Ducati Hypermotard 939, Yamaha MT-09 und Aprilia Dorsoduro 900 im Vergleichstest

Ducati Hypermotard 939, Yamaha MT-09 und Aprilia Dorsoduro 900
Funbikes im Vergleichstest

Zuletzt aktualisiert am 17.08.2017
Funbikes im Vergleichstest
Foto: Arturo Rivas

Fangen wir gleich mit der Vernunft an. Die sagt: Viel Power ist super, bringt aber die Fahrerlaubnis in Gefahr. So zwischen 90 und 120 PS sind als ideales Mittel flugs ausgemacht. Solche Motoren lassen sich beherzt ausquetschen, ohne zu überfordern oder die Ordnungshüter auf den Plan zu rufen. Und genug Pferdestärken für den flotten Sprint zwischen Kurven oder bei Überholmanövern bieten sie allemal. Noch mehr Vernunft? Gerne. Kommen wir zum generellen Sitzarrangement. Klar vermitteln die tiefen Stummel gängiger Supersportler ein unnachahmliches Gefühl fürs Vorderrad, liefern Feedback ohne Ende von der Front. Aber im Dickicht Spaß bringender Kurvenstrecken strengen sie auch an, lastet viel Gewicht auf den Händen. Dann doch lieber aufrecht und lässig-locker zum Lenker greifen.

Die Vorgaben sind also klar, die Testkandidaten umrissen. Aprilias neue Dorsoduro 900 tritt an. Auf fast 900 Kubik dank mehr Hub erweitert, soll der italienische V2 laut Werksangabe gut für 95 PS bei 8750 Umdrehungen sein. Etwas mehr Potenzial schlummert im zweiten V2, der ebenfalls aus Italien stammt. Wir verlassen Noale und wenden den Blick nach Bologna, hin zur Hypermotard 939 . Die haben sie bei Ducati erst im letzten Jahr feingeschliffen, die Bohrung vergrößert, um auf exakt 937 cm³ zu kommen. Das ebenfalls wassergekühlte V2-Triebwerk mobilisiert 110 flotte Pferde bei 9000 Umdrehungen. In Sachen Hubraum kann der dritte Kandidat da nicht ganz mithalten, schließlich besitzt die MT-09 von Yamaha nur 847 Kubik. Dafür verfügt der Crossplane-Motor aber über einen Zylinder mehr, dreht noch ein wenig höher und drückt laut Datenblatt 115 PS bei 10 000/min. Die Zutaten der drei passen also zum anfangs geäußerten Profil. Und da sie sich zudem preislich im engen Rahmen bewegen, die Dorsoduro kostet 9990 Euro, die Hypermotard 12 295 Euro und die Yamaha 9165 Euro, ist alles angerichtet für den spaßigen Schlagabtausch.

Als neuestem Modell gebührt der Aprilia der Vortritt. Sanft und gut dosierbar hängt der V2 in den drei Fahrmodi Sport, Touring und Rain am Gas. Der Griff zur Kupplung fordert aber einen trainierten linken Unterarm. Zwar will Aprilia die Betätigungskraft im Vergleich zum Vorgänger um 15 Prozent reduziert haben, die Betätigung der Exemplare von Ducati und besonders Yamaha fällt aber deutlich leichter. Wobei die MT-09 mit spitzem Einrückverhalten und verbesserungswürdiger Dosierbarkeit ein paar Minuspunkte sammelt.

Doch zurück zur Aprilia. Geschmeidig pulst sich der Motor durch sein Drehzahlband, überzeugt beim launigen Ritt über Land. Gleichmäßig und ohne Überraschungen nimmt er Gas an. Störende Lastwechsel sind ihm fremd, gesittet und im besten Sinne unauffällig werkelt er. Erst wenn das Messer zwischen den Zähnen des eiligen Dorsoduro-Reiters aufblitzt, müht er sich ein wenig. Das Mehr an Hub hat ihm zwar im Gegensatz zur Dorsoduro 750 ein Plus von acht Newtonmetern beschert, in puncto Drehfreude wirkt der 900er beim flotten Kurvenrausch aber immer ein wenig bemüht. Zudem bremst der Begrenzer den Elan schneller ab, als einem lieb ist. Bei etwas über 9000 Umdrehungen ist Schluss. Dann flackern zahlreiche Lämpchen im TFT-Display auf, mahnen den nächsten Schaltvorgang an. Ducatis Hypermotard dreht gute 1000 Touren höher, bittet entsprechend später um die nächste Gangstufe. Und auf der Yamaha ist das eh kein Thema. Dort, wo die V2s die Segel streichen, jubelt sie noch locker-flockig weiter, erspart beim Ausdrehen vor Kurven den einen oder anderen Griff zur Kupplung.

Wobei sich der Duc-Zweier nicht ganz so gut erzogen gibt wie das Exemplar von Aprilia. Verwertbaren Rundlauf liefert er erst ab 3000 Umdrehungen, in den Gängen fünf und sechs noch später. Dann aber tritt er mit mehr Verve an, untermalt mit akustischer Präsenz in allen drei Fahrmodi, dass hier ein rassiger italienischer Twin zwischen den rot getünchten Rahmenrohren hängt. Subjektiv einfach ein charakterstarker Auftritt – auch wenn das in der 1000-Punkte-Wertung keine Berücksichtigung findet.

Die hat die MT-09 fest im Visier. In ganz tiefen Drehzahlen, bei denen zumindest die Hypermotard noch um Contenance bemüht ist, säuselt der Drilling noch sanft vor sich hin, nur um wenig später sein wahres Wesen zu offenbaren: Wie von der Tarantel gestochen prescht die MT jenseits von 5000 Umdrehungen voran, zündet den Nachbrenner, flitzt scheinbar von allen lähmenden Schwungmassen befreit Richtung Begrenzer, der erst über 11 000/min zum Nachlegen der nächsten Gangstufe auffordert. Schön, dass mittlerweile beim Auskosten des Drilling-Potenzials das oft kritisierte Ansprechverhalten stimmt – zumindest in den Fahrmodi Standard und B. Im A-Modus reagiert der Dreizylinder immer noch recht ruppig auf Gasbefehle, besonders, wenn auf „Gas zu“ ein sofortiges „Gas auf“ folgt. Wird der Griff rechts mit mehr Feinmotorik betätigt, antwortet der Motor gesitteter auf den Wunsch nach mehr Feuer im Brennraum.

Bleibt festzuhalten: Den Spagat aus Fun und Vernunft meistert in Sachen Motor keine so gut wie die Yamaha. Doch wie sieht’s beim Fahrwerk aus? Schließlich hilft der beste Motor nichts, wenn Gabel und Federbein nicht passabel beim Eckenwetz oder der Sonntagmorgen-Tour mitspielen. Bei der MT-09 sind Gabel und Dämpfer ziemlich soft ausgelegt. Im Cruising-Mode geht die Abstimmung noch als komfortabel durch, wird engagierter um Kurven gebogen, kommt viel Bewegung in die Yamaha. Besonders das Heck schwingt kräftig von oben nach unten. Leichte Fahrer arrangieren sich damit, bei schwereren leidet die Stabilität. Denn obwohl die Yamaha trotz der unterdämpften Auslegung des Federbeins relativ präzise die anvisierte Linie trifft, fehlt einfach Vertrauen. Selbst eine komplett geschlossene Zugstufe sowie eine auf Stufe vier erhöhte Vorspannung hinten ändern daran nichts.

Anders gibt sich die Ducati. Straffer liegt sie auf der Straße. Die Hypermotard huscht nicht ganz so wuselig durchs Kurvige wie die Yamaha, liegt aber ungleich ­stabiler, lässt sich beherzt und mit viel Vertrauen abwinkeln, bis der Schalthebel Rillen in die Straße fräst. Schräg kann die Duc. Und das auch, wenn der Asphalt sein Gesicht ändert, aus topfeben holprig wird. Zwar sind Unebenheiten klar zu spüren, die Federelemente meistern die Rüttelprüfung aber, die Duc ist kein Wackelkandidat. Präzision und Stabilität stimmen.

Kann ich auch, wirft die Dorsoduro ein, und hat sogar recht damit. Auch sie liegt wie hingezimmert auf der Straße, rennt unerschütterlich geradeaus. Das nächste „Aber“ ist allerdings nicht weit, weil das Setup der Federelemente unausgewogen gelang. Vorne steht die Dorsoduro mit völlig entspannten Gabelfedern ziemlich hoch, hinten trotz auf insgesamt 15 sichtbare Gewindegänge erhöhter Vorspannung relativ tief. Dazu kommen noch das mit 220 Kilogramm höchste Gewicht sowie der längste Radstand und flachste Lenkkopfwinkel des Trios. Mit dieser Auslegung benötigt die Dorsoduro 900 fürs schräge Vergnügen die stärksten Lenkimpulse, besonders in Wechselkurven. Hinzu kommt noch die störrische Erstbereifung Dunlop Qualifier D 209, die jede Längsrille in Aufstellmoment ummünzt und beim Bremsen in Schräglage am liebsten sofort geradeaus rennt. So biegt die Dorsoduro 900 unhandlicher als die Yamaha und die Duc ab, hat auf Kehren-gespickten Passstraßen das Nachsehen.

Ob agil oder behände wird gerade völlig egal. Der Himmel öffnet seine Schleusen. Jetzt hilft nur noch die Flucht oder ein Fotograf mit hervorragender Ortskenntnis. Der leitet uns zu einer ehemaligen Werkshalle einer Gießerei. Der Besitzer ist bekannt, das Dach dicht, hier dürfen wir uns weiter austoben. Machen wir gerne. Weshalb ab sofort die Reifen wimmern, schnell schwarze Striche den holprigen Betonboden zieren. Beim Gauditreiben bestehen sie alle.

Doch Obacht, Vernunft sollte nicht zu kurz kommen. Dazu zählt die Sitzposition. Die orientiert sich zwar an persönlichen Vorlieben, dennoch überzeugt die Aprilia durchweg. Einzig der Knieschluss dürfte schmaler ausfallen. Ansonsten: Leicht nach vorne gebeugt greifen die Hände den Lenker, hockt es sich angenehm auf der straffen, 890 Millimeter hohen Bank. Die ist bei der Hypermotard mit 880 Millimetern ein Stück tiefer, besitzt aber eine Kuhle. In die plumpst der Hintern und bleibt gefangen. Der Abstand zum Lenker: eng. Die Bewegungsfreiheit nach hinten: mäßig. Bis 175 Zentimeter Körperhöhe funk­tio­niert’s, alle anderen zwingt das zum Rund­rücken. Bei der Yamaha geht’s kommoder zu. Die Sitzbank in 820 Millimeter Höhe ist wie bei der Aprilia gerade geschnitten, der Lenker hoch und angenehm gekröpft. So lässt es sich aushalten. Allerdings hockt man mehr im als auf dem Motorrad, sitzt leicht passiv.

Passiv kennt die Yamaha beim Thema Bremsen nicht. Beherzt packen die einteiligen Vierkolbensättel mit eingeschraubtem Deckel zu. Recht grob, aber selbst mit Sozius ohne Überschlagsgefahr regelt das ABS. Das schafft die Duc nur im ABS-Mode 2. Im Mode 1 agiert sie aggressiv, ist der Kopfstand vorprogrammiert. Die Dorsoduro kennt beim ABS nur die Funktionen „an“ und „aus“. Weil das ABS beim spontanen Bremsdruckaufbau nicht immer hinterherkommt, muss der Fahrer den folgenden Stoppie mit Feingefühl meistern.

Gut fühlen sich alle drei beim Stopp an der Zapfsäule, die der Dorsoduro-Pilot als Erster ansteuert. Am Verbrauch von 4,7 Litern auf 100 Kilometern liegt’s nicht, sondern am mit 11,5 Litern kleinen Tank. Leuchtet die Reservelampe, ist nach 35 Kilometern Ebbe im Spritfass. Yamaha (4,4 Liter/100 km) und Ducati (5,0 Liter/100 km) kommen weiter.

Das Trio demonstriert: Fun und Vernunft müssen sich nicht widersprechen. Mehr zu verlangen, wäre vermessen, ein wenig Feinschliff an der einen oder anderen Stelle aber schön. Schließlich würde das ihr Spaßpotenzial noch vergrößern.

MOTORRAD Testergebnis

1. Yamaha MT-09

Drei Kapitelsiege und kleinster Anschaffungspreis geben die Marschrichtung vor – die MT-09 landet ganz vorne. Wenngleich: Neben dem tollen Motor hätte sie ein strafferes Fahrwerk samt mehr Zuladung verdient. So könnte sie noch mehr glänzen.

2. Ducati Hypermotard 939

Aus dem ehemaligen Zappelphilipp ist ein stabil liegender Kurvenräuber mit rassigem Motor und gut funktionierenden Assistenzsystemen geworden. Spaß im Kurven­revier ist garantiert. Nur die Sitzbank sollten sie bei Ducati noch mal überdenken.

3. Aprilia Dorsoduro 900

Im direkten Vergleich fehlt dem gutmütigen Motor einfach Schmalz. Zudem arbeiten Gabel und Federbein nicht homogen, machen die 900er unhandlich. Verbrauch und Sitzposition zeigen: Potenzial ist da, aber eben auch noch Luft nach oben.