Die Yamaha R9 passt wunderbar zum engen Streckenlayout des Circuit Sevilla, auf dem wir die ersten Runden mit Yamahas neuem Supersportler drehen durften. Trotz teils konservativerer geometrischer und ergonomischer Daten als bei der durchweg spitzen Yamaha R6 (der Lenkkopf der R9 ist zwar zwei Grad steiler, ihr Radstand aber deutlich länger sowie Sitzbank und Fußrasten niedriger), erweist sich die 195 Kilo leichte Yamaha R9 als wunderbar handlich und äußerst zielgenau.
Dreizylinder-Sportpeitsche Yamaha R9
Schmal ist sie, die Yamaha R9, einfach eine fantastisch scharfe Dreizylinder-Sportpeitsche. Kein Gramm Fett, kein Schischi, kein wildes Design-Experiment. Einfach nur Sport, und das herausragend zugänglich. Hin und her geht ratzfatz, mühelos, beinahe rasant. Die Vorderachse hat man praktisch in der Hand, einzig weites Hineinbremsen in beginnender Schräglage zum Kurvenscheitel fühlt sich teils etwas holprig an.
An der fein ansprechenden KYB-Gabel liegt’s verdachtsweise nicht, dafür eventuell an der gefühlt harten Erst- und Testbereifung der Yamaha R9 mit dem Bridgestone RS11. Nicht mehr der jüngste Sportgummi mit eher wenig Eigendämpfung und auch nicht dem allerfeinsten Feedback.
Problemlos auf ganz enger Linie
Dennoch – die Yamaha R9 fegt durch die Kurve, wie es ein Supersportmotorrad muss, nämlich mit viel Schwung, willig um den Scheitel flexend und problemlos auf ganz enger Linie. Das KYB-Federbein? Qualitativ hohe Dämpfungsarbeit auf Niveau der Gabel, keinerlei Pumpen oder Rühren beim Herausbeschleunigen. Einige Testfahrer mit etwas kräftigerer Natur konstatierten eine unruhige Front beim Rausbeschleunigen, aber das können wir so nicht bestätigen. Für kompromissloses Racing müsste dennoch ein Lenkungsdämpfer her, klar.
Jedenfalls liefert Yamaha mit dem Chassis der Yamaha R9 ganze Arbeit: Obwohl der Rahmen exakt so aussieht wie beim Naked Bike MT-09, ist er zehn Prozent leichter und weist stark optimierte Werte im Hinblick auf Steifigkeit auf. Dass hier viel Gefühl drinsteckt, konnte man im ersten Supersport-WM-Lauf des Jahres in Australien bereits sehen, als Werksfahrer Stefano Manzi gleich im ersten Rennen den Sieg einfuhr. Wer Lust hat, sollte das Internet unbedingt nach Manzis "race winning overtake" in Race One ganz am Ende durchsuchen – atemberaubend, wie er die Supersport-Yamaha R9 quer bergab in die Kurve reinhämmerte, auf den letzten paar hundert Metern die Führung übernahm und bis ins Ziel verteidigte.
Antrieb und Leistung Yamaha R9
Motorisch glänzt die Serien-Yamaha R9 dank des Dreizylinders vor allem mit fettem Drehmoment. Wer noch das Gefühl einer drehzahlgeilen R6 in den Fingerspitzen trägt, muss sich neu kalibrieren. Denn in engen Kurven, wo man eine reihenvierzylindrige R6 wohl im zweiten voll ausgedreht hätte, muss bei der R9 definitiv der Dritte her. Hammer, wie der Dreizylinder-Sportler aus engen Kehren schnalzt und dich dabei aus der Airbox beschallt. Während die Zuschauer an der Boxenmauer nur ein leises Säuseln hören, bekommt der Fahrer ein herzhaftes "ROAARRR" auf die Ohren!
Allerdings, und auch daran muss man sich beim Rennstreckenbetrieb gewöhnen, ist bei gut 10.000 Touren Schluss mit Vortrieb, was fleißiges Schalten des knackigen Getriebes (Schaltassi mit Blipper vorhanden, beides arbeitet tadellos) bedingt. Wenn der Motor noch 1.000, vielleicht sogar 2.000 Touren höher jubeln würde, wäre das Spektakel mit der Yamaha R9 absolut perfekt, der Fahrfluss tendenziell sogar noch besser.
Da der CP3 allerdings beinahe eins zu eins aus der MT-09 übernommen wurde (nur die Endübersetzung fällt 15 Prozent länger aus, außerdem ist das Mapping und die YCC-Kalibrierung neu), bleibt genau das vorerst ein Träumchen. Daher verfügt die Yamaha R9 auch über kein Ram-Air-System zur Leistungssteigerung. Andernfalls hätte Yamaha für den R9-Antrieb eine neue Homologation erwirken müssen, was auch den Verkaufspreis der Maschine (14.000 Euro inklusive Nebenkosten) deutlich in die Höhe getrieben hätte.
Bremsen Yamaha R9
Bremsen kann die Yamaha R9 ebenfalls effizient, da die Brembo-Stylema-Sättel mächtig verzögern. Beim ersten Fahrtest der neuen Yamaha R9 auf dem Circuit Sevilla zeigt sich die Maschine aber heckseitig etwas nervös, wenn man wirklich viel Bremskraft abruft – sicherlich eine Sache, die man mit geschickten Veränderungen am Fahrwerkssetup in den Griff bekommt, wofür aber keine Zeit mehr übrigblieb. Eine weitere Beobachtung betrifft das Bremsgefühl am Handhebel, das dürfte gern einen Tick stabiler ausfallen. Mehr als nur ein Trost ist die saubere Anti-Hopping-Kupplung, Drifts lassen sich mit deaktiviertem Hinterrad-ABS blitzsauber einleiten.
Elektronische Assistenten
Tadellos arbeitet die IMU-basierte Assistenzelektronik der Yamaha R9. Von Traktionskontrolle über Wheeliekontrolle bis Slide-Control, einstellbarem Motorbremsmoment, dem eben erwähnten ABS (am Heck: aus), Launch-Control und natürlich dem Mapping, lassen sich zig verschiedene Parameter nach persönlichen Vorlieben einstellen. Unserer Erfahrung auf dem Circuit Sevilla nach, kann man der Arbeitsweise der Helferlein nichts vorwerfen, die Traktionskontrolle beispielsweise arbeitet bei niedrigen zweistelligen Temperaturen mit dem RS11-Reifen höchst gefühlvoll.
Technische Daten Yamaha R9
- Motor: Dreizylinder (CP3) aus der MT-09
- Hubraum: 890 cm³
- Leistung: 119 PS
- Max. Drehzahl: ca. 10.000/min
- Gewicht: 195 kg
- Rahmen: Leichter als der der MT-09 (10 % Gewichtsersparnis)
- Radstand: Länger als bei der R6
- Lenkkopfwinkel: Zwei Grad steiler als bei der R6
- Sitzhöhe: Niedriger als bei der R6
- Fußrasten: Niedriger als bei der R6
- Federung: Gabel KYB, fein ansprechend; Federbein KYB, hohe Dämpfungsqualität
- Reifen: Bridgestone RS11
- Bremsen: Vorn Brembo Stylema-Bremssättel; hinten: Anti-Hopping-Kupplung für saubere Drifts
- Schaltung: Quickshifter mit Blipper
- Elektronik: Traktionskontrolle, Wheeliekontrolle, Slide-Control, Einstellbares Motorbremsmoment, ABS (hinten deaktivierbar), Launch-Control, Mehrstufige Fahrmodi
- Preis Yamaha R9: 14.000 Euro (inklusive Nebenkosten)