KTM 990 Duke im Top-Test:

KTM 990 Duke im Top-Test
Kombination von Agilität und Stabilität

Veröffentlicht am 14.11.2024

Die KTM 990 Duke musste während des Tests gegen mächtige Referenzmotorräder bestehen: eine 1290 und die neue 1390 Super Duke Evo (Vergleich und Top-Test in MOTORRAD 11/2024). Doch wie erschütternd – im positiven Sinne – die Leistungseruptionen der beiden "beasts" auch gewesen sein mochten, richtig zu Hause fühlten sich alle drei Fahrer auf der leichteren, flinkeren 990 Duke. Das neu konstruierte Fahrwerk in Verbindung mit den Serienreifen vom Typ Bridgestone S 22 sorgt für agiles Einlenken, setzt den tieferen Schräglagen dann jedoch sanft anwachsenden Widerstand entgegen. So wird das erzeugt, was wir Kurvenstabilität und Lenkpräzision nennen.

Unbeschwerter Umgang, ausgezeichnete Messwerte

Gleichsam nebenbei auch das, was während des Fahrens an der Grenze zwischen dem Halb- und dem Unterbewussten schwebt. Meist kann man es erst in Worte fassen, wenn am Ende eines Fahrtages die Erlebnisse nachwirken: "Ich habe Vertrauen in dieses Motorrad." Das ist der tiefere Grund für den unbeschwerten Umgang mit der KTM 990 Duke. Kritische Geister werden diese Aussagen anhand der ausgezeichneten Messwerte bestätigt finden, welche die neue Duke in den Top-Test-Parcours realisiert hat.

Beim Vergleich mit den Werten der Duke 890 R aus dem Jahr 2019 ist noch zu berücksichtigen, dass sich der Zustand des Asphalts auf der Teststrecke seither verschlechtert hat – er weist etliche Bitumen-Flickstellen mehr auf. Für den Messknecht an Stoppuhr und Lichtschranke war es auch sehr aufschlussreich, zu sehen, wie elegant und scheinbar mühelos Top-Tester Karsten Schwers mit der KTM 990 Duke um die Pylonen schlüpfte, bevor ich es selbst testen konnte.

KTM 990 Duke mit schmaler Taille

Es gibt eine Reihe von Details, die diese Leichtigkeit im Umgang unterstützen. Die schmale Taille der KTM 990 Duke im hinteren Tank- und vorderen Sitzbankbereich zum Beispiel oder die Sitzposition. Die Ergonomie ist im Grundsatz entspannt-aufrecht gestaltet. Sie sorgt für guten Überblick im Kurvengeschlinge, erlaubt aber auch eine energisch-vorderradorientierte Haltung, wenn sich der Fahrer gegen die volle Beschleunigung stemmen muss.

Und beim scharfen Bremsen kann er sich so wirkungsvoll an die Tankflanken klemmen, dass er keinen Handstand auf dem Lenker machen muss. Das ist eine wichtige Voraussetzung für gute Bremsstabilität und die daraus resultierende fulminante Verzögerungsleistung. Doch dazu später mehr.

Sportlich-straffe Grundabstimmung

KTM-Modelle der Duke-Reihe sind nicht für sänftengleichen Federungskomfort bekannt, trotz reichlich Federweg an der Hinterhand. Die direkt angelenkten Federbeine sprachen nicht besonders sensibel an. In dieser Hinsicht ist bei der KTM 990 Duke eine deutliche Besserung zu spüren. Bei ihr fällt eher die Gabel durch ihre kernige Arbeitsweise auf. Die über einen weiten Bereich, aber nur durch vier Klicks einstellbare Druckstufe kann auch gerne über die Mitte hinaus geöffnet werden, ohne dass die sportlich-straffe Grundabstimmung über Gebühr verweichlicht wird. Unten und in der Mitte deutlich mehr, oben kaum weniger als bei der 890 R – so lassen sich die Darbietungen des um 58 cm³ vergrößerten Motors zusammenfassen. Er bekam 1,8 Millimeter mehr Bohrung, 1,6 Millimeter mehr Hub, Nockenwellen mit längeren Ventilöffnungszeiten, ein neues Mapping und eine neu gestaltete Auspuffanlage. Damit ist er zugleich kräftiger und sparsamer geworden.

Kultiviertere Laufkultur dank mehr Schwungmasse

Die KTM-Techniker geben an, dem 947er in der KTM 990 Duke mehr Schwungmasse gegeben zu haben, um ihm eine etwas bessere Laufkultur anzuerziehen. Kurz vor den Testfahrten mit der Duke habe ich ausführlich eine 890 Adventure gefahren, und im Abstand von ein paar Tagen kam es mir tatsächlich so vor, als liefe der größere Motor etwas kultivierter. Auch er zeigt zwar das für KTM-Reihenzweizylinder fast schon typische Konstantfahrruckeln beim Mitschwimmen im Verkehr, doch das nimmt man gerne in Kauf angesichts der Spritzigkeit und des Temperaments, die sie allesamt an den Tag legen, egal welche Schwungmomente der Kurbeltrieb produziert.

Das gilt besonders für die scharfen Fahrmodi Sport, Performance und Track. Die Letztgenannten sind nur während der ersten 1.500 Kilometer aktiviert, sodass man sie ausprobieren und entscheiden kann, ob man sie im Rahmen des Tech Pack für 955 Euro Aufpreis weiter nutzen will. Im Track- und Performance-Modus sind einige Einstellungen frei konfigurierbar, das Verhältnis von Drehwinkel am Gasgriff und Öffnung der Drosselklappen, also die Gasannahme, ist jedoch gleich wie im aufpreisfreien Sport-Modus. Es garantiert einen hohen Erlebniswert.

KTM 990 Duke feuert dermaßen aus der Kurve

Wenn alles passt, die Reifen warm und der Scheitelpunkt auf der richtigen Linie erreicht ist, feuert die KTM 990 Duke dermaßen aus der Kurve, dass man sich für die nächsten 150 bis 200 Meter auf einer Super Duke wähnt. Diese Illusion währt bis knapp über 8.000/min; bei rechtzeitigem Hochschalten lange genug, um die "beasts" auf kurvigen Landstraßen tatsächlich auf Distanz zu halten. Wer es nicht ganz so scharf will, etwa auf dem Weg zur Arbeit oder bei Fahrten zu zweit, wählt den Street-Modus und erhält damit immer noch die volle Leistung in Kombination mit einer sanfteren Gasannahme und einer eher defensiv regelnden Traktionskontrolle.

Weil der fulminante Drehmomentanstieg im Sport-Modus höchstwahrscheinlich durch Gemischanfettung erzeugt wird, war der Street-Modus auch bei der Verbrauchsmessung aktiv. Er ist also der vernünftigere, aber noch lange kein Langweilermodus. Was den Rain-Modus betrifft, so müssen wir zugeben, ihn nicht probiert zu haben. Zum einen hat es nicht geregnet, zum anderen ließ die KTM 990 Duke selbst den Gedanken daran gar nicht erst aufkommen.

Hervorragende Brems-Performance im Test

An dieser Stelle sei auf die merkwürdige Stufe in der Leistungskurve knapp oberhalb von 7.000/min hingewiesen. Sie geht einher mit einem deutlichen Abfallen des Drehmoments kurz nach dem Maximum. Die Vermutung liegt nahe, dass sich hier eine per Motorsteuerung einprogrammierte Zurückhaltung manifestiert. Offenbar will man sich bei KTM noch etwas Luft nach oben lassen, um mit geringem Aufwand für eine künftige 990 Duke R oder ein vollverkleidetes Supersport-Motorrad auf dieser Basis mehr Power freizusetzen. Mit dem Modelljahrgang 2024 und also auch der 990 Duke beendet KTM eine Phase der defensiven Abstimmung von Antiblockiersystemen. Im Modus Road mit Hinterrad-ABS und Abhebeerkennung lupft die KTM 990 Duke bei einer Vollbremsung nur gelegentlich das Hinterrad um einen Lichtspalt vom Boden, trotzdem schafft sie mittlere Verzögerungen von 9,4 m/s² aus 100 km/h. Das ist im Vergleich zu früher und zu anderen Naked Bikes ein hervorragender Wert, den sie auch mehrmals hintereinander reproduziert hat.

Im Supermoto-Modus ohne Hinterrad-ABS und Stoppie-Stopp schaffte Top-Tester Karsten Schwers nach einiger Übung dann sogar 9,9 m/s² mit der KTM 990 Duke. Dabei schwebte das Hinterrad allerdings über längere Phasen in Höhen, die wohl nur wenige Fahrer tolerieren. Schon gar nicht bei einer reflexartigen Vollbremsung in einer Gefahrensituation. Die meisten lösen instinktiv die Bremse und benötigen am Ende dann doch einen längeren Weg bis zum Stillstand. Beim Studium der Messwerte sinnierten wir darüber, ob es nicht gut wäre, noch einen 9,6er-ABS-Modus zur Verfügung zu haben, der etwas höhere Hinterradlupfer erlaubt als der Street-Modus, dann aber eingreift, bevor es vornüber geht. Zugegeben, das ist angesichts der jüngsten Fortschritte in Sachen ABS-Konfiguration nicht ganz gerecht, aber die Entwicklung muss ja immer weitergehen.

KTM 990 Duke bleibt stets sauber in der Spur

Egal in welchem ABS-Modus die KTM 990 Duke bis zum Stillstand heruntergestaucht wurde und wie weit sie dabei das Hinterrad in die Luft reckte, blieb sie stets sauber in der Spur. Das heißt, der Fahrer musste sich nie so stark am Lenker abstützen, dass er selbst die Lenkimpulse eingeleitet hätte, die ein seitliches Ausbrechen des Hecks verursachen. Und die Reibpaarung erwies sich ein ums andere Mal als scharf ansprechend und zugleich gut dosierbar.

Obgleich längere Touren zu zweit sicherlich nicht zu den Kernkompetenzen eines so leichten und sportlichen Motorrads zählen, bietet die KTM 990 Duke dem Sozius einen relativ geräumigen Sitzplatz und einen angenehmen Kniewinkel. Es empfiehlt sich aber, im Zweipersonenbetrieb die Feder hinten maximal vorzuspannen, weil die KTM 990 Duke mit der erhöhten Hinterradlast träger und weniger präzise lenkt. Leider enthält das reichhaltige und raffiniert platzsparend gestaltete Bordwerkzeug keinen Hakenschlüssel. Es ist andererseits auch kein Problem, einen zu besorgen.

KTM 990 Duke ab 14.490 Euro

Mit einer satten Preissteigerung – die hochwertig ausgestattete 890 R kostete zuletzt 13.049 Euro – gehen nicht nur das neu konstruierte Fahrwerk und der überarbeitete Motor der KTM 990 Duke einher, sondern auch ein großes, farbiges Fünf-Zoll-TFT-Display. In Motorrädern mit komplexer Elektronik haben diese Instrumente eine Doppelfunktion. Sie informieren während des Fahrens über Geschwindigkeit, Drehzahl, Gang, Kühlwassertemperatur und so weiter und dienen bei der Konfiguration der verschiedenen Modi im Stand der Menüführung. Das klappt trotz des reichen Elektronikangebots ohne große Verwirrung, was jedoch nicht bedeutet, dass man mal eben in ein paar Minuten durch die weitverzweigten Einstellmöglichkeiten reisen könnte.

Vor allem, wenn die erweiterten Funktionen des Tech Pack aktiviert sind, sollte man sich Zeit nehmen, alles so zu konfigurieren, wie es einem am besten passt. Immerhin gibt es in Vollausstattung schon einmal vier Anzeigemodi und dabei ist die Navigationsfunktion noch gar nicht berücksichtigt. Allein zum Kombiinstument umfasst das Handbuch 34 Seiten. Zum Schluss noch ein Hinweis: Wenn beim Fahren der Tempomat nicht aktiviert ist, dienen die -Set- und +Res-Taste der Schnellverstellung der Traktionskontrolle. Es kommt leicht vor, dass man versehentlich die +Res-Taste berührt und die Traktionskontrolle immer früher eingreift. Nur falls man sich wundert, warum die KTM 990 Duke auf einmal etwas lethargischer aus der Kurve beschleunigt.