Andere Länder, andere Vorlieben: Bei den Modellen Harley-Davidson X 350 und X 500, die ab 2023 in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Hersteller Qianjiang gefertigt werden, wurde beiderseits darauf Wert gelegt, dass die Motoren jeweils zwei Zylinder haben. Wenn schon nicht in Harley-typischer V-Anordnung, sondern in Reihe, dann aber immerhin deren zwei.
Einzylinder made in India
In Indien hingegen sind nach wie vor Einzylindermotoren bis 500 Kubik üblich und beliebt, meist noch ohne Wasserkühlung. Wichtiger ist der indischen Kundschaft: Made in India. Dementsprechend wurde bei Hero, dem großen indischen Hersteller und offiziellen Harley-Davidson-Partner, ein neues Modell entwickelt – die erste Hero-Harley.
Hero und Harley-Davidson
Hero, in den 1980er-Jahren als Partner von Honda gestartet, ist einer der größten indischen Motorradhersteller, hat allerdings bisher nur Einzylinder-Modelle zwischen 100 und 200 Kubik im eigenen Sortiment. Den neu für die Hero-Harley entwickelten Motor mit über 400 Kubik wird Hero wohl künftig auch für eigene Modelle nutzen.
440 Kubik und 27 PS
Dabei handelt es sich um einen luft-ölgekühlten Einzylinder-Motor mit 440 Kubik. Langhubig angelegt mit 79,6 Millimeter Bohrung und 88,4 Millimeter Hub, moderat verdichtet mit 9,5:1. Somit bleiben – trotz elektronischer Benzineinspritzung – die Herstellungskosten im für Indien üblichen Rahmen, und die etablierten Modelle von Royal Enfield, TVS oder Honda können mit deutlich überlegenem Hubraum ausgestochen werden. Nennleistung der X 440: 27 PS (20 kW) bei 6.000/min, maximales Drehmoment: 38 Nm bei 4.000/min. In Verbindung mit einem 6-Gang-Getriebe soll sowohl die Beschleunigung als auch die Höchstgeschwindigkeit der Hero-Harley die Werte der nationalen Konkurrenz übertreffen.
Relativ sportlich mit Upside-down-Telegabel
Wie die ersten Bilder von der Hero-Harley bereits erkennen ließen, zielt dieses Konzept nicht in die Cruiser-Abteilung, obwohl Harley-Davidson dort bekanntlich seine Kernkompetenzen hat. Die Upside-down-Telegabel mit 43 Millimeter Standrohrdurchmesser und offensichtlich nicht flachem Lenkkopfwinkel ist das wesentliche Indiz für ein vergleichsweise modernes und sportliches Naked Bike.
Relativ schwer mit 190,5 Kilogramm
Am niedrigen Heck sind hingegen zwei klassische, siebenstufig vorspannbare Federbeine zu sehen. Mit 805 Millimeter ist die Sitzhöhe anfängerfreundlich moderat. Relativ schwer wiegen hingegen die angeblich 190,5 Kilogramm mit vollem Benzintank (13,5 Liter). Gebremst wird mit jeweils einer Scheibe pro Rad, vorn mit einer 320er und hinten mit einer 240er, sowie mit Bremszangen vom indischen Brembo-Ableger Bybre – und mit ABS. Auffällig schick – und typisch für Harley-Davidson – sind die dunklen Aluminiumguss-Räder mit seitlich überschliffenen Speichen. Die Radformate mitsamt Reifen: 100/90-18 vorn, 140/70-17 hinten. Radstand: 1.418 Millimeter.
Harley-Davidson X 440 mit moderner Elektronik
Offenbar ist das Display im Cockpit der Hero-Harley eine moderne TFT-Ausführung mit farbigen Anzeigen – und mit Bluetooth-Connectivity. Obendrein ist eine USB-Buchse vorhanden. Ebenso im Gespräch sind verschiedene Fahrmodi, ob eine Schlupfregelung vorhanden sein wird, ist indes noch unklar. Wichtiger: Mit den LED-Leuchten wird die Strahlkraft der Marke Harley-Davidson genutzt, entsprechende Schriftzüge und Logos sind optimal und eindeutig platziert.
Hero-Harley ab 3. Juli 2023 ab umgerechnet 2.500 Euro
Trotz Markenprestige und ordentlicher Ausstattung beginnen die Preise für die Harley-Davidson X 440 zur Markteinführung in Indien im Juli 2023 bei 229.000 Indischen Rupien, umgerechnet circa 2.500 Euro (Stand Juli 2023). Die Basis-Variante Denim rollt auf Drahtspeichenrädern. Die Variante Vivid mit Aluminiumguss-Rädern, kostet 249.000 Indische Rupien, umgerechnet circa 2.800 Euro. Die Top-Variante S mit seitlich überschliffenen Aluminiumguss-Rädern kostet 269.000 Indische Rupien, umgerechnet circa 3.000 Euro.
Nightster 440 als Modell-Variante
Zunächst wird die Harley-Davidson X 440 nur in Indien angeboten, doch Export in andere Länder erscheint mittelfristig möglich. "In jene Länder, in die Royal Enfield exportiert", so war aus indischen Insider-Kreisen zu hören. Ebenso möglich erscheinen weitere Modelle auf der gemeinsamen technischen Basis: ein Tourer mit Verkleidung, eine Enduro – und selbstverständlich auch ein Cruiser. Hierfür hat Hero bereits eine Modellbezeichnung registriert: Nightster 440. Erwartet werden darf ein leicht sportlich angehauchter Einzylinder-Cruiser nach dem großen Vorbild der Harley-Davidson Nightster mit V-Twin und 975 Kubik.
Gefloppt: die Street-Modelle aus Indien
Hierbei handelt es sich übrigens um den zweiten Anlauf von Harley-Davidson in Indien. Von 2014 bis 2020 wurden in einem eigens von Harley-Davidson in Indien installierten Werk die Modelle Street 500, Street 750 und Street Rod produziert. Mit wassergekühlten V-Twins – aber ohne Erfolg. Ende 2020 wurde das Harley-Davidson-Werk in Indien geschlossen.