Schicke Retro-Sportler im Test: BMW R 12 S, Suzuki GSX-8TT und Yamaha XSR 900 GP

BMW R 12 S, Suzuki GSX-8TT und Yamaha XSR 900 GP
Retro-Bikes mit Sportler-Attitüde im Test

ArtikeldatumVeröffentlicht am 14.12.2025
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Hat die Suzuki GSX-8TT mit ihren 83 PS im Vergleich zu den 109 PS der BMW R 12 und den 119 PS der Yamaha XSR 900 GP überhaupt eine Chance? Klar, beim Trackday würde sie in diesem Trio unter gleich talentierten Piloten vermutlich nur Bronze holen. Aber wir sind nicht auf der Rennstrecke, sondern irgendwo draußen im Gäu, und da ist die reine Motorleistung von ziemlich untergeordneter Bedeutung. Und obendrein fahren wir mit- und nicht gegeneinander.

Neben der mehr oder weniger ausgeprägten Retro-Optik haben unsere drei Kandidatinnen noch eine weitere Gemeinsamkeit: die derzeit schwer angesagten Lenkerendspiegel, die in den Augen des Autors eine Akkumulation von Nachteilen sind: Man sieht nicht wirklich gut in ihnen, und sie machen die Bikes an der ungünstigsten Stelle unnötig breit, was sich spätestens in der Rush Hour rächt.

So sind bei der BMW R 12 S, Suzuki GSX-8TT und der Yamaha die Lenker (ohne Gewichte gemessen) mit 790/725/665 mm auf üblichem Niveau, an den Spiegeln gemessen werden daraus stolze 1.020/900/999 mm. Und die Optik ist, nun ja, Ansichtssache.

Mehr Motorrad als die Suzuki braucht es nicht

"Die Suzuki geb’ ich nicht mehr her!”, ruft Trainee Moritz beim ersten Halt, "hier fühle ich mich sofort zu Hause!” Recht hat er, das hat sie mit ihrer Vorlage, der Suzuki GSX-8S, gemein. Technisch sind beide identisch, die Unterschiede sind rein optischer Natur.




Sofort ins Auge fallen neben dem Rundscheinwerfer und dem anders geformten, 1,5 Liter größeren Tank natürlich die kleine Cockpitverkleidung sowie die bereits erwähnten Spiegel. Doch auch die zweiteilige Sitzbank samt Soziusbrötchen wurde anders abgesteppt, die Heckverkleidung neu geformt. Die nunmehr aus Edelstahl bestehende Blende am Endtopf sowie die schwarzen statt grauen Motordeckel bemerken dagegen nur Insider.

Den Blicken gänzlich verborgen bleibt der neue Lithium-Ionen-Akku, der mit knapp einem Kilogramm weniger als ein Drittel des alten wiegt. Ob jetzt diese doch überschaubaren Modifikationen den Mehrpreis von 2.190 Euro zur nackten Suzuki GSX-8S rechtfertigen, wird der Markt entscheiden.

Suzuki GSX-8TT: Benchmark-verdächtiger Antrieb

Die Qualitäten der Suzuki GSX-8TT zu loben, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Doch weil es so schön ist, wollen wir es an dieser Stelle noch einmal tun: Das fängt bei der Ergonomie an, die für jedermann und -frau, egal ob nun 1,60 oder 1,90 m groß, ein sehr kommodes Plätzchen bietet.

Das geht weiter mit dem in seiner Klasse Benchmark-verdächtigen Antrieb mit drei Fahrmodi, der hinreichend kultiviert einerseits unten und mittig kräftig zur Sache geht, andererseits auch fröhlich oben rausdreht.

Was freilich auch bei ihm im Alltag kaum einmal nötig ist. Und das Ganze mit Verbräuchen von gerne auch unter vier Litern. Die Schaltbox quickshiftet und blippert, dass es eine wahre Freude ist. Das simpel gestrickte, nur hinten in der Federvorspannung variable Fahrwerk kann da nicht ganz mithalten.

Im Gegensatz zur Gabel spricht das Federbein nicht besonders sensibel an, und bei schneller Fahrt über holpriges Geläuf kommt es in diesem Umfeld am schnellsten an seine Grenzen. Das Nämliche gilt für die Bremse, die für sich betrachtet einen tollen Job macht, aber hier eben doch "nur Mittelklasse" ist.

Schlussendlich ist das aber Jammern auf hohem Niveau, und angesichts ihres vergleichsweise günstigen Preises geht die Performance absolut in Ordnung.

BMW-Boxer ist immer noch eine Wucht

Vor Kurzem sah der Autor auf der Rückwand eines Lkw ein Stellenangebot für Trucker: "Sie fahren gut? Bei uns fahren Sie Güter!" Welch grandioses Wortspiel, Chapeau! Und, um in diesem Sprech eine Binse weise zu zitieren: Das Gütere ist des Guten Feind, was uns zur BMW R 12 S bringt.

Man kann den Boxer an sich ja lieben oder hassen oder was auch immer. Objektiv betrachtet ist er, zumal in der luftgekühlten Variante, schlicht einer der besten Motorradmotoren überhaupt. Und durchaus ansehnlich noch dazu. Freilich, der 1300er hat nochmals mehr Schmackes zu bieten, wirkt aber mit seiner Schaltnocke doch ein bisschen zu ver(wasser)kopft und streberhaft.

Leistungsabgabe des 1200ers begeistert

Schon die Art der Leistungsabgabe beim 1200er der BMW begeistert, denn es ist im Grunde völlig egal, welcher Gang im boxertypisch – Quickshifter hin, Blipper her – eher rustikal agierenden Getriebe anliegt. Denn spätestens ab 2.000/min gibt es von stets präsenten, die schiere Kraft auch sensorisch dokumentierenden Vibrationen begleitet Vorschub. Mächtigen Vorschub.

Oder anders gesagt: Wo es bei der Suzuki GSX-8TT immerhin Halbgas braucht, um sich StVO-mäßig ins Nirvana zu befördern, reicht bei der BMW R 12 S meist schon Viertelgas. Und doch, es lohnt sich. Die Lässigkeit, die von großen Hubräumen ausgeht, ist mit Worten schwer zu fassen, denn auch auf der Suzuki hat man nie das Gefühl, untermotorisiert zu sein. Geschweige denn auf der Yamaha XSR 900 GP, dazu kommen wir gleich noch.

Ist doppelt so teuer auch doppelt so gut?

Bei der Betrachtung der Oberflächen, Verarbeitung und Wertigkeit der Materialien bekommt man eine Ahnung, woher der hohe Preis kommt. Rein funktional kann man der BMW R 12 S bis auf den arg engen Kniewinkel und die vergleichsweise geringe Schräglagenfreiheit nicht wirklich etwas vorwerfen.

Sie fährt bockstabil geradeaus, ohne sich im Winkelwerk eine Blöße zu geben, lenkt willig ein und lässt sich auch vom Bremsen in Schräglage kaum beeindrucken. Die Bremse selbst spricht vielleicht ein wenig zu hart an, lässt sich aber von den Möglichkeiten im öffentlichen Raum nicht an ihre Grenzen bringen.

Bleibt die Frage: Ist die doppelt so teure BMW auch doppelt so gut wie die Suzuki GSX-8TT? Nun denn, das ist sie sicher nicht, aber dennoch jeden Euro wert. Und überhaupt, Emotionen lassen sich nicht skalieren.

Yamaha mit Optik und Ergonomie der 1980er

Wenn ein Modell in das Genre des Retrosportlers passt, dann ist es die 2024 vorgestellte Yamaha XSR 900 GP. Wo selbst der grandiose, unter Last kernig rau laufende, röhrende und spürbar lastwechselnde CP-3-Motor nur elf Jahre nach seiner Vorstellung endlich ein Umfeld bekam, in dem er seine sportlichen Talente zur Geltung bringen konnte. Mit der 2025 vorgestellten Yamaha YZF-R9 wurde dieses Konzept nochmals deutlich und im aktuellen Racebike-Design nachgeschärft.

Motorseitig und elektronisch sind R9 und GP gleich munitioniert. So gibt es neben der mittlerweile fast schon obligatorischen, im Falle der XSR deutliche Impulse benötigenden Quickshifter-Blipper-Einheit auch eine Anti-Hopping-Kupplung sowie einen Tempomaten.

Traktions-, Slide und Lift Control

Auch elektronisch fehlt es dank Sechs-Achsen-IMU an nichts. Neben drei Fahr- und zwei frei konfigurierbaren Usermodi helfen Traktions-, Slide und Lift Control, die XSR bei verschärftem Dreh am Gasgriff auf Kurs zu halten.

"Control what?", mag sich der gereifte Fahrensmann, der möglicherweise das zum Design der Yamaha XSR 900 GP inspirierende Vorbild Yamaha YZR 500 unter anderem mit Eddie Lawson in den Achtzigern noch live hat fahren sehen, fragen und sich erinnern, dass damals nicht nur Zweitakt-Motoren den Geruch von Freiheit und Abenteuer verströmten.

Mehr noch als bei den anderen beiden lassen sich die Möglichkeiten der XSR im öffentlichen Raum nicht ansatzweise ausreizen, am ehesten bekommt die Traktionskontrolle auf schlüpfrigem Untergrund etwas zu tun, wogegen sich das Austesten der Drift- und Wheeliekontrolle sinnvollerweise auf den Kringel beschränkt.

Seltenes Feature bei der Upside-down-Gabel

Für den Kringel ist auch die Grundabstimmung des voll einstellbaren Fahrwerks gedacht. Setup-Fanboys können sich an einem seltenen Feature delektieren: Bei der Upside-down-Gabel lässt sich die Druckstufendämpfung nach High- und Lowspeed getrennt justieren.

Dennoch wird man auf der Yamaha XSR 900 GP trotz weit geöffneter Ventile auf schlechtem Untergrund heftig durchgeschüttelt, hier wäre generell weniger (Dämpfung) mehr (Komfort).

Vorsicht an der Bremse: scharf eingestellte Modi

Auch bei vollem Einsatz der Bremse ist je nach Modus (Rain, Street, Sport) Vorsicht angesagt, denn je schärfer der ist, desto eher neigt die GP zum Handstand. Insgesamt dürften die ABS-Regelimpulse etwas feinfühliger ausfallen. Die Bremse selbst arbeitet mit genregerechtem Biss.

Auch der Pilot hat zu beißen, denn obwohl die Lenkerstummel oberhalb der Gabelbrücke angebracht sind, liegen sie in diesem Trio mit Abstand am tiefsten. Was zwar eine authentische, lang gestreckte Retro-Sitzposition ergibt, leider aber mit einer hohen Last auf den Handgelenken einhergeht. Also muss es das Tempo richten.

Auch fährt die Yamaha XSR 900 GP keineswegs unhandlich, benötigt aber in diesem Umfeld die höchsten Impulse zum Einlenken. Was wohl den schmalen Lenkerstummeln geschuldet ist. In Schräglage liegt sie dann sehr stabil und neutral und ist mit gefühlt unendlicher Schräglagenfreiheit gesegnet.

Optik von gestern, Funktionalität von heute

Wie die beiden anderen auch, ist die Yamaha XSR 900 GP eine ehrliche Haut, verspricht nichts, was sie nicht halten kann. Nur in einem Punkt zeigt sie sich als Blender der besonderen Art. Rahmen und Schwinge bestehen, logo, aus Aluminium, machen mit ihrer tristen grauen Lackierung jedoch auf Stahl. Nur das geschraubte Rahmenheck besteht tatsächlich daraus.

Bei der BMW R 12 S sind die vorn und hinten an den Motor angeflanschten Rahmenfragmente ebenfalls aus Stahl, die mächtige Einarmschwinge aus Aluguss. Auch bei der Suzuki GSX-8TT sind Rahmen und geschraubtes Heck aus Stahl, die Schwinge aus Alu.

Bleibt als Fazit: Rational betrachtet gibt es keinen Grund, die Suzuki nicht zu kaufen, auch wenn der Preisaufschlag gegenüber der 8S recht happig ist. Mehr Motorrad braucht kein Mensch. Punkt. Das, was auf der Straße vertretbar ist, schüttelt auch sie locker aus dem Handgelenk.

Ebenso gibt es keinen Grund, dem solventen Connaisseur den Erwerb einer R 12 S madig zu machen. Denn die Lässigkeit und Souveränität, mit der sie unterwegs ist, ist schlicht unbezahlbar.

Und die Yamaha ist de facto ein Supersportler im Retrokleid. Wer also gelegentliche Ausflüge auf den Kringel auf der Agenda hat, ist mit ihr bestens angezogen. Und wem die weiß-rote Lackierung zu zigarettenlastig ist, bekommt die GP auch in dezentem Schwarz/Grau.

Fazit