So fährt die neue KTM 1390 Super Duke R (2024)

KTM 1390 Super Duke R im Rennstrecken-Test
Das neue 190-PS-Biest ist eine Naturgewalt

Veröffentlicht am 12.02.2024

2014 brachte KTM die erste Version ihres "The Beast" getauften Power-Naked-Bikes, seitdem ist die Super Duke über drei Modellgenerationen gereift. Was 2024 zum Fahrtermin auf der Rennstrecke von Almería vor uns steht, darf sich als prächtiges Stück hochmoderner Technik bezeichnen.

Neue KTM 1390 Super Duke R

Gut 60 Prozent der KTM 1390 Super Duke R sind entweder neu oder zumindest stark überarbeitet, nur der Hauptrahmen bleibt als Bauteil aus dem Vorgängermodell auf den ersten Blick erkennbar gleich. Und die 1390er macht aus ihren dazugewonnenen Vorzügen ohnehin keine Geheimnisse, man bekommt sie praktisch in Windeseile, nun: ins Gesicht gerieben.

Variabler V2 als Gentleman-Abrissbirne

Erwartungsgemäß frappiert die KTM 1390 Super Duke R durch einen Antritt aus der Kategorie Überfall. Bereits aus niedrigsten Drehzahlen – Bereiche, in denen man sich auf der Rennstrecke für gewöhnlich nur beim Verlassen der Boxengasse kurzzeitig aufhält – zieht die größte aller Dukes mächtig an. Jedoch ist das nichts im Vergleich dazu, was ab 6.000 Touren herum geschieht. Dann schaltet die Cam-Shift-Technik auf das schärfere Nockenwellenprofil und verwandelt die Super Duke in eine Art Naturgewalt, die in ihrem Vorwärtsdrang keinerlei Halt vor irgendetwas gewährt.

Scharfe Nocke, sanft am Gas

Der Wechsel im Zylinderkopf der KTM 1390 Super Duke R selbst erfolgt allerdings mechanisch unauffällig, bis auf den massiven Zuwachs an Spurtvermögen zeigen sich keinerlei Formen von Lastwechseln. Überhaupt gibt der 1390er seine 190 PS recht linear ab, der Motor lässt sich immer noch herrlich gut dosieren. Bis circa 11.000/min kann der neue LC8-drehen, und das macht er mit größter Motivation. Tatsächlich gibt es in seinem gesamten Drehzahlband keinen Bereich, in dem er auch nur ein Fünkchen nachlässt. Für eine Runde um Almería muss man niemals tiefer als in den dritten Gang schalten, noch nicht einmal durch die langsame Schikane, kurz bevor die Strecke rechtsrum auf die Gegengerade führt. Insofern beweist auch die neueste Super Duke wieder eine fantastische Elastizität. Übrigens schafft man es auf der Gegengeraden nur bis in den fünften Gang. Dann stehen gute 270 km/h auf dem Tacho.

Flinkes Chassis

Was das Kurvenfahrverhalten der KTM 1390 Super Duke R betrifft, steht auf der Habenseite ein sensationell flinkes Handling und eine sehr ordentliche Geradeaus- und Kurvenstabilität. Wichtig ist sanfte Gasgriffkontrolle, denn wer zu früh in zu großer Schräglage und zu heftig aufreißt, dem keilt die Super Duke wild mit dem Hinterrad aus und will sich aufschaukeln. Die Evo-Version der Maschine mit semi-aktivem Fahrwerk (Modus Track 1 mit Almeria-spezifischen Einstellungen) bietet hier anscheinend etwas mehr Stabilität und Reserven. Dennoch und allgemeingültig: Richtungswechsel, ob schnell oder langsam, vollziehen sich erstaunlich mühelos.

Tapfere Reifen von Michelin

Die KTM 1390 Super Duke R, die mit vollgetankt 210 Kilogramm gegenüber ihrer Vorgängerin kein bisschen zugenommen hat, fühlt sich spritzig an, wozu verdachtsweise die Testbereifung Michelin Power GP2 beiträgt. Die Reifen sind zwar vom maximalen Gripniveau eines Slicks weit entfernt, haften für einen straßenzugelassenen Gummi aber tapfer und überhitzen selbst nach vielen Runden nicht. Sie geben darüber hinaus klare Rückmeldung – zwei abgefangene Vorderradrutscher beweisen es. Serienmäßig ist zunächst der Vorgängerreifen Power GP aufgezogen, da der GP2 zum Zeitpunkt der Super-Duke-Homologation nicht fertig war. Ab 2025 soll der GP2 Erstausrüstung sein, hört man seitens Michelin.

Sitzposition setzt Grenzen

Was die Vorderradkontrolle der neuen 1390 Super Duke R angeht, muss man sich auf der Rennstrecke der Auswirkungen der hoch angebrachten Lenkstange bewusst sein. Man sitzt aufrecht, weit weg vom Vorderrad und sollte, zumindest mit Straßenreifen, im letzten Drittel einer engeren Kurve nicht zu aggressiv pushen. Auch beim schnellen Reinfahren plus Anbremsen in beginnender Schräglage setzt die Haftung des Vorderrads ein klar erkennbares Limit. Apropos Bremsen: Die Brembo-Anlage stoppt gewaltig, fein dosierbar und ist vollkommen standfest – ein Gedicht.

Mit Sinn und Verstand: Elektronik-Update

Elektronisch zeigt sich die 1390 Super Duke R ebenfalls neu aufgestellt, und zwar klar durchdacht und funktional. Einige Programme wie die einstellbare Traktionskontrolle über neugestaltete Kippschalter am Lenker (sagenhaft!), das einstellbare Motorbremsmoment oder die neue vierstufige Wheelie-Kontrolle erhält man nur mit dem optionalen Performance-Modus und Track-Pack, aber die Maschinen bei der Präsentation sind alle vollausgestattet.
Wenn man im Street-Modus startet, lernt man schnell, dass die Elektronik bei flotter Fahrt viel eingreift – zu viel. Der scharfe Track-Modus mit ausgewähltem Ansprechverhalten "Sport" erweist sich dagegen als bestens abgestimmt zum Schnellfahren auf abgesperrter Strecke. Wer sich hier langsam an die Traktionskontrolleinstellungen zwei oder gar eins (geringste Intervention) herantastet, kann sogar mit dem Grip am Hinterrad spielen und heftige Slides aufführen. Wie die Wheelie-Kontrolle das Vorderrad sauber in der Luft halten soll, ist dem Autor dagegen zunächst noch schleierhaft. Schöne Wheelies gelangen erst, als die Assistenz deaktiviert wurde. Nicht zuletzt deshalb bietet die neueste Super Duke zig Funktionen und Einstellmöglichkeiten zum Herausarbeiten – massig davon.