Italjet Dragster 300 & 125 Gresini Edition im Test

Test Italjet Dragster 300 und 125 Gresini Edition
Wie der Italjet Dragster mit bis zu 24 PS abgeht

Veröffentlicht am 13.07.2024

Die Vespa-Fahrerin im kleinen Städtchen Varignano ist irritiert: "Dem Roller da, dem fehlt doch die Verkleidung, oder?" Nein, da fehlt nichts. Der Italjet Dragster stellt seine auffälligen Reize provokativ zur Schau, inzwischen schon traditionell: Gitterrohrrahmen, Achsschenkellenkung, offen im Fußraum liegendes Federbein, Alu vorn, Alu hinten. Was die eine verwirrt, fasziniert derweil andere: Motorradfans auf der Piazza im selben Ort schießen begeistert Dragster-Fotos.

Italjet Dragster – einzigartig seit Ende der 1990er-Jahre

Kein ganz neues Phänomen. Den exaltierten Italjet Dragster gab's Ende der 1990er-Jahre schon mal, gestandene Motorradfahrer erkoren ihn damals zum Objekt ihrer Begierde. Nicht zuletzt deshalb nennt Hersteller Italjet die Neuauflage ein "urbanes Superbike" – mit Augenzwinkern, versteht sich.

Neuer Italjet Dragster 300 – erster Test

Für uns bereit steht, bei Italjet zuhause, der brandneue Italjet Dragster 300. Die spektakulär anmutende Roller-Show spielt im Hinterland von Castel Guelfo bei Bologna, wo Italjet seinen Sitz hat. Trotz Racing-Look samt sportlichen Lenkerhälften sitzt es sich ganz bequem auf dem gut gepolsterten Sitz, die Ergonomie lässt genug Platz für die Beine der knapp 1,80 Meter großen Testfahrerin. Die Sitzposition ist aktiv und leicht nach vorn gebeugt, wie es sich für den sportlichen Charakter des Rollers gehört.

Italjet Dragster 125 Gresini GP mit von der Partie

Mit von der Partie ist ein Italjet Dragster 125 im Gresini-GP-Trimm. Bisher ein Einzelstück, das Italjet extra fürs MotoGP-Team Gresini gebaut hat. Dieser spezielle Dragster 125 kurvt seitdem durchs Fahrerlager der WM, in den Gresini-Teamfarben lackiert, obendrein mit Öhlins-Fahrwerk und Akrapovic-Auspuff aufgerüstet. Im hügeligen Apennin legen sich beide Dragster geschmeidig und erstaunlich stabil in die Kurven, trotz der kleinen Räder kippelt oder wackelt nichts. Das aufwendige Fahrwerk, das die Lenkung von der Federung trennt, bewährt sich auf den welligen, mit Kanten und Schlaglöchern gespickten Straßen: Die teils massiven Unebenheiten sind zwar spürbar, doch halten beide unbeirrt die Linie.

24 PS oder 12,5 PS und optional mit Öhlins

Das Öhlins-Federbein hinten im 125er scheint etwas besser zu dämpfen, doch der Eindruck könnte auch am deutlich niedrigeren Tempo des kleinen Dragsters liegen. Sein Einzylinder, der früher im Aprilia Scarabeo Dienst tat, entwickelt 12,5 PS, was für maximal 96 km/h (Werksangabe) reicht. Für die schmalen Landstraßen der Teststrecke genug, für die Stadt sowieso, an steilen Steigungen aber wird’s mühsam.

Exotische Achsschenkellenkung

Beschleunigung und Durchzug des 300ers spielen in einer anderen Liga. Sein Motor stammt von der Vespa ab und sorgt mit rund 24 PS für viel Schwung, das Mini-Superbike zieht kraftvoll an und überholt lässig. Topspeed: 124 km/h (Werksangabe). Die Vorderradaufhängung mit Achsschenkellenkung eliminiert das übliche Abtauchen beim Bremsen weitgehend, weshalb man anfangs die Brembo-Stopper zu stark betätigt. Weil beide Roller ABS mitbringen, hat das aber keine Konsequenzen. Insgesamt legen die Dragster eine gelungene Vorstellung hin, das extravagante Design begeistert sogar während der Fahrt, da das schicke Federbein im Fußraum ständig im Blick bleibt. Also gar keine Kritik? Doch! Damit die zur Schau gestellte Technik ansehnlich bleibt, droht häufiges Putzen.

Italjet Dragster Gresini Editions ab September 2024

Als Sondermodelle, teilweise limitiert, kommen die Gresini Editions ab September 2024 in mehreren Varianten in den Handel. Einen Dragster 200 hat Italjet übrigens auch noch im Sortiment. Und in der Entwicklungs-Pipeline dragstert derzeit ein Projekt mit 700er-Zweizylinder-Motor von Benelli, mit 76 PS und 6-Gang-Fußschaltung – und 200 km/h schnell. Das verriet Italjet-Chef Massimo Tartarini im Interview mit MOTORRAD, und zur EICMA im November 2024 wird der Extrem-Scooter dann wohl zu bestaunen sein. Langweilig werden die Italjet Dragster wohl nie.

Technische Daten – Italjet Dragster 300 (125)

  • Motor: wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, 2 obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen (dohc), 4 Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Fliehkraftkupplung, Variomatik, Bohrung x Hub 75,0 x 63,0 (58,0 x 47,0) mm, Hubraum 278 (124) Kubik
  • Leistung: 24 PS/17,5 kW bei 8.250/min (12,5 PS/9,2 kW bei 9.500/min), Drehmoment 26 Nm bei 6.250/min (10,5 Nm bei 7.750/min)
  • Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Chrom-Molybdän-Stahl mit Aluminium-Gussteilen, Aluminium-Schwinge mit Achsschenkellenkung vorn, Zentralfederbein, einstellbare Federbasis, Triebsatzschwinge mit einem Federbein, direkt angelenkt, einstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn, Ø 240 (200) mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 175 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS, Reifen 120/70-12 vorn, 140/70-13 hinten
  • Maße und Gewichte: Radstand 1.350 mm, Lenkkopfwinkel 66,2 Grad, Nachlauf 58,4 mm, Sitzhöhe 770 mm, Gewicht vollgetankt 150 (140) kg, zulässiges Gesamtgewicht 305 (295) kg, Tankinhalt 9 Liter
  • Preis (2024, Deutschland): ab 6.999 Euro (ab 5.899 Euro)