2024 neu: Moto Guzzi V85 TT, TT Travel und Strada – Fahrtest

Moto Guzzi V85 TT, Travel und Strada 2024 Fahrtest
So fahren die neuen V85-Modelle von Moto Guzzi

Veröffentlicht am 10.03.2024

Auf der "strada del successo", also auf der Straße des Erfolgs ist Moto Guzzi seit dem Erscheinen der V85 TT anno 2019 unterwegs. Damit das auch fürderhin so bleibt, wurde die V85-Palette für 2024 mit einem Einstiegsmodell ergänzt. Und dank variabler Ventilsteuerzeiten fährt künftig sogar ein Hauch Hightech mit.

Moto Guzzi V85 TT – erfolgreich seit 2019

Wie man heute weiß, hat die 2019 präsentierte V85 Moto Guzzi aus dem Tal der (Absatz-)Tränen geholt und der Marke auch neue Käuferschichten erschlossen. Doch die V85 war bei aller Knuffigkeit nicht ganz ohne Schwächen. Besonders die Euro-4-Version war mit einem deutlich spürbaren Drehmomenteinbruch zwischen 3.000 und 4.000/min geschlagen, was je nach Beladung und Streckenprofil mehr oder weniger deutlich den Fahrspaß trübte. Bei der Euro-5-Version ab 2021 gelang es Moto Guzzi zwar, den Drehmomenteinbruch an dieser Stelle zum Preis von 4 PS weniger Spitzenleistung deutlich zu minimieren, dennoch wirkte der Twin unter 4.000/min latent lustlos.

Verbesserter Motor mit variabler Ventilsteuerung und 80 PS

Mit der neuesten Euro-5+-Version hat Moto Guzzi sich des Problems erneut, und so viel sei an dieser Stelle schon verraten, durchaus mit Erfolg angenommen. Die Eingriffe in den Antrieb wurden gewissermaßen minimalinvasiv – und erstaunlicherweise in Form von variabler Ventilsteuerung vorgenommen (siehe Bildergalerie oben und folgende Absätze). Zusätzlich ermöglichen jetzt Klopfsensoren die maximal mögliche Frühzündung. Auf diese Weise konnten sowohl das Drehmoment als auch die Leistung gegenüber der Vorgängerin von 82 Nm bei 5.000/min und 76 PS bei 7.500/min auf 83 Nm bei 5.100/min und 80 PS bei 7.750/min gesteigert werden. Eine modifizierte, nunmehr mit 3 Lambda-Sonden sowie rustikalen Schweißnähten bestückte Abgasanlage rundet die motorseitigen Maßnahmen ab. Alle anderen Bauteile sowie das 6-Gang-Getriebe blieben unverändert.

Wie funktioniert die variable Ventilsteuerung?

Zunächst sei an dieser Stelle klargestellt, dass der Begriff variable Steuerzeiten an dieser Stelle einerseits wohl stimmt, andererseits aber zumindest verwirrt. Denn da die V85 nur über eine Nockenwelle verfügt, sind die Steuerzeiten der Ventile an sich, also Öffnungs- und Schließwinkel sowie die Überschneidungen der Ein- und Auslassventile fix. Jedoch ist dieser Zyklus gegenüber der Kurbelwelle veränderbar. Die rein mechanisch wirkende Verstellung der Steuerzeiten funktioniert im Prinzip wie ein stufenloses Variomatik-Getriebe, wie es millionenfach in Scootern verbaut ist.

Mit 6 Stahlkugeln und Fliehkraft

6 Stahlkugeln laufen in um 14 Grad von der radialen Richtung abweichend angeordneten Bahnen, die nach außen hin ansteigen. Sie werden durch einen federbelasteten, mit der Nockenwelle verbundenen Deckel im Stand oder bei niedrigen Drehzahlen in ihrer Ruheposition nahe der Drehachse gehalten. Mit steigender Drehzahl wächst die Fliehkraft und lässt die Kugeln bei 6.500/min nach außen wandern. Dadurch verändert der Deckel seine Position in axialer Richtung, und durch die oben beschriebene Geometrie verschieben sich die Steuerzeiten um den agegebenen Winkel in Bezug zur Kurbelwelle. Das VVT-System der 2017er GSX-R 1000 R von Suzuki funktioniert recht ähnlich.

Moto Guzzi V85 (2024) Fahrbericht
Moto Guzzi

Neue Moto Guzzi V85 mit stärkerem Durchzug

Und tatsächlich: Im Fahrbetrieb agiert der V-Twin mit einer Bulligkeit, die man ihm – oder sich von ihm – schon immer gewünscht hätte. Er schiebt sogar im 6. Gang ab 2.000/min ohne Murren nachdrücklich an und drückt souverän und linear durchs Drehzahlband. So souverän, dass die Leistungsspritze ab 6.500/min auf den engen Bergstraßen im andalusischen Hinterland ausschließlich der Chronistenpflicht wegen abgerufen wurde. Man darf gespannt sein, ob sich die glaubhaften Angaben auch auf dem Prüfstand bestätigen.

Display und Schalter von den V 100-Modellen

Auch optisch hat sich einiges getan: Sämtliche Verkleidungsteile sowie der nach wie vor 23 Liter bunkernde Tank wurden neu gezeichnet. Ziel waren sowohl ein schmalerer Knieschluss als auch ein besserer Windschutz. Auch die markanten Gitterkonstruktionen für Cockpit und Gepäck mussten einfacheren, mutmaßlich günstigeren, aber vorn und hinten um 0,7 und 1,1 Kilogramm leichteren Gusskonstruktionen weichen. Vorn sitzt nun, höher und näher beim Fahrer liegend, das gleiche 5-Zoll-TFT-Display wie bei der V 100 Mandello und Stelvio, bei der V85 TT Travel ebenfalls mit integrierter Smartphone-Connectivity, zudem mit Tempomat und schräglagensensiblem "Kurven-ABS". Auch die deutlich wertiger wirkenden Schaltereinheiten stammen von den V 100-Modellen, wenngleich es in der Menüführung kleine Unterschiede gibt.

Windschild manuell einstellbar

Der Windschild wurde zwecks besserer Wirkung etwas vergrößert, und die bis dahin fummelige Einstellung via Inbusschlüssel wich einer auch während der Fahrt möglichen Ein-Hand-Bedienung. Der Einstellbereich beträgt über 5 Positionen insgesamt 70 Millimeter.

Weniger PS, aber auch weniger Kilos als die Stelvio

Die Präsentation des Moto Guzzi V85-Jahrgangs 2024 fand zeitgleich mit der der neuen Stelvio statt. Im direkten Vergleich fiel auf, dass die Minderleistung von 35 PS absolut keine Rolle spielte, sich aber das geringere Gewicht von 16 Kilogramm (bei der TT) und vor allem das spürbar wuseligere Handling trotz identischen Reifentyps, Michelin Anakee Adventure, deutlich bemerkbar machten.

Besonders handliche V85 Strada auf Guss-Rädern

Nochmals eine Schippe wuseliger nimmt die durch reduzierte Ausstattung (z.B. kein Gepäckträger, keine Handprotektoren, simplere Elektronik) ein wenig mit dem Image des Einstiegsmodells versehene V85 Strada das Winkelwerk unter die Räder. Die Aluminiumguss-Räder der Strada generieren zudem gegenüber den Kreuzspeichenrädern der TT und Travel rund 20 Prozent weniger Kreiselkräfte. Wie groß der Einfluss der leichteren Räder tatsächlich ist, ließ sich vor Ort nicht eruieren, da die Strada auf anderen Reifen (Dunlop Trailmax Meridian) unterwegs war. Klar ist jedenfalls, dass diese Kombination aus der V85 ein sehr freudenspendendes Kurvensuchgerät macht.

Neue Moto Guzzi V85-Modelle ab Mai 2024 – Preise

Wobei sich auch weder TT noch Travel dem Kurventanz verweigern, sie benötigen lediglich eine etwas kräftigere Führhand. Unterm Strich haben die Guzzi-Ingenieure einen guten Job gemacht und die V85 auf die Höhe der Zeit gehievt. Man könnte auch sagen, dass die Guzzi jetzt fertig entwickelt ist. Doch bis man den 2024er-Jahrgang der V85 genießen kann, braucht es noch ein wenig Geduld. Denn er steht erst ab Mai bei den Guzzi-Händlern, für 12.499 Euro (Strada), 13.499 Euro (TT) und 14.999 Euro (TT Travel mit Vollausstattung und Koffern).