Sporttourer von BMW, Kawasaki und Suzuki im Vergleich

R 1250 RS, Ninja 1000 SX und GSX-S 1000 GT im Test
Tourensportler von BMW, Kawasaki und Suzuki

Veröffentlicht am 17.06.2024

Boxer-Motor der BMW R 1250 RS

Die Drehmomentkurve des BMW-Boxers bringt jedenfalls einen hohen Erlebniswert mit sich, und das schon in einem Drehzahlbereich, der weder Fahrer noch Umwelt stresst. Keiner der beiden Vierzylinder dieses Vergleichs treibt einen mit so nonchalant entfalteter Kraft, so lässig-mächtig aus der Kurve wie der bayrische "Contra-Motor". Der Hubraumvorteil, der Nachteil der halben Zylinderzahl und die höchst raffinierte Schaltnockentechnik vereinen sich zu einer Leistungscharakteristik, die für den "normalen" Fahrbetrieb nahezu ideal ist.

Vierzylinder mit ähnlichen Kurven

Deutlich sicht- und fühlbar stand bei der Entwicklung der Vierzylinder von Kawasaki und Suzuki das Ideal der linear mit der Drehzahl ansteigenden Leistung im Fokus. Trotz unterschiedlicher Hubräume malen sie bis etwa 9.000/min nahezu identische Kurven ins Diagramm, darüber schlagen bei der Suzuki die Supersport-Gene des GSX-S-Motors durch – er stammt aus der GSX-R 1000 von 2005. Dieser Vierzylinder dreht bis 12.000/min und übertrifft den hubraumstärkeren Kawasaki-Motor in der Spitzenleistung um satte 17 PS. Wie sich das beim Fahren auswirkt, zeigt ein Blick auf die Beschleunigungswerte von 0 bis 140 und 200 km/h.

Suzuki GSX-S 1000 GT, Kawasaki Ninja 1000 SX, BMW R 1250 RS: Drei Tourensportler im Vergleich.
MOTORRAD

Kawasaki-Antrieb am höchsten kultiviert

Dass der 999er der Suzuki gegenüber dem 1043er der Kawasaki unten und in der Mitte nichts verliert und oben noch ordentlich draufpackt, ist eine starke Leistung der Suzuki-Ingenieure. Im Hinblick auf Laufkultur und Lastwechselverhalten kann der Suzuki-Motor seinem japanischen Konkurrenten dagegen nicht das Wasser reichen. Vor allem in höheren Drehzahlen vibriert er kernig. Das muss kein konstruktiv bedingter Nachteil sein; der baugleiche Motor der Suzuki Katana, die MOTORRAD im Testfuhrpark hatte, lief deutlich vibrationsärmer, zeigte jedoch ein ähnlich schnippisches Lastwechselverhalten, auch im gemäßigten B-Modus. Im Rahmen dieses Tests liefert Kawasaki den am höchsten kultivierten Antrieb, doch auch er erreicht in den Lastwechseln nicht ganz die Geschmeidigkeit des Boxers.

BMW-Motor am sparsamsten

Es verdient ein großes Lob, dass die BMW-Entwickler dieses Wohlverhalten, das sogar im Dynamik-Modus zu spüren ist, offenbar ohne exzessive Anfettung des Gemischs im Teillastbereich erreichen. Denn bei einer kühlsauerstoffreichen Verbrauchsmessfahrt konsumierte der Boxer auf 100 Kilometern 0,5 Liter weniger als die Kawasaki und 0,6 Liter weniger als die Suzuki. Diese Unterschiede liegen deutlich über der Messtoleranz und bescheren der BMW trotz des kleinsten Tanks die größte Reichweite.

Suzuki-Motor von Tirol-Sperre betroffen

Seinen expressiv-sportlichen Charakter dokumentiert der Suzuki-Vierzylinder auch akustisch. Er klingt kräftig und dunkel und verweist selbst den ebenfalls markant tönenden BMW-Boxer in den Chor der Begleitstimmen. Der Kawasaki-Motor hält sich in diesem Umfeld sowieso vornehm zurück. Die Suzuki ist auch die Einzige, die mit ihrem Standgeräusch von der Tirol-Sperre betroffen ist.

Schaltbarkeit der Getriebe

Wer heute die Schaltbarkeit eines Motorradgetriebes beurteilt, hat es längst nicht mehr allein mit Mechanik zu tun. Die Elektronik, die hinter einem Schaltassistenten steckt, spielt mittlerweile ebenfalls eine wichtige Rolle. Suzuki hat sich damit, vor allem mit dem "Blippern", dem Zurückschalten ohne Kupplung, lange Zeit gelassen, diese Zeit aber gut genutzt – die GSX-S schaltet sich hinauf wie herunter präzise, auf knackig kurzen Wegen, aber keinesfalls hart. Die Kawasaki gibt auch hier den Softie, verwässert aber ein wenig das Gefühl für die Rastpunkte der Schaltwalze.

Bei der BMW sorgt wahrscheinlich die halbe Zylinderzahl, sprich die halbe Anzahl von Zündungen bei gleicher Drehzahl, für etwas rustikalere Gangwechsel. Wie gewohnt lassen alle drei Getriebe in leicht unterschiedlicher Ausprägung erkennen, dass sie Gangwechsel ohne Kupplungseinsatz bei höheren Drehzahlen lieber mögen als bei niedrigen. Nach dem Anfahren rasch die Gänge durchzuschalten, um im Verkehr mitzuschwimmen, gelingt geschmeidiger mit Kupplungseinsatz.

Kawasaki-Kupplung fordert geringste Handkraft

Apropos Kupplung: Diejenige der Kawasaki fordert die geringste Handkraft und lässt sich auch noch beim scharfen Anfahren am besten dosieren, während die FCC-Einheit der BMW den kräftigsten Zug am Hebel verlangt und bei Ampelstarts mit etwas höherer Drehzahl fast schon bestürzend energisch zupackt. Das ist nicht neu; vermutlich sind die Rampen, die beim Einrücken die Kupplungsfedern stärker vorspannen, also das Gegenteil des Anti-Hopping-Effekts beim Gaswegnehmen bewirken, etwas zu steil angeordnet.

Wieder einmal sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die beschriebenen Unterschiede im direkten Vergleich sehr wohl zu spüren, aber noch immer im Bereich zwischen "sehr gut" und "noch fast sehr gut" einzuordnen sind. Auf keinen Fall sollte man aus solchen Unterschieden ein Ausschlusskriterium für das eine oder andere Motorrad ableiten.

Fahrwerke im Vergleich

Bedeutsamer sind da schon die Unterschiede, die sich beim Vergleich der Fahrwerke offenbaren. An erster Stelle steht die Frage, wie die drei Kandidaten guten Federungskomfort auf Tour und die nötige Straffheit der Dämpfung bei sportlichem Fahren bereitstellen. Ein Fahrwerk mit semiaktiv variabler Dämpfungseinstellung, also der Anpassung der Dämpfungsparameter in Millisekunden, sollte diesen Spagat am besten bewältigen, und diese Vermutung bestätigt sich in der Praxis.

Selbstverständlich zollt auch die BMW tiefen und scharf konturierten Bodenwellen Tribut und kann irgendwann nicht mehr anders, als Stöße an den Fahrer weiterzugeben. Doch wer die gleiche Holperstrecke zuerst auf ihr und dann auf den beiden konventionell gedämpften Motorrädern befährt, realisiert, wie viel von den Wellen sie sensibel ansprechend und reaktionsschnell abgearbeitet hat.

Auf der anderen Seite des Anforderungsspektrums mangelt es der BMW beim sportlichen Fahren nicht an den nötigen Dämpfungskräften – zu schnelles Abtauchen der Front beim scharfen Bremsen kommt ebenso wenig vor wie Pumpen der Hinterhand beim kräftigen Beschleunigen aus der Kurve. Und was die semiaktive Dämpfungsanpassung im einen Modus nicht leisten kann, lässt sich eventuell durch die Möglichkeit erreichen, die Dämpfungsmodi während der Fahrt rasch zu wechseln.

Druckstufen einstellen an Kawasaki und Suzuki

Die erste Reaktion auf die Unterschiede im Federungskomfort bestand darin, die Druckstufeneinstellung bei den beiden konventionell gedämpften Motorrädern in Richtung "soft" zu ändern. Das geht bei der Kawasaki vorn asymmetrisch am rechten Gabelholm und bei der Suzuki symmetrisch an beiden. Hinten lässt sich die Druckstufe bei beiden nicht verändern, da sie aber beide in der Werkseinstellung allein schon durch die Hinterradlast ohne Fahrer relativ weit einfedern, empfiehlt es sich, die Feder stärker vorzuspannen. Nein, dadurch wird die Hinterradfederung nicht "härter", sondern ein Stück weit in den flachen Teil der Progressionskurve verschoben und daher tendenziell sensibler im Ansprechen.

Dank ihres Handrads lässt sich diese Einstellung bei der Kawasaki mit weniger Mühe vornehmen als bei der Suzuki. Mit dem Bordwerkzeug geht die Anpassung zwar auch bei ihr recht schnell, erfordert aber höheren Kraftaufwand. Mit einer zweiten Person, die das Motorrad zur Entlastung über den Seitenständer zieht, geht es leichter.

Auch mit geänderter Einstellung behält die Suzuki die straffste Grundabstimmung, zeigt in Sachen Federung und Dämpfung eine konventionelle Art von Sportlichkeit. Dagegen ist nichts einzuwenden; bei zügiger Fahrweise auf gut ausgebauten Straßen gereicht ihr das sogar zu leichtem Vorteil. Zusammengefasst erhält sie in den Kategorien Kurvenstabilität, Lenkverhalten und Rückmeldung die meisten Punkte. An den Torturen einer Holperstrecke lässt sie die Besatzung aber zu großzügig teilhaben.

Bremsvorrichtungen

Motorcharakteristik und Fahrwerksabstimmung – diese beiden Bereiche ergänzen sich bei der Suzuki widerspruchslos. Von den Bremsen kann man das leider nicht sagen. Mit den Serienbelägen wirkt die Vorderradbremse stumpf und lässt es an Gefühl für die nötige Handkraft vermissen. Vermutlich würde die Verzögerung bei einer Bremsmessung trotzdem auf hohem Niveau liegen. Doch diesseits der Vollbremsung – und das ist der Bereich, in dem wir alle am häufigsten verzögern – wirkt der fehlende Initialbiss doch irritierend, vor allem, wenn man von der Kawasaki und der BMW auf die Suzi umsteigt.

Es ist immer dasselbe mit solch stumpfen Bremsen: Man fährt auf eine Kurve zu, schätzt den durch Erfahrung und aktuelle Parameter bestimmten Bremspunkt ein – es muss nicht der letztmögliche sein. Man bremst und dann passiert … einen endlosen Sekundenbruchteil lang zu wenig. Unwillkürlich zieht man viel stärker zu, die jetzt angewärmte Bremse beißt kräftiger, die Front taucht ab und wahrscheinlich erreicht man den Einlenkpunkt langsamer als vorgesehen. Statt einer flüssigen Kurvenfahrt mit ineinander übergehenden Bewegungsabläufen hat man ein eckiges "Malen nach Zahlen" produziert.

Das soll nicht heißen, dass die energisch zubeißende BMW-Bremse oder gar die noch energischere der Kawasaki für alle das Maß aller Dinge wären. Dem einen sind sie gerade recht, der andere findet sie vielleicht sogar zu bissig. Doch die Tendenz war bei allen Testern dieselbe: BMW und Kawasaki flößen mehr Vertrauen ein; ihre Eigenschaften tragen viel dazu bei, dass eine bruchlose Abfolge von Fahrmanövern gelingt.

Probehalber bestückten wir die Brembo M50 der Suzuki mit Belägen für die Kawasaki ZX-10R (BRM11GHH und 07.9882.14 statt BRM11NGG und 07.9882.44). Von Tester Timo Morbitzer auf dem Weg zur Fahrleistungs-Messstrecke sorgsam eingebremst und im Zuge der Messungen geglüht, brachten sie einen deutlichen Fortschritt. Timo fand das Bremsgefühl nahezu perfekt, mir könnte die Bremse sogar noch einen Tick giftiger sein. So oder so lohnt es sich, mit schärferen Belägen zu experimentieren.

Windschutz und Touring-Ausstattung

Als Sporttourer bieten die drei Testkandidaten nicht die ausladenden Verkleidungen eines hauptberuflichen Tourers. Für Fahrer, die nichts dagegen haben, sich bei schneller Fahrt auch mal über den Lenker zu ducken, aber ordentlichen Windschutz. Die BMW und die Kawasaki besitzen darüber hinaus einstellbare Verkleidungsscheiben. Bei der Kawasaki betrifft die Verstellung in vier Stufen weniger die Höhe als viel mehr den Anstellwinkel der Scheibe, deren oberer Rand in der steilen Stellung ein gutes Stück vom Fahrer wegrückt. Das funktioniert überraschend gut und mit weniger Wirbeln als erwartet, indem der Luftstrom etwa 10 bis 15 Zentimeter höher gelenkt wird als in der flachen Stellung der Scheibe. Man sollte aber keinesfalls während der Fahrt die Finger in den engen Spalt zwischen Gabelbrücke und Cockpit zwängen, in dem sich die Drucktaste zum Entriegeln der Scheibe verbirgt.

Andere wichtige Tourenaccessoires, in erster Linie die Koffersysteme, sind bei allen praxisgerechter ausgeführt. Mit kleinen Abstufungen von BMW über Suzuki bis Kawasaki sind die Koffer leicht anzubringen und abzunehmen. Sie lassen sich mit dem Zündschlüssel abschließen und fassen einen Integralhelm. Die Kofferpaare genügen sogar ästhetischen Ansprüchen.

Smartphone-Navigation im Cockpit

Die Möglichkeit, das Anzeigeinstrument per Bluetooth mit dem Smartphone zu paaren, bringt einige komfortable Zusatzfunktionen. Am wichtigsten ist dabei sicherlich die Smartphone-Navigation im Anzeigeinstrument, wie sie die BMW und die Suzuki bieten. Auf der Suzuki-Website erfährt man, dass dafür die mySPIN-App nötig ist. Spezielle Apps werden auch bei den beiden anderen für die Konnektivität benötigt. Die Kawasaki ermöglicht im Bereich Navigation per Smartphone nur, eine Tour aufzuzeichnen. Halten wir zum guten Schluss noch fest, dass die Suzuki GSX-S GT das am besten ablesbare Anzeigeinstrument des gesamten Modellprogramms besitzt.