Zack, rüber das Bein über knapp 80 Zentimeter Sitzhöhe und die Arme zu den satt über der oberen Gabelbrücke liegenden Stummellenkern gestreckt. Bevor die zahlreichen ungewöhnlichen Features der neuen Kawasaki im Fokus stehen, sind erst profane Dinge wie die Sitzposition an der Reihe. Obwohl der Name Ninja viel Sportsgeist suggeriert, auf der 7er-Baureihe geht’s bequem zu. Wie von selbst flutschen die Knie in die Ausbuchtungen des 14 Liter großen Tanks, fallen die Füße auf die nicht zu hoch angebrachten Rasten. Ein Platz zum Aushalten, gerne länger.
Kawasaki Ninja 7 Hybrid
Den Motor in Schwung bringen – und schon kann die wilde Fahrt starten. Selbst wenn wild nicht ganz den Kern trifft, ganz falsch ist das nicht, weil die Ninja 7 bei jedem erneuten Dreh des Zündschlüssels automatisch den Fahrmodus Sport aktiviert. Als sogenannter "Strong Hybrid" bietet die neue Kawasaki die Option, jede Antriebseinheit separat oder kombiniert zu nutzen. Die Fahrmodi der Ninja 7 lauten daher: rein elektrisch, Eco (als effiziente Kombination aus Elektro- und Benzinmotor) sowie eben Sport (Verbrenner plus Elektro-Boost für Extrapower).
Rein elektrisch Motorrad fahren
Barcelonas Verkehr an diesem Morgen bildet schier endlose Schlangen aus Pkw, Lkw und Zweirädern, durch die sich die Ninja 7 im reinen E-Modus leise schlängelt. Mit einer Nominalleistung von 9 kW schiebt der E-Motor Bike und Fahrer lässig von den Ampeln weg, packt in der Spitze bis zu 66 km/h. Ein Akku mit 1,4 kWh speist den wassergekühlten E-Antrieb. Das ist nicht allzu viel, weshalb Kawasaki die rein elektrisch mögliche Reichweite mit bescheidenen 12 Kilometern angibt. Durch Rekuperation über die Motorbremse fließt gerade im städtischen Stop-and-Go Energie in den Akku zurück, sodass gute 20 Kilometer E-Reichweite drin sein dürfte.
Elektrische Anfahrhilfe
Aufgrund der Beschränkung auf unter 70 km/h taugt der reine E-Fahrmodus nicht fürs Überlandhuschen, hier kommt der Eco-Mode ins Spiel. Mit automatischem Start-Stopp-System bei jedem Anhalten und rein elektrischem Anfahren bis etwa 20 km/h hilft er, den Verbrauch der Ninja 7 möglichst effektiv zu gestalten. Wozu ebenso das automatisierte Getriebe beiträgt.
Automatische Schaltung von Kawasaki
Einen Kupplungs- oder Schalthebel gibt es an der Hybrid-Kawasaki nicht. Vielmehr übernimmt eine Automatik die Schaltvorgänge im Sechsganggetriebe. Das gilt beim reinen E-Antrieb, bei dem das Getriebe nach hinterlegten Parametern bis in den vierten Gang hochschaltet. Beim Eco-Mode stehen alle sechs Gänge zur Verfügung. Wann Gangwechseln erfolgen, entscheidet die Ninja 7 – mit dem Ziel, den Verbrauch möglichst niedrig zu halten.
Das bedeutet, dass der nächsthöhere Gang möglichst schnell eingelegt wird. Nicht immer eine gute Idee, weil dem 451 Kubik großen Twin mit seinen 59 PS und 43,6 Nm im Maximum an Steigungen so schon mal die Luft ausgeht. Über Paddels an der linken Schaltereinheit kann der Fahrer eingreifen, manuell schalten. Und falls beim Anhalten nicht der erste Gang im Display erscheint, ist das kein Problem. Die Ninja 7 erkennt das und legt bei Bedarf automatisch die erste Getriebestufe ein. Allerdings: Ganz so geschmeidig wie mit gekonnter Kupplungshand dosiert laufen die Gangwechsel nie ab. Ohne leichtes Rucken klappt's nie.
Große 450er von Kawasaki
Mit einer Rahmenbasis, die auf die Z 650 und Ninja 650 zurückgreift, sowie der nicht einstellbaren Gabel vorn und dem nur in der Federbasis anpassbaren Dämpfer hinten liegt die Hybrid-Kawa zudem jederzeit sicher und stabil auf der Straße. Mit angegebenen 227 Kilogramm Gewicht, wovon allein 13 Kilogramm auf den Extra-Akku entfallen und einem Radstand von 1.535 Millimetern, bringt sie zwar alles andere als vordergründig kurvengieriges Talent mit, sie gibt sich beim flotten Hin-und-Her durch enge und weite Bögen tadellos. Die Schwerpunktlage scheint Kawasaki für Landstraßenritte gut hingekommen zu haben, genau wie die mit satter Dämpfung abgestimmten Federelemente. Mehr braucht’s nicht zum Kurvengrinsen.
Spaß beim Sport mit E-Boost
Und das wird noch breiter. Schieben wir für einen kurzen Moment alle Sprit-Spar- und Effizienzgedanken zur Seite und widmen uns dem Sport-Mode. Hier unterstützt der E-Motor, dessen Akku bei laufendem Verbrenner automatisch geladen wird, den Reihenzweizylinder. Für diesen Extra-E-Support weist die rechte Lenkereinheit einen Boost-Taster auf. Leuchtet der blaue E-Boost-Schriftzug im gut ablesbaren TFT-Display, steht die Extra-E-Power bereit. Also schnell den Daumen auf den E-Boost-Schalter gelegt und das Gas voll aufgedreht. Für fünf Sekunden gibt’s dann maximal 69 PS und bis zu 60,4 Newtonmeter. Und die Newtonmeter machen sich richtig bemerkbar, weil der E-Motor den Extra-Wumms 20 Nm ab der ersten Umdrehungen liefert und bis 2.400 Touren. Während der Verbrenner das maximale Drehmoment erst bei 7.500/min erzeugt. Unterm Strich: Der E-Boost stärkt den Zweizylinder genau da, wo er am schwächsten ist.
So stark wie 100 PS
Beim Sprint aus dem Stand ledert die Ninja 7 lässig alles der 100 PS-und-mehr-Klasse ab. Und in Fahrt ist der Extra-Schub eine spaßig-wirksame Unterstützung beim kurzen, dann heftigem Sprint zwischen zwei Kurven. Allerdings zieht der Boost den Akku leer, der bei Kapazität Null gute 50 Minuten Fahrbetrieb benötigt, um wieder vom Verbrenner vollgeladen zu werden. Und falls jemand fragen sollte: Spritsparend fällt der Spaß im Sportmode, der auf die Schalt-Automatik verzichtet und manuelle Gangwechsel erfordert, nicht aus. Allerdings, bereitet er großen Spaß.
Mit der Hybrid spazieren gehen
Nach so viel Unvernunft zum Abschluss noch einmal etwas Sinnvolles: Beim Rangieren unterstützt die Ninja 7 Hybrid mit einem Extra-Walk-Mode. Mit bis zu 3 km/h elektrisch vor- und zurückrollen – die neue Kawasaki kann’s und trifft so bergan jede Parklücke. Beim Abstellen fehlt bedingt durchs automatische Getriebe die Gangsperre. Daher: Die Ninja 7 besser nicht hangabwärts parken. Da wäre eine Parkbremse eine gute Lösung, genau wie eine Plug-in-Ergänzung, um den Akku per Hausstrom zu laden. Damit würde das milde und wilde Paket, das die Ninja 7 Hybrid heute schnürt, morgen noch ein wenig runder.