Herbst 2005. Ducati präsentiert auf der Mailänder Messe ein neues Konzept. Eine Mischung aus Naked Bike, Supermoto-Flitzer und Fun Bike, die Ducati Hypermotard. Die Szene ist hin und weg, honoriert das mit sicherer Hand designte Spielmobil mit dem Prädikat "Best of Show". 2007 geht das Playbike mit dem luftgekühlten 1100er-V2 in Serie, orientiert sich im Jahr 2013 mit dem wassergekühlten 821 cm³-Zweizylinder antriebsseitig neu.
Und jetzt? Heißt der Eckenwetzer Ducati Hypermotard 939 . Auch wenn’s nicht ganz korrekt ist. Denn die sechs Millimeter größere Bohrung stockt den L-Twin auf exakt 937 cm³ Hubraum auf. Schwamm drüber, auch die Panigale 959 und 1299 tragen nicht ihren wirklichen Hubraum im Namen. Äußerlich bleibt der Treibsatz unverändert. Nur ein vor dem liegenden Zylinder montierter Ölkühler erinnert an den wegen des Hubraumnachschlags abgesicherten Wärmehaushalt.
Im Vergleich zur Vorgängerin sechs Kilogramm schwerer
Und unverändert platziert die Ducati auch ihren Piloten. Das rechte Bein mit Elan über die auf Reiseenduro-Höhe (870 mm) montierte Sitzbank geschwungen, und sofort stellt sich dieses typische Hypermotard-Feeling ein. Ganz nah rückt der Oberkörper an den Lenker, der Blick nach unten führt ins Nichts. Die Front scheint regelrecht nach hinten weggeklappt zu sein. Diese Ergonomie vorderradbetont zu nennen, wäre wohl untertrieben. Druck aufs Knöpfchen. Entspannung. Sechs Kilogramm hat die vollgetankt 204 Kilo schwere Ducati Hypermotard 939 im Vergleich zu ihrer Vorgängerin zugelegt.
Der Großteil des Zusatzballasts soll im zehn Zentimeter längeren, Euro-4-konformen Schalldämpfer stecken. Trotzdem: Der Sound bleibt weiterhin satt, sonor und dennoch sozialverträglich. Treffer. Wie auch der Motor. Quirlig, spritzig, kultiviert – mit seiner erfrischenden Leichtigkeit hat der 821er die Hypermotard-Fans in den vergangenen drei Jahren begeistert. Diesem Erbe fühlt sich auch der aufgebohrte Nachfolger verpflichtet. Keine zusätzliche Schwungmasse oder geänderte Steuerzeiten sollen den Antritt zähmen, eine etwas höhere Verdichtung (13,1 statt 12,8) sogar den Charakter noch etwas nachschärfen. Selbst dass die Spitzenleistung bei der Ducati Hypermotard 939 von 110 auf 113 PS kaum gestiegen ist, hat einen Plan. Denn die Losung lautet: alles auf Drehmoment. Bis zu 18 Prozent soll die Kurve des 937er-Triebwerks über der des 821ers liegen.
V2-Power appetitlich serviert
Doch zunächst überzeugt der neue Motor der Ducati Hypermotard 939 mit den Tugenden des alten. Beschwingt tritt er an, hängt ab 3000/min aufmerksam am Gas und scheint nach dieser Marke sein Drehmoment so geradlinig wie ein Elektromotor über das Drehzahlband zu verteilen. Kein überraschend einsetzender Biss, keine Gedenksekunde, kein Abflachen vor der Drehzahlgrenze bei 10.000 Touren. V2-Power appetitlich serviert. So mundgerecht, dass der Pilot erst beim Antritt aus engen Kehren merkt, wie der gestärkte imaginäre Bizeps das Vorderrad sanft anhebt, letztlich immer und überall mehr Druck zur Verfügung steht. Gut so. Auch weil der zusätzliche Dampf nebenbei noch die – ebenfalls der Euro-4-Homologation geschuldeten – längere Sekundärübersetzung ausgleichen muss.
Der exzellenten Kinderstube des V2 verdankt der Pilot auch sein Freispiel beim Fahrmodus. Ob der spontane Antritt im Sport-Mapping oder das etwas zahmere Ansprechen in der Touring-Abstimmung, die Auswahl bleibt Geschmackssache. Den auf 75 PS gezähmten Urban-Modus brauchte es bei der insgesamt so gelungenen Laufkultur schon beim 821er-Vorgänger nicht. Stichwort Ride-by-wire: Dass die Ducati-Elektroniker die in jedem Modus individuell konfigurierbare Abstimmung der Traktionskontrolle (acht Stufen) und des ABS (zwei Stufen) beherrschen, hat nicht nur die 821er-Hypermotard bewiesen. Während der Schlupfregler zwar je nach persönlich gewählter Intensität, aber immer unauffällig eingreift, sollte sich der Pilot beim Blockierverhinderer bewusst sein: Nur in der defensivsten Justierung, also der Stufe zwo, bleibt das Heck der Ducati Hypermotard 939 am Boden, verhindert bei der Notbremsung einen Stoppie oder gar einen Überschlag.
Reifenwechsel auch für die Ducati Hypermotard 939 ein guter Tipp
So sorgenfrei bleibt das Lenkverhalten nicht. Wie an der 821er kippt auch das Vorderrad der Ducati Hypermotard 939 zur Kurveninnenseite, muss mit Gegendruck am Lenker auf Kurs gebracht werden. Je holpriger der Belag, desto mehr. Ein sicheres Gefühl will sich erst einstellen, wenn die Hypermotard auf Zug gehalten und das Vorderrad entlastet wird. Früh bremsen und schon beim Kurveneingang ans Gas gehen, das ist das Rezept für den sauberen Strich auf der Italienerin. Und ein Reifenwechsel. Bereits beim Top-Test der 821 gelang es MOTORRAD mit den gutmütigen Conti Road Attack 2 (Serie: Pirelli Diablo Rosso 2), das Lenkverhalten zu neutralisieren. Wahrscheinlich ist das auch für die 939 ein guter Tipp. Zumal auch der Rest des Vorderteils etwas Nacharbeit vertragen könnte.
Die Kombination aus straffem Heck, scharfem Initialbiss der Brembo-Bremse und der weich abgestimmten, nicht einstellbaren Kayaba-Gabel bringt beim Einbiegen spürbar Unruhe in die Front. Dass das Hypermotard-Fahrwerk mehr Potenzial besitzt, zeigt die Öhlins-gefederte SP-Version (siehe "Nobel-Motard: die Hypermotard 939 SP"). Wer den satten Aufschlag nicht finanzieren möchte, sollte wenigstens in die stufenlose Sitzbank der SP (248 Euro) investieren. Die gibt dem von der Kuhle des Seriensitzes nach vorn gezwungenen Reiter deutlich mehr Bewegungsfreiheit. Dann kann die Ducati Hypermotard 939 ihr nach wie vor wuseliges Handling ausspielen, sich mühelos von einer in die nächste Schräglage werfen lassen und mit schlanker Taille und schmalem Knieschluss ihre Kernkompetenz weiterhin ausspielen. Der zusätzliche Druck aus dem Maschinenraum kann dabei ja nicht schaden.
Was ist neu?

Motor
- Bohrung von 88 auf 94 mm erhöht
- Hubraum von 821 auf 937 cm³ erhöht
- Drehmoment um bis zu 18 Prozent erhöht
- Spitzenleistung von 110 auf 113 PS erhöht
- Ölkühler hinzugefügt
Fahrwerk
- Längere Übersetzung (Kettenrad 43 statt 45 Zähne)
Sonstiges
- Display mit Ganganzeige
- Schalldämpfer um 10 cm verlängert und mit größerem Katalysator ausgerüstet
- LED-Blinker
- Preis: 11.890 Euro (2015: 11.390 Euro)
Ducati Hypermotard 939 SP

Ducati stellt traditionell fast jedem Modell eine hochwertiger ausgestattete Variante zur Seite. Die Ducati Hypermotard 939 SP ist technisch sowie optisch deutlich aufgerüstet – und kostet 3700 Euro mehr.
Die Unterschiede der SP-Variante zum Basismodell sind unübersehbar. Hochglänzend lackierte Kunststoffteile, Zahnriemenabdeckung und Frontkotflügel in Karbon, Öhlins-Federelemente, abgesteppte Sitzbank – die Nobel-Motard macht was her. Immerhin 3700 Euro trennen die 15.590 Euro teure SP-Variante vom Standardmodell. Beim Präsentationsbike sogar noch mehr. 2022 Euro Nachschlag kostet die nicht straßenzulassungsfähige Termignoni-Auspuffanlage, mit der die Ducati Hypermotard 939 SP nur auf der Rennstrecke ausgeführt werden darf.
SP bügelt gezielt die Schwächen ihrer Schwester aus
Unüberhörbar frei bollert der aufgebohrte V2 denn auch in der Boxengasse. Mittelgroße Piloten (1,83 m) ertasten wegen der längeren Federwege und der aufgepolsterten Sitzbank nur noch mit den Fußspitzen den Boden. Abfahrt. Während die vorderradorientierte Abstimmung der Hypermotard auf der Landstraße etwas Gewöhnung braucht, passt die Ausrichtung auf der Piste auf Anhieb. Mit viel Druck auf der Front zieht die Ducati Hypermotard 939 SP enge Bögen, der Punch des Zweizylinders lässt das Vorderrad dennoch nach jeder engen Kehre über dem Asphalt schweben.
Übermäßiges Abtauchen beim Anbremsen? Kein Thema. Gewichtsverlagerung in Wechselkurven? Auf der flachen Sitzbank ein Kinderspiel. Anbremsen auf der letzten Rille? Der ABS-Race-Modus und die gefühlsechte Radial-Bremsarmatur machen’s nervenschonend möglich. Schnell fasst man Mut, lotet die auf 47,5 Grad erhöhte Schräglagenfreiheit aus und erkennt: Die Ducati Hypermotard 939 SP bügelt gezielt die Schwächen ihrer Schwester aus. Wahrscheinlich nicht nur auf der Rennstrecke.
Unterschiede der Ducati Hypermotard 939 SP zum Standardmodell
Motor
- Aggressiveres Mapping (Wet, Sport, Race)
Fahrwerk
- Federelemente von Öhlins, voll einstellbar mit 15/25 mm (v/h) längerem Federweg
- Geschmiedete Räder von Marchesini
- Radial-Bremspumpe
- Pirelli Supercorsa SP
Sonstiges
- Gewicht (201 kg) um drei Kilogramm niedriger
- ABS-Abstimmung mit drei statt zwei Stufen
- Aufwendigere Lackierung
- Karbon-Abdeckungen
- Zylinderkopfdeckel aus Magnesium
- Sitzbankkontur flacher
- Sitzhöhe um 20 auf 890 mm erhöht
- Lenker konifiziert
- Preis: 15,590 Euro (Standard: 11.890 Euro)
Daten Ducati Hypermotard 939 (SP)

Ducati Hypermotard 939 Angebote in Deutschland

Die Ducati Hypermotard ist ein vergleichsweise seltenes Motorrad im Straßenbild und das obwohl die Verfügbarkeit der Hypermotard 939 überraschend gut ist. Die Auswahl ist groß, für echte Ducatisti steht schließlich auch die SP-Version zur Verfügung. Hier das aktuelle Angebot: gebrauchte Ducati Hypermotard 939.