Die 2 besten Elektro-Motorräder?: Can-Am Pulse und Origin im Test

Can-Am Pulse und Origin im Test
Sind das die 2 besten Elektro-Motorräder?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 18.12.2025
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"Deine Maschine ist aber schön leise!" Der Mountainbike-Fahrer stoppt an dem Parkplatz, auf dem ich für die Fahrfotos gewendet habe. Er ist kein Motorradhasser, fährt selbst eine Yamaha Ténéré 700, wie er erzählt. "Ist doch angenehm, wenn man die Natur hier ohne Krach genießen kann."

Turbinenartig hochdrehender E-Motor von Rotax

Die Can-Am Pulse ist selbst für ein Elektromotorrad auffallend ruhig unterwegs. Leise, fast lautlos, kommt das Naked Bike vom Fleck. Es brabbelt nichts, da pratzelt nichts. Der turbinenartig bis 12.000 Umdrehungen hochdrehende E-Motor von Rotax läuft im ebenso kühlenden wie akustisch dämpfenden Wassermantel.

Und die O-Ring-Kette surrt kaum hörbar. Pflegeleicht und gut geschützt läuft sie sauber und lebensverlängernd im Ölbad-Kettenkasten der Einarmschwinge. Da ist eine erste Inspektion der mit federbelastetem Spanner bestückten Antriebskette erst nach 25.000 Kilometern vorgeschrieben.

Aber zurück ins Hier und Jetzt: Fehlt beim Fahrerlebnis der Sound nicht? Nein, tatsächlich nicht. Es schärft sogar die Sinne für den Verkehr ringsum. Und das Fehlen von Kupplungs- und Schalthebel ist nicht bloß "anfängerfreundlich": Es lässt dich die pure Essenz des Fahrens, Brems- und Einlenkpunkte samt Linienwahl noch konzentrierter wahrnehmen, wirklich wahr.

Modern, aber nicht zu futuristisches Design

Der recht zierliche Roadster namens Can-Am Pulse gefällt durch sein eigenständig-elegantes Design: modern, aber nicht zu futuristisch – und bereits mit dem begehrten Red Dot Design Award geadelt! Trotz gar nicht mal so geringer 825 Millimeter Sitzhöhe lässt der schmale Zuschnitt des Sitzmöbels selbst kleinere Piloten easy den rettenden Erdboden erreichen. Das schafft Vertrauen. Guten Zug am Rückgrat bedingt die leicht gestreckte Sitzposition. Prima liegt der breite, konifizierte Lenker zur Hand. Das ist wirklich bequem.

Sehr feine Dosierung der Leistung möglich

Erst mal loskommen. Die Startprozedur ist tricky, man muss erst Warnhinweise im 10,25 Zoll großen Cockpit-Tablet wegklicken und den Strom-Drehgriff kurz nach vorn, über die Nullstellung hinaus, drehen. Erst danach setzt sich der 179 Kilogramm leichte Stromer wieder easy in Bewegung.

Wenden am Lenkanschlag? Ist eine leichte Übung. Von Anfang an begeistert die hervorragend feinfühlige Abstimmung des Controllers: Ganz ohne die bei Verbrennern üblichen Korrektive von Kupplung und Getriebe ermöglicht er eine sehr feine Dosierung der Leistung. Klasse!

Mehr Drehmoment als eine Yamaha MT-07!

Der auf magere 15 PS begrenzte Fahrmodus Eco ist auf höhere Reichweite ausgelegt. Schub? Na ja, verhalten halt. Im Regen-Modus grätscht die Traktionskontrolle spürbar am frühesten ein. Also lieber zum Fahrmodus Normal mit seinen 41 PS Spitzenleistung gewechselt. Dazu dient – ruck, zuck – einer der vielen beleuchteten Schalter an der etwas überfrachtet wirkenden linken Lenkerarmatur.

Und siehe da: Nun geht was. 2,1 Sekunden von null auf 50 durch einen kleinen Dreh am Handgelenk. Nun, für diese Klasse fette 72 Newtonmeter Drehmoment, die sich nicht erst mit hohen Drehzahlen aufbauen müssen, sind mehr als bei einer minimal schwereren Yamaha MT-07!

Im vierten Modus, Sport+ mit gemessenen 51 PS, braucht es bloß 1,7 Sekunden von null auf 50. Da gibt es beim Ampelsprint nicht mehr viele ernst zu nehmende Gegner. Wilde Sause, total anwohnerfreundlich. Klasse. 4,5 Sekunden braucht es von null auf 100. Sensationell für die 48-PS-Klasse und ganz easy jederzeit reproduzierbar, ohne Angst vor einer verrauchenden Kupplung. Übrigens ist die Traktionskontrolle nur im Sport+-Modus auch deaktivierbar. Aber wir lassen sie mal an.

Can-Am Pulse mit aktiver Rekuperation

Ortsausgang, 50 km/h, Brause auf, und rasante 2,8 Sekunden später hat man echte 100 Sachen drauf. Macht Laune! Ist eben kein Durchzug, sondern stets (un-)spektakulär die volle Beschleunigung. Da brauchen selbst deutlich stärkere Verbrenner schon ziemlich niedrige Gänge, um bei flotten Zwischenspurts bis Tempo 100 dranzubleiben. Aber deswegen im dritten oder gar zweiten Gang durch die Stadt jubeln, bloß um ein "E-Bike" abzuledern?

Ein besonderer Clou der Can-Am Pulse ist ihre "aktive Rekuperation": Dreht man den Strom-Drehgriff beim Ausrollen aktiv nach vorn über die Nullstellung hinaus, wird der E-Motor zum Generator. Er gewinnt dann elektrische Energie, lädt beim Bergabfahren wieder etwas auf. Kann man an der dann steigenden Reichweite im riesigen 10,25-Zoll-Display ablesen.

Aktive Rekuperation fühlt sich an wie ein extrem hohes Motor-Bremsmoment eines hochverdichtenden V2. Schon irre, fast eine komplette Bergabfahrt zu bewältigen, ohne die konstruktiv einfachen Bremsen zu bemühen. Zumal dieses fein dosierbare Motorbremsen auch hilft, der Maschine engere Radien aufzuzwingen.

Denn Kurven kann die Can-Am! Auf ihren recht schmalen Reifen wuselt die Pulse locker und leicht durchs Winkelwerk, zirkelt handlich um Kurven jeglicher Couleur. Und gibt sich schön zielgenau dabei. Ziemlich passabel grippen die Dunlop-Pneus Sportmax GPR 300. Wenn die Fußrasten Furchen in den Teer ziehen, ist man schon ganz schön schräg unterwegs.

Gut ausbalanciertes Chassis

Gut ausbalanciert wirkt das Chassis mit nicht einstellbarer Upside-down-Gabel von KYB und direkt angelenktem Sachs-Federbein. Lange Wellen in der Asphaltdünung reitet die Pulse souverän ab. Das bedingt ein "sattes" Fahrgefühl. Nur bei kurzen, rasch aufeinanderfolgenden Störimpulsen kommt die Hinterhand nicht mehr gut hinterher.

Der nah der Schwingenachse sitzende, zwölf Kilogramm leichte E-Motor gehört hier zu den ungefederten Massen. Für Fahrer(innen) mit 15-PS-Lizenz – Führerschein A1 oder Pkw-Erweiterung B 196 – gibt es eine Version mit 11 kW/15 PS Dauerleistung bei 31 PS Peak-Power – satter Schub ganz legal frei ab 16.

Allerdings riegelt selbst in unserer offenen Version der Controller bei der gemessenen Vmax von 125 km/h ab. Wegen des mit der Geschwindigkeit überproportional ansteigenden Leistungsbedarfs heißt das Motto "Strom sparen".

Denn 8,9 Kilowattstunden Akku-Kapazität entsprechen dem Energie-Inhalt von nur etwa einem Liter Benzin. Selbst angesichts des rund dreifach besseren Wirkungsgrads des E-Motors (über 90 Prozent!) ist das mager.

Immerhin sind hier neben dem Motor sogar die Akkus wassergekühlt. Dies sorgt für einen ausgeglichenen Thermohaushalt und verlängert ihre Lebensdauer. Markant sitzen die Akkus in einem gelben Batteriekasten, der voll tragend Front- wie Heckhilfsrahmen aufnimmt.

Wie lange reicht eine Akkuladung?

Can-Am gewährt fünf Jahre oder 50.000 Kilometer Garantie auf die Akkus (bis 70 Prozent der Anfangskapazität). Dies wären rund 500 Ladezyklen. 112 Kilometer Reichweite hatte das 10,25 Zoll große Tablet von einem Cockpit (Konnektivität inkl. Apple CarPlay ist Ehrensache) bei Fahrtantritt mit vollen Akkus versprochen.

Nach exakt 100 Kilometern erreichen wir mit Restreichweiten-Anzeige "null" und bereits verminderter Leistungsabgabe den heimischen Hof. Nach einer durchaus spaßigen Fahrt, bei der man lernt, vorausschauend zu fahren und mitunter den Normal- oder Eco-Modus beim bloßen Mitschwimmen im Verkehr zu nutzen.

Soll man dann vielleicht doch besser gleich im Rucksack das Ladekabel mitführen? Es passt leider nicht ins Handschuhfach der mit USB-Ladebuche bestückten Tankattrappe. Geladen werden kann mit Level-1- oder Level-2-Stecker. Und beim Rangieren hilft eine Rückfahrfunktion. Tricky ist Parken am Hang: Es gibt keine Feststellbremse, Wegrollen ist also möglich …

Can-Am Origin: lautlos & lässig im Offroad-Einsatz

Gilt alles auch für die E-Enduro Can-Am Origin mit gleichem Antriebsstrang. Sie wirkt auf ihren Drahtspeichenrädern in 21/18 Zoll mit Stollenreifen Dunlop D 605 trotz noch breiteren und höheren Lenkers hüftsteifer. Die E-Enduro braucht speziell bei höheren Tempi energische Lenkimpulse, ansonsten untersteuert sie leicht.

Sie beschleunigt etwas weniger flott, wiegt moderate 186 Kilogramm, bettet den Fahrer in astronomischen 890 Millimetern Sitzhöhe und saugt den Akku wegen größeren Luftwiderstands noch etwas schneller leer.

Trotzdem bietet sie auf unbefestigten Wegen ein tolles Fahrerlebnis. So easy sind wir selten über Stock und Stein gebrettert, ohne auf Feldwegen nur ein einziges Reh aufzuscheuchen.

Zwei Fahrmodi mehr als die Pulse

Da Kontrollierbarkeit, neben Traktion, offroad doppelt zählt, hat die Can-Am Origin zwei zusätzliche Fahrmodi an Bord, Offroad und Offroad Plus. So lässt sich die Power auf kniffligen Passagen feinst justieren und ist bei Bedarf voll da. Echte Könner dürfen alle elektronischen Helferlein (ABS/TK) ausschalten, um etwa bei (Anbrems-)Drifts so richtig Spaß zu haben.

Auf losem Schotter wirken enorme 274 Millimeter Bodenfreiheit und langhubige Federelemente von KYB mit je 255 Millimetern Federweg fast schon unterfordert.

Die in Kanada entwickelten, in Mexiko gefertigten Maschinen sind wegen geringer Zuladung (149/152 Kilogramm) eher ein Fall für idealistische Solisten. Neue Preise ab 12.899 bzw. 13.499 Euro sind im Reigen der Elektro-Motorräder nun endlich konkurrenzfähig. Zumal der Unterhalt deutlich günstiger ist als bei reichweitenstärkeren Verbrennern. Der Ansatz der adretten, leisen Can-Am-Sisters hat halt was!

Fazit