Als die BMW R 80 G/S im Herbst des Jahres 1980 erschien, hatte es zuvor keine Reiseenduros gegeben. Sie war die Erste. Und mit ihr begann die sagenhafte Erfolgsgeschichte der GS-Modelle. Aktuell ist die BMW R 1300 GS das Top-Modell, 145 PS stark und rundum auf dem neuesten Stand der Technik – und Elektronik.
Neue BMW R 12 G/S im Stil der R 80 G/S
Doch zusätzlich zur 1300er-GS stellte BMW im März 2025, fast 45 Jahre nach der R 80 G/S, die neue R 12 G/S vor. Dabei handelt es sich um ein Retro-Modell, ganz offensichtlich inspiriert von der Ur-G/S. Nicht nur die Modell-Bezeichnung für "Gelände und Straße", wie damals abgekürzt als G/S mit Schrägstrich, übernimmt die Neue. Die R 12 G/S gibt es sogar in einer Farbvariante mit maximalem Wiedererkennungswert: in Weiß, mit blauem Dekor und roter Sitzbank.
Retro-Enduro mit Boxer-Motor
Enduro-Konzept und Grundkonstruktion der neuen BMW R 12 G/S stimmen ebenfalls mit der Original-Vorlage überein. Insbesondere der Antrieb ist markentypisch: der Zweizylinder-Boxer-Motor, hier luftgekühlt und nach wie vor ohne Wasserkühlung, bei der R 12 G/S immerhin mit zusätzlichem Ölkühler.
Rund 1.200 statt 800 Kubik, 109 statt 50 PS
Mit 798 Kubik kam die R 80 G/S auf 50 PS (37 kW) bei 6.500/min und auf 57 Nm bei 5.000/min. Bei der neuen BMW R 12 G/S sind es 1.170 Kubik und 109 PS (80 kW) bei 7.000/min sowie 115 Nm bei 6.500/min. Rund 50 Prozent mehr Hubraum und mehr als doppelt so viel PS/Nm, da muss sich unter den Kühlrippen einiges getan haben über die Jahrzehnte. Konkret: von der untenliegenden Nockenwelle mit Stoßstangen und 2 Ventilen pro Zylinder hin zu doppelten obenliegenden Nockenwellen (dohc) und 4 Ventilen pro Zylinder.
Updates für das alte Boxer-Prinzip
Bei kaum verändertem Hub (von 70,6 auf 73 mm) wuchsen die Kolben von 84 auf 101 mm, das Verdichtungsverhältnis stieg von 8,2:1 auf 12,0:1. Außerdem stellte BMW bereits in den 1990er-Jahren von Vergasern auf Einspritzung um. Amtliche 168 km/h rannte die R 80 G/S im 5. Gang, die neue R 12 G/S kommt im 6. Gang über 200, auf 210 km/h. Mit Schlupfregelung DTC und optional mit Schaltassistent zum Hoch- und Herunterschalten ohne Ziehen des Kupplungshebels.
Kardan bei BMW – neuerdings mit Wechsel-Intervall
Bei der BMW R 12 G/S unverändert ist die jahrzehntelang bewährte mechanische Ausführung der Einscheiben-Trockenkupplung, zwischenzeitlich immerhin mit hydraulischer Ansteuerung. Ebenso typisch für BMW ist die Kombination des Boxer-Motors mit dem Kardanantrieb, wobei BMW neuerdings Wechsel-Intervalle für die Kardanwelle vorgibt – im Fall der Enduro R 12 G/S alle 40.000 Kilometer.
Paralever statt Monolever
Bei der R 80 G/S war der Kardan bereits in einer einarmigen Hinterradschwinge integriert, allerdings noch im sogenannten Monolever. Der Paralever mit Stützstrebe zum effektiven Ausgleich der Lastwechselmomente kam erst 1988 mit der R 80 GS (ohne Schrägstrich), und dieses Prinzip behält die neue R 12 G/S bei – mit voll einstellbarem Federbein.
Upside-down-Telegabel statt Telelever
Von der klassischen Telegabel der R 80 G/S mitsamt den Faltenbälgen hat die neue BMW R 12 G/S aufgerüstet auf eine voll einstellbare Upside-down-Telegabel. Als Retro-Enduro überspringt sie die seit den 1990er-Jahren BMW-typische Vorderradführung Telelever. Die Federwege der R 80 G/S: 200 mm vorn, 170 mm hinten, die Federwege der R 12 G/S: 210 mm vorn, 200 mm hinten. Dabei fällt die Sitzhöhe mit 860 mm gleich aus.
Radstand, Räder und Reifen
Nah beieinander sind Lenkkopfwinkel (rund 63 Grad) und Nachlauf (rund 120 mm), doch der Radstand macht einen großen Unterschied: Rund 1.450 mm waren es bei der R 80 G/S, bei der neuen BMW R 12 G/S sind es 1.580 mm. Ähnlich deutlich fallen die Differenzen bei Rädern und Bereifung aus: Die R 80 G/S rollte noch auf den klassischen Formaten 3.00-21 vorn und 4.00-18 hinten aus dem Motorradwerk in Berlin-Spandau. Bei der neuen BMW R 12 G/S ist es 90/90-21 vorn und 150/70-17 – optional 150/70-18 – hinten.
Längst schlauchlos und optional mit Luftdruck-Sensoren
Auf schlauchlose Kreuzspeichenräder stellte BMW bereits Ende der 1980er-Jahre um, noch vergleichsweise neu und bei der R 12 G/S als Sonderausstattung verfügbar ist das Reifenluftdruck-Kontrollsystem RDC.
ABS für die Bremsen und LED für die Leuchten
Ebenfalls heutigen Standards entspricht die neue BMW R 12 G/S mit Doppelscheibenbremse vorn und Scheibenbremse hinten samt schräglagensensiblem ABS. In den 1980er-Jahren genügte noch eine Scheibe vorn und eine Trommel hinten den Ansprüchen, obwohl beides – aus heutiger Sicht – mit bescheidener Bremswirkung. Die zwischenzeitliche Umstellung der Leuchten von Glühlampen auf LED erscheint vor diesem Hintergrund nebensächlich, bei der R 12 G/S optional mit Kurvenlicht-Funktion.
Hauptständer wird vermisst
Praktisch und praxisrelevant war auf jeden Fall der Hauptständer der R 80 G/S. Bei der neuen BMW R 12 G/S wird es leider keinen geben, auch nicht als (Original-)Zubehör, denn der voluminöse Euro-5+-Vorschalldämpfer lässt keinen Platz dafür übrig.
Von unter 200 Kilo über 200 Kilo
Also ohne Hauptständer, mit Grundausstattung und zu 90 Prozent gefülltem Benzintank (15,5 Liter) wiegt die neue BMW R 12 G/S nach Werksangabe 229 Kilogramm. Bei der R 80 G/S waren es trotz größerem Tank (19,5 Liter) weniger als 200 Kilo: 191 kg mit Kickstarter, 196 kg mit zusätzlichem Elektrostarter. So pur und so leicht war keine Reiseenduro mehr nach der R 80 G/S.
Steiler Preisanstieg von 8.290 D-Mark auf 16.990 Euro
Nicht nur Leistung und Gewicht sind über 40 Jahre deutlich gestiegen, die Preise sind es ebenso. 1981 kam die R 80 G/S ab 8.290 D-Mark in den Handel, die lange Preisliste der neuen BMW R 12 G/S beginnt bei 16.990 – nicht Mark, sondern Euro.