Ah, eine Harley! Der Gedanke beim ersten Anblick von Hondas neuer Touring-Variante der 1100er Rebel ist unausweichlich. Und von den japanischen Designern sicher nicht unbeabsichtigt.
Ami-Optik aus Japan
Zu augenscheinlich ist die neue, lenkerfeste Verkleidung der CMX 1100 T dem klassischen Fledermaus-Flügel, der Batwing-Verkleidung aus Milwaukee, nachempfunden. Und die fließenden Formen der beiden zum Heck hin tropfenförmig geschwungenen Koffer lassen eher an cooles US-Bagger-Styling denken als an rational-japanischen Nutzwert.
Kleine Koffer, große Wirkung
Den haben die beiden schmal gehaltenen Hartschalen-Bags (stilbildend für die Gattung "Bagger") der Honda nur bedingt, fassen zusammen gerade mal 35 Liter – 16 links, 19 rechts. Womit die Unterschiede der CMX 1100 Rebel mit T im Vergleich zu der ohne schon aufgezählt wären. 15 Kilogramm Mehrgewicht auf 238 Kilogramm bescheren Verkleidung und Koffer dem Touring-Cruiser gegenüber der Standard-CMX 1100. Und 700 Euro zusätzlich im Preis.
Aufsitzen leicht gemacht
Nähern wir uns dem wo immer möglich in bösem Schwarz (Honda nennt’s "Gunmetal-Black Metallic") gehaltenen Touring-Cruiser erst mal von der Seite – und stellen angenehm überrascht fest, dass er einladend schlank wirkt, wie er da auf seinem Seitenständer parkt. Aufsitzen leicht gemacht. Der 700 Millimeter tiefe Fahrersitz ist eine Art breite, natürliche Sitzkuhle, während das kleine Beifahrermöbel eher als große Zumutung gesehen werden muss. Rebellen fahren also besser allein. Und zwar mit minimal nach vorn gebeugtem Oberkörper. Denn so platziert einen die Honda mit den leicht vorverlegten Fußrasten und dem breiten, weit vorn positionierten Lenker. Das wirkt erst etwas gewöhnungsbedürftig, ist aber nicht unbequem.
Einziger Kritikpunkt an der Haltung: das Cockpit mit dem runden LC-Display und seinen Kontrolllämpchen liegt leicht unterhalb des Fahrersichtfelds. Einen nach dem Abbiegen vergessenen Blinker kann man so gerne mal übersehen und blinken lassen.
Bekannter Twin mit Doppelkupplung
Der aus der aktuellen Africa Twin bekannte Reihentwin – ah, keine Harley! – pulsiert nach dem Anlassen entspannt vor sich hin. Mit einem dezenten Klack wird rechts per Daumen vom Leerlauf in den Drive-Modus geschaltet; der erste Gang ist drin, aber das (für 1.000 Euro und zehn Kilo Gewicht optionale) Doppelkupplungsgetriebe (DCT) hält die Rotationen der Kurbelwelle des Reihentwins noch von Antriebskette und 180er-Hinterreifen fern.
Erst beim Gasgeben finden beide zusammen. Schön gleichmäßig setzen sich die 248-plus-Fahrer-Kilo der Rebel in Bewegung. Die Elektronik bietet die Wahl zwischen vier Fahrmodi: Standard, Sport, Regen und User, welcher frei konfigurierbar ist (Gasannahme, Motorbremsmoment und Traktionskontrolle sind dabei je dreistufig einstellbar). Das DCT passt sich dem aktuell gewählten Modus ebenfalls an und schaltet entsprechend: im niedertourig ausgelegten Standard-Modus völlig unauffällig, während im Sport-Modus die Gänge deutlich weiter ausgedreht werden. Der serienmäßige Tempomat passt gut zum Touring-Charakter und rundet das elektronische Angebot der Honda für 12.960 Euro mit DCT ab.
Weniger Druck als die Schwestern
Im Vergleich zu ihren so Markenkollegen mit dem gleichen Zweizylinder mit 270-Grad-Kurbelwelle und kompakter Unicam-Ventilsteuerung, Africa Twin und NT 1100, hat die Rebel 1100 T mit 87 PS und 98 Nm de facto weniger Druck. Dafür erreicht sie ihr maximales Drehmoment schon bei 4.750/min, was einer gattungstypisch niedertourig-entspannten Fahrweise entgegenkommt.
Cruisen, nicht rasen
Dass die Rebel 1100 T zum Rasen nicht gebaut ist, unterstreichen die konventionellen, nur in der Vorspannung einstellbaren Federelemente. Vor allem hinten gehen Stöße ungefiltert nach oben durch. Der breite 130er-Vorderreifen ermöglicht dank einer ausgewogenen Fahrwerksgeometrie immer noch ausreichend Handlichkeit, sorgt höchstens beim Bremsen in Kurven für etwas Aufstellmoment. Von der Wirkung her lässt die einzelne 330er-Bremsscheibe vorn keine Wünsche offen, greift fein dosierbar und effektiv zu.
Kritikpunkte
Ausgerechnet die optisch so coolen, nach oben öffnenden Koffer der Rebel 1100 T geben sich – zumindest im nicht eingearbeiteten Neuzustand – störrisch, fordern mit hakigen Schlössern etwas Geduld. Die vorderen Blinker wirken in ihren Plastikgehäusen etwas billig, und die bei der DCT-Version nötige Feststellbremse lässt sich nur umständlich aus der Parkposition lösen. Nichts, womit ein Rebell auf Tour nicht leben könnte.