Seit 1984 auf Weltreise: 580.000 km mit der Enfield Bullet

580.000 Kilometer mit der Enfield Bullet 350
Seit 1984 auf Weltreise

ArtikeldatumVeröffentlicht am 13.12.2025
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Diese erste größere Motorradreise, zu zweit mit der 350er-Royal-Enfield, sie führte 1984 über fast 8.000 Kilometer in die damalige Tschechoslowakei bis an die ukrainische Grenze und durch Polen. Doch der Gedanke, mit der Enfield Europa zu verlassen, war damals noch lange nicht reif. Benno musste erst einmal Vertrauen zur Technik der Enfield fassen. Am Anfang hatte er viele technische Probleme mit dem Motorrad, doch als Lkw-Mechaniker konnte er "viele davon lösen, ihre Ursache beseitigen und die Technik verbessern", so Benno.

Bis nach Damaskus in Syrien getrampt

Die Inspiration für das ganz große Abenteuer lieferte ein Trip per Anhalter, bei dem die beiden bis nach Damaskus in Syrien trampten. Aus geplanten drei Wochen wurden drei Monate. Ausgerechnet dort trafen sie einen Holländer auf einer BMW, der ihnen ein deutsches Motorrad-Reisemagazin ans Herz legte – wegen der guten Reiseinformationen. Wieder zu Hause schenkte Thecla Benno ein Abo zum Geburtstag. Und wie so oft waren es die Bilder, in diesem Fall Bilder aus Afrika, die das Fernweh entfachten.

Inzwischen hatte Benno genügend Vertrauen in die Enfield. Sie wurde präpariert und reisefertig gemacht – für Afrika. "Wir hätten nie gedacht, dass wir durch die Sahara kommen, aber wir haben es geschafft", erzählt er. Sie fuhren durch West- und Zentralafrika, alles in allem 22.000 Kilometer. Kurz vorher hatten die beiden noch geheiratet – auf der Enfield natürlich.

Für jedes Problem gab es eine Lösung

Im Regenwald des Kongo wurde ihnen das Gepäck aus dem Anhänger gestohlen, aber nun kamen sie leichter durch die von Lkws zerfurchten Schlammstraßen. Es gab zwar immer wieder Probleme, auch mit dem Motorrad, aber auf wundersame Weise fanden sich immer wieder Lösungen, gleichsam durch Zufall.

Mitten im Regenwald von Kamerun brach die Achse des Anhängers entzwei. Fünfzig Meter weiter "war jemand im Wald versteckt, mit einem Schweißgerät", berichtet Benno. Das Gleiche passierte mit der Deichsel des Anhängers: Sie brach mitten in der Wüste des Sudan. Umgeben von Palmen und Lehmziegelhütten fand sich tatsächlich nur wenige Hundert Meter weiter ein Schweißgerät.

"In Mexiko, in der Baja California", erinnert sich Benno, "merkte ich, wie der Hinterreifen platt wurde. Es war schrecklich heiß, und es gab nur einen Baum mitten im Nirgendwo. Tatsächlich konnte ich gerade noch den Schatten des Baumes erreichen."

Auch wenn man den ganzen Tag nichts und niemanden gesehen hatte, es kam immer jemand vorbei mit einer Lösung – und sei es ein Baum.

Weltreise Royal Enfield Bullet 351
Benno und Thecla Graas

Begegnung in Bolivien

In Bolivien trafen Benno und Thecla ein deutsches Paar. Die beiden wollten wissen, warum sie denn eine Royal Enfield Bullet 350 für ihre Reisen gewählt hätten. Benno: "Eigentlich wussten wir nicht, was wir darauf antworten sollten. Wir vertrauen dem Motorrad einfach. Ich fahre damit immer zur Arbeit, sagte ich ihm. Daraufhin sahen sich die zwei Deutschen an und mussten beide lachen; er hatte zwei Jahre lang nach dem besten Allradauto für deren Südamerikareise gesucht …"

Die Begegnung fand im Innenhof des kleinen Hotels statt, wo sie alle abgestiegen waren. Benno war gerade dabei, die Enfield auszugraben, die ein mit Sand beladener Kipper dort versehentlich verschüttet hatte. Da holte der Deutsche den Klappspaten aus seinem Allradauto, um zu helfen, und meinte: "Bisher habe ich den Spaten auf der ganzen Reise nicht benutzt, wer hätte gedacht, dass ich ihn ausgerechnet im Hof eines Hotels brauchen würde."

Doch gerade in Afrika gab es auch furchteinflößende Situationen. Im Kaokoland in Namibia löste sich der Ventilsitz aus dem Zylinderkopf und die Kompression war weg. "Du schaust dich um, ob das die richtige Stelle ist, um den Motor zu öffnen, dann tauchen Zebras hinter den Büschen auf, Giraffen und Oryxantilopen", erzählt Benno, "und alle schauen, was du da machst. Dann fragst du dich, ob da vielleicht auch Löwen sind. Sehr beängstigend!"

Hilfsbereite Menschen und eigene Reparaturen

Tatsächlich ging unterwegs an der Royal Enfield Bullet 350 immer mal wieder was kaputt, aber Benno wusste sich zu helfen, traf aber auch stets auf hilfsbereite Menschen. Als sie in Botswana im Sand steckenblieben, verbrannten drei Kupplungsscheiben. "Ich hatte nur eine als Ersatz dabei", berichtet Benno, "die anderen beiden habe ich mit Sekt- und Weinkorken repariert. Das funktionierte die nächsten 200.000 Kilometer."

In Patagonien brach das Hauptlager der Kurbelwelle, der Motor musste zerlegt werden, und es dauerte zwei Wochen, bis die Ersatzteile eintrafen. Währenddessen zelteten die beiden im Garten einer argentinischen Familie, lernten ihre Lebensweise kennen und nebenbei Spanisch.

Oder in Österreich, da brannte das Auslassventil durch. "Der erste Mensch, den wir auf der Straße trafen, sah sich das Problem an und konnte es innerhalb von vier Stunden beheben – mit einem Auslassventil vom Volvo Penta, das er in den Zylinderkopf der Enfield einbaute", erinnert sich Benno.

Diese Erfahrungen mit anderen Menschen und den eigenen Fähigkeiten haben Benno und Thecla unterwegs sehr zuversichtlich gemacht: "Diese Art von wunderbaren Zufällen passierte so oft, dass wir jetzt wissen, dass es immer Menschen gibt, die helfen wollen. Wenn man einem Problem den Raum und die Zeit gibt, wird es sich auf natürliche Weise lösen."

Von Afrika über Amerika nach Europa

So wurden die Reisen länger und exotischer. Nach der großen Afrikatour 1990 ging es 1995 über 29.000 Kilometer von Alaska über Kanada und die USA nach Mexiko.

1998 fuhren sie neun Monate lang durch Südamerika und legten dabei 31.000 Kilometer zurück, zwölf Monate brauchten sie für den Trip von Südafrika auf dem Landweg bis nach Holland über 43.000 Kilometer. Die später folgende Islandreise ging mit fünf Wochen und 3.000 Kilometern als Kurztrip durch.

Weltreise Royal Enfield Bullet 352
Printmaps.net / OSM Contributors / Béatrice Mebarek

Planänderungen während Corona

Im Jahr 2020 durchkreuzte das Virus den Plan, über die Seidenstraße in die Mongolei und nach Ostsibirien zu fahren. Die Reise endete bereits an der Grenze zwischen Deutschland und Polen. Benno erzählt: "Weil alles geschlossen war, mussten wir drei Monate lang im Wald bleiben. Nach einigen Wochen gab uns ein deutscher Förster eine Jagdhütte im Zittauer Gebirge."

Weltreise Royal Enfield Bullet 351
Benno und Thecla Graas

Der Zufall und die Mitmenschen waren ihnen weiter wohlgesonnen, und so trafen sie bald einen Mann mit einer Enfield Diesel. Der lud sie in seine kanadische Hütte in den Wald bei Neustrelitz ein, wo sie den Rest des Pandemie-Lockdowns verbringen konnten.

In die Mongolei kamen sie nicht mehr, aber am Ende standen nach einer großen Runde durchs Baltikum und Skandinavien auch 20.000 Kilometer auf dem Zähler.

Die Vorbereitungen vor einer Reise

Vor jeder großen Reise nimmt Benno Motor und Getriebe an der Royal Enfield Bullet 350 komplett auseinander und baut alles mit neuen Lagern, Dichtungen und neuen Kolbenringen wieder zusammen. Hinzu kommen zahlreiche Optimierungen wie ein BMW-Auslassventil, magnetische Stecker, ein geschlossener Kasten für die Kette zum Hinterrad, ein doppelter Luftfilter und viele andere Kleinigkeiten.

Für Fahrten auf Schneefahrbahn, etwa zum Elefantentreffen oder nach Sibirien, haben die beiden zwei Skier dabei, die bei Nichtgebrauch seitlich am Motorrad befestigt werden.

Enfield Bullet: Türöffner in die Herzen von Menschen

Zwar haben Thecla und Benno in all den Jahren so oft wie möglich in der Wildnis gezeltet, "aber überall, wo wir anhalten, kommen die Leute mit uns ins Gespräch. Das klassische Motorrad verbindet wirklich Menschen auf der ganzen Welt, und überall werden wir eingeladen", schwärmt Benno vom Reisen mit der Royal Enfield Bullet 350.

Gleichwohl gibt er zu, dass sie schon ein bisschen schwer ist für eine 350er. Mit zwei Personen und dem Anhänger, beladen mit Benzin und Wasser, kommen sie auf eine halbe Tonne, weshalb Thecla das Gespann nicht so gerne fährt.

Weltreise Royal Enfield Bullet 351
Benno und Thecla Graas

Trotzdem brachte sie die Enfield in den Anden hoch auf 4.700 Meter, auch wenn sie das letzte Stück schieben und auch mal den ganzen Tag im ersten Gang fahren mussten. "Die Schmetterlinge waren schneller", lacht Benno.

Bei Temperaturen von fast 50 bis hinunter zu minus 20 Grad reisten sie durch Wüsten und Regenwald, auf Lastwagen, in Zügen und in Flugzeugen. Die Enfield fuhr mit Schiffen auf Nil, Colorado, Amazonas, Kongo und Niger. Sie wurde von Bären umgeworfen und legte sich vor Giraffen in den Staub, ertrug Reparaturen an den unmöglichsten Orten und fiel beinahe in einen von Kaimanen verseuchten Fluss.

Stets ließ sie sich reparieren und spielte den Türöffner in die Herzen von Menschen rund um den Globus. Ja, und zu Hause, in Holland, bringt die Royal Enfield Bullet 350 Benno noch immer jeden Tag zur Arbeit – bis die beiden wieder damit aufbrechen in die weite Welt.

Fazit