Triumph Scrambler 400X vs. Yamaha XT 500 S: Moderner Scrambler trifft auf Ur-Typ

Triumph Scrambler 400 X vs. Yamaha XT 500 S
Moderner Scrambler trifft auf Ur-Typ

Veröffentlicht am 12.05.2025

1989 wurde unsere Yamaha XT 500 S erstmals zugelassen. Yamaha rollte 1988/89 seinen bereits 1976 erschienenen Kult-Single nur leicht aufgehübscht als "S"-Version zur Abschiedsvorstellung, nun mit Zwölf-Volt-Anlage und etwas Chromschmuck. Es war die Verbeugung vor einer Legende in ihrem letzten Baujahr: Bis zur Produktionseinstellung 1989 wurde die XT inklusive der Offroad-Schwestern TT und HL 500 über 140.000 Mal gebaut.

Kein Schnickschnack, kein Bullshit, kein Kokolores

Die 500er befeuerte Sehnsüchte, stillte Fernweh. So wie bei Thomas Waldhauer, dem gestaltenden Grafiker dieser Geschichte. Seine XT, mit dem Kürzel war alles gesagt, bewegte er 1987 bis 1989 mit großem Acerbis-Tank. Dabei war die Zeit in den 80er-Jahren über die 500er hinweggefegt wie ein Wüstensturm über ein Beduinenzelt. Mittlerweile gab es 600er als XL, DR und XT oder gar KLR 650. Mit Scheibenbremse, wassergekühlt und vierventilig.

Vier Ventile? Hat die XT ja auch: je eins im Einlass, Auslass, Vorderrad und Hinterrad. Motto: kein Schnickschnack, kein Bullshit, kein Kokolores. Alles am 500er-Eintopf ist so einfach aufgebaut, so gut zugänglich, von den Einstellschrauben der Ventile bis zu den zwei Ölablass-Schrauben. Drei Kontrollleuchten im Cockpit müssen genügen. Und es gibt keinen E-Starter.

Aufwendiges Kickstarter-Ritual bei der XT 500

Kick, kick, hurra. So machte gerade das aufwendige Kickstart-Ritual die Yamha XT 500 S zum "Männermotorrad", Mythen von zurückschlagenden Kickstartern inklusive. Nun, dieser Nimbus fährt heute noch mit. Fotograf Jörg Künstle hat noch nicht abgedrückt, da strömt auf dem recht leeren Parkplatz am Rossberg der Fahrer einer Kawa Zephyr 750 herbei: "Wow, ihr habt ’ne XT dabei!" Ein Menschenfischer auf Rädern. Etwas unbeachtet sitzt Kollege Marc Schwenker auf der Triumph Scrambler 400 X daneben.

Dabei gaben sich die Briten mit ihrer in Thailand und auch in Indien (in der gleichen Bajaj-Fabrik wie die 390er-KTMs!) gebauten Maschine doch so viel Mühe. "Scrambler" (zu Deutsch: Kletterer) trifft es auf den Kopf. Gemäßigte 150 Millimeter Federweg vorn wie hinten und ihre 19-/17-Zoll-Bereifung auf Gussrädern sind ein klares Signal. Dagegen bietet die XT Enduro-gemäß eine viel langhubigere Telegabel (195 mm) und Gelände-affine 21-/18-Zoll-Bereifung auf Drahtspeichenrädern.

Charme und Technik der Yamaha XT 500 S

Also los! Ja, die Yamaha XT 500 S braucht wirklich das Einfühlungsvermögen eines (Dampflok-)Maschinisten. Benzinhahn auf? Choke am Vergaser in der richtigen Stufe? Dann per Dekompressionshebel links am Lenker den Ausheber am Auslassventil betätigt, damit ich den Kolben ganz leicht durchtreten kann. Klack-kalack. Nun steht die Markierung im Schauglas an der Nockenwelle ("Kick-Indicator") an der korrekten Position. Und dann herzhaft zutreten – mit Schmackes! Ja, die XT kommt kalt auf den ersten Tritt. Bloß, heiß gelaufen zickt sie gern mal lang herum, trotz "Heißstartknopf" am Vergaser. Merke: Kicken ist cooler. Außer wenn die Kiste nicht anspringt, das ist dann eher uncool. Hat immerhin einen stabilen Leerlauf und erst gut 27.000 Kilometer auf der Uhr, unsere rustikale XT.

Der fette Halbliter-Eintopf freut sich, endlich mal wieder gefahren zu werden, läuft mit jedem Kilometer besser. Das Modell geht auf die 50 zu, dieses Exemplar ist 35 Jahre jung. Klingt satt, aber nicht laut. Der Single wummert sich ins Herz, donnert dir aus der Seele. Das macht an.

Yamaha XT 500 S mit strammer Kupplung

Das Motto auf der Triumph Scrambler 400 X: Knöpfchen drücken, und gut is’. Klingt kernig, der Retro-Rabauke, bollert noch dumpfer tieffrequent aus der Doppelrohr-Tröte. Und trotzdem sozialverträglich mit 91 dB(A) Standgeräusch bei 4.000 Touren. War das vor 35 Jahren schon ein Thema? Da klingt die Yamaha XT 500 S fast "dünner". In den 70er- und 80er-Jahren wurden oft Nachrüst-Schalldämpfer an XTs montiert. Heute dagegen ist Originalzustand angesagt.

Bloß nicht abwürgen, die XT. Wär’ blöd. Uuups, geht ziemlich stramm, die XT-Kupplung, Modell drei-bis-vier-Finger. Für harte Kerle und toughe Damen. "Tierisch von ganz unten" kommt die 500er nicht. Sie gibt sich gut fahrbar ab 2.500/min, im finalen fünften Gang eher ab 3.000 Touren. Hier entert der moderat kurzhubige Yamaha-Single seinen Wohlfühlbereich. Für 100 km/h rotiert die Kurbelwelle etwas über 4.500-mal pro Minute. In der 27-PS-Drosselversion (Versicherungen waren einst sauteuer) traben 27 Pferde bei 5.900 Touren an. Aber dieses Modell ist "offen", sollte bei 6.500 Touren volle 33 Kaltblut-Pferde einspannen. Tatsächlich finden sich 31 von ihnen bei 6.100/min auf dem Prüfstand ein. Hat alles etwas Uriges. Aber "Lanz-Bulldog-Attitüde" oder "Dampfhammer"? Das ist eher (r)eine Legende.

Triumph Scrambler 400 X mit leichtgängiger Kupplung

Da ist der Triumph-Eintopf schärfer gewürzt. Schön leichtgängig operiert seine Zweifinger-Kupplung. Sein eng gestuftes Sechsganggetriebe braucht einen fleißigen Schaltfuß. Bei Tempo 100 rotiert die Kurbelwelle bereits fast 6.000-mal. Klar hilft die kurze Übersetzung dem Scrambler auf die Sprünge, sorgt für ein Gefühl von Kraft. Wo bitte bleibt der siebte Gang?

Die Triumph Scrambler 400 X zieht im sechsten Gang besser durch als die Yamaha XT 500 S im fünften! Und sie verträgt ihn auch früher. Ist Hubraum also doch zu ersetzen? Nun, bis gut 6.000 Umdrehungen zeigt die XT der Triumph Scrambler 400 X, was Muckis sind, stemmt 40 Newtonmeter bereits bei 5.000/min (Triumph: 37 Nm bei 6.400/min). Erst bei Drehzahlen, bei denen die XT schon Ventilflattern bekommt, zwischen 6.100 und fast 9.000 Touren  , bietet die Triumph mehr Power. Bei Vmax 135 km/h riegelt Triumphs Drehzahlbegrenzer ab. Bei diesem Tempo läuft die XT gegen eine unsichtbare Wand aus Wind.

39 PS bei 7.700 Touren

Das Drehzahlniveau fällt auf der ultrakurzhubigen, hoch verdichtenden 400er viel höher aus. Sie holt aus vier Fünftel des Hubraums ein Viertel mehr Leistung, 39 PS bei 7.700 Touren. Da presst sich der Vierventiler mit dem fetten 89er-Kolben (XT: 87 mm Ø) also fast 100 PS Literleistung aus dem wassergekühlten Zylinder. Entspräche 50 PS aus den 499 Kubik der Yamaha. Dafür hätten XT-Tuner früher ihren Bruder in Zahlung gegeben. Laut Triumph war hohe Lebensdauer des Wirbelwind-Singles dennoch ein wichtiges Entwicklungsziel.

Schon mit 66 PS pro Liter war bei XTs bei 50.000 Kilometern oft der erste Übermaßkolben für den Leichtmetallzylinder mit Grauguss-Laufbuchse fällig. Immerhin trägt unser Oldie eine verschleißmindernd wirkende, doppelte Ölsteigleitung vom Yamaha-Spezialisten Kedo zu beiden Kipphebeln. Nun, in Metallurgie (beschichtete Alu-Zylinder), Fertigungstoleranzen und Verarbeitungsqualität hat sich in vier, fünf Jahrzehnten eben einiges getan. Bauhöhe spart die Trockensumpfschmierung der Yamaha XT 500 S ein, zudem soll sie auch bei 90 Grad Schräglage noch Schmierung garantieren. Beim Stop-and-Go für die Fotoaufnahmen wird dem Yamaha-Motor verdammt heiß. Man lernt Mitgefühl mit der im frittenfettheißen Ölbad laufenden Mechanik.

Scrambler-Motor vibriert oben heraus kernig

Schon nicht dumm, die Wasserkühlung moderner Motoren. Lässt bei 32 Grad Umgebungstemperatur easy einen kühlen (Zylinder-)Kopf bewahren und sorgt für einen stabileren Temperaturhaushalt. Da verzeiht man gern den häufig anlaufenden Lüfter. Zumal der 400er-Einspritzmotor mit den angedeuteten Kühlrippen am kompakten Zylinder nach dem Abstellen fast noch schöner knistert und knackt als die große, üppig verrippte 500er. Liegt es am fetten, doppelwandig ausgeführten Edelstahlkrümmer? Das Exemplar der Yamaha ist einwandig, dünner und viel höher verlegt.

Schön weich und berechenbar folgt der XT-Vergaser jeder Zuckung im rechten Handgelenk. Aber dieser Technik nachtrauern? Anfälliger waren diese Gemischbildungs-Fabriken jedenfalls als moderne Einspritzsysteme, Stichwort: Standschäden durch Ablagerungen im Inneren. Zumal auch die Einspritz-Triumph schön weich am Gas hängt, allenfalls aus dem Schiebebetrieb heraus einen Tick härter anspricht. Trotz neumodischer Ausgleichswelle vibriert der Triumph-Motor oben heraus kernig. Klar, die Yamaha XT 500 S auch. Good Vibrations!

Mehrstufige Traktionskontrolle und ABS

Zwar verkörpert Triumphs kleinster Scrambler mit nur einem Fahrmodus und wenig Einstellmöglichkeiten nicht gerade Highest End, ist dafür auch noch kein Computer auf Rädern. Trotzdem steht die Ausstattung der Triumph Scrambler 400 X für ein Motorrad aus dem 21. Jahrhundert. Mit ABS (am Hinterrad für Offroad-Betrieb sogar abschaltbar), mehrstufiger Traktionskontrolle (ebenfalls für Offroad-Betrieb justierbar), Warnblinker, heller LED-Beleuchtung rundum und Bordcomputer.

Drei Ziffern charakterisieren die XT: 5-0-0. Klar. Aber auch 1-5-0. Zarte 150 Kilogramm wiegt der Spring-ins-Feld. Das merkt man bereits beim kinderleichten Rangieren. Kaum zu fassen: Der Feld-Wald-und-Wiesen-Scrambler von Triumph bringt satte 66 Pfund mehr auf die Waage, wiegt volle 183 Kilogramm. Wo kommen die Mehrkilos her? Elektronik fällt doch kaum ins Gewicht. Triumph hat die Bauteile offenbar sehr großzügig dimensioniert. Und auch eine Wasserkühlung wiegt. Dazu ist der Tank aus Stahl, fasst 4,5 Liter mehr, egal ob E5 oder E10. Sprit mit Alkohol? War 1989 noch nicht angesagt.

XT 500: wasch- und gefühlsechte Enduro

Ja, Freunde, der charakterstarke Offroad-Oldtimer fährt leichtfüßiger. Erhaben und aufrecht, einfach cool ist das XT-Fahrgefühl hinter dem schmalen Alu-Tank. Fröhlich wackelt der hochgelegte, breite Kotflügel im Fahrtwind. Immer ihm nach, er weist wie eine Kompassnadel dorthin, wo deine Sehnsucht schon lange mal hinwollte. Der Wonne entgegen! Chicke Faltenbälge schützen dünne 36er-Standrohre der konventionellen Telegabel vor Dreck.

Das langhubige Fahrwerk steckt viel ein. Und weg. Eingetragene Federbeine von Bilstein machen das Beste aus bereits verlängerten 130 Millimetern Federweg, sprechen fein an, lassen das Heck des Oldies "satt" liegen, bieten reichlich Reserven. Zudem offeriert die 500er deutlich mehr Bodenfreiheit unter dem dicken Alu-Motorschutz, satte 240 Millimeter. So schmeichelt sich die Yamaha XT 500 S immer noch als wasch- und gefühlsechte Enduro ein. Die wackere 500er ist mit grobstolligen Heidenau K 67 besohlt, vorn schmal wie eine Trennscheibe. Sie bieten offroad viel Traktion. Doch in Schräglage auf Asphalt machen sie das Fahrverhalten kippelig, wenn man an den Kanten der Stollen ankommt. Da empfehlen sich die Heidenau K 60 Scout M+S mit runderer Kontur. Wuchtig und komfortabel wirkt die Nachrüst-Sitzbank von Wunderlich an der XT.

Triumph Scrambler mit martialischem Look

Da ist die Triumph Scrambler 400 X, martialische Optik hin, lässiger Auftritt her, aus einem weicheren Holz geschnitzt. Schon der im Tiefparterre verlegte Auspuffkrümmer zeigt: Der Anspruch meint es hier nicht ganz so ernst. Feldwege ja, echtes Offroad bedingt. Noch einen Tick höher sitzt man auf der kleineren 400er. Kleine Leute müssen im Stand "fußeln". Breitschultrig umarmt man die grüne Landschaft. Herrlich.

Beim Design hat Triumph alle Register gezogen, bis hinzuschicken Lüftungsgittern im rechten Seitendeckel. Der linke Deckel kommt gar als poliertes Alu-Blech im Startnummern-Stil daher. Lecker! Für eine rustikale Aura sorgen das Lampengitter, der 85 Zentimeter breite Enduro-Lenker mit umhüllter Mittelstrebe und stylische Handprotektoren. Well done. Metzeler backt seine gemäßigten Grobstöller Karoo Street in Indonesien. Globalisierung à la 21. Jahrhundert. Die 19-/17-Reifen kommen schlauchlos-sicher daher. Kann die Speichenrad-XT bloß von träumen.

Die erwachsene, nicht besonders handliche Triumph hat zwar "rundere" Reifen, lenkt aber etwas hölzern ein. Sie versteift sich bei steigendem Tempo etwas, braucht Einsatz am breiten, hohen Lenker. Das direkt angelenkte Zentralfederbein mit Ausgleichsbehälter reicht harte Absätze und Kanten trockener ans Steißbein weiter. Bevor aber ein falscher Eindruck entsteht: Komfort kann die Kleine durchaus. Wobei in der 40-PS-Leistungsklasse die Vorteile der konstruktiv steiferen Upside-down-Gabel gar nicht so sehr ins Gewicht fallen. Clever im Fall des Falles ist das angeschraubte Rahmenheck.

Triumph Scrambler 400 X für 6.595 Euro

Nun, just beim Geländehüpfer Yamaha XT 500 S ist das Heck angeschweißt. Na und? Eine XT kann nun wirklich jeder Dorfschmied wieder richten. Und für ihr Fahrverhalten gilt eine einfache Regel: je kleiner die Straße, desto größer das Vergnügen. Das geringere Gewicht und der superenge Wendekreis machen trialartige Passagen auf der Yamaha zum Kinderspiel. Das macht Laune! Aber Achtung: Die dick gepolsterten Gummis rund um die XT-Fußrasten sind bei Wasserdurchfahrten rutschig-glitschig.

Bei der Triumph Scrambler 400 X liegen unter der Gummiauflage gezackt-griffige, stählerne Rasten. Zudem muss man den Oldie viel vorausschauender fahren. Stichwort: Bremsen. Bremsen, welche Bremsen? Die vordere Trommel war schon 1989 ein Anachronismus; sie ist auf rettende Unterstützung von der Kollegin im Hinterrad angewiesen. Die Triumph bremst mit stumpfen Belägen im radial montierten Vier-Kolben-Festsattel zwar auch nicht ideal: Man braucht volle vier Finger. Doch die Verzögerung fällt dann ABS-unterstützt um Klassen besser aus als auf der XT. Fortschritt ist erlebbar. In Stadt, Land und Fluss.