aber jeweils deutlich weniger. Wobei der große Preisabstand zwischen 800 und 650 bleibt. Hier die technischen Daten und Messwerte der beiden Suzukis: