Harley-Davidson Sportster S: Auf der Rennstrecke

Harley-Davidson Sportster S Umbau
Wilbers macht die Sportster zum Sportler

Veröffentlicht am 07.07.2023

Im Grunde dreht sich alles um Innovationen, die uns allen, den Fahrzeugen sowie den Piloten, zugutekommen. Rückblick: Als Harley seine Sportster S im Sommer 2021 präsentierte, gab es neben viel Lob für den Mut, neue Wege zu gehen und darüber hinaus mit 122 PS endlich Leistung zu haben. 2 Auffälligkeiten am Bike: Der geringe Federweg hinten generierte kaum Komfort, und der dachförmig konturierte 160er, den die Company vorn verbaut hatte, fuhr sich mit zunehmender Laufleistung katastrophal. Dass die Industrie hierauf reagierte, war kein Wunder.

Sportster S goes Rennstrecke

Wilbers entwickelte zusammen mit ZF sein bekanntes Nivomat-Fahrwerk, und Metzeler nahm sich des Reifens an und präsentierte den Cruisetec in gefälliger 160er-Ausführung als Vorderreifen. Doch es blieb nicht bei Pressemitteilungen. Benny Wilbers, Ex-Rennfahrer und Fahrwerks-Guru, scharte einen bunten Haufen von Spezialisten um die Sportster S zusammen.
Seine Idee: Die wohl bislang sportlichste Harley aller Zeiten sollte sich auf der Rennstrecke beweisen und einen Rundenrekord aufstellen. Für Cruiser, wohlgemerkt. Die Wahl fiel auf Oschersleben. Als Fahrer konnte Wilbers Roadracer Thilo Günther gewinnen. Der meinte zwar, er sei schon zehn Jahre dort nicht mehr gefahren, doch die schräge Idee gefiel ihm. Er sagte zu. Genau wie viele andere. Harley Deutschland stellte die Maschine, Damen Leathers sponserten die Rennkombi, Xlite den Helm, die Auspuffspezialisten Jekill & Hyde steuerten die Auspuffanlage bei. Magura spendierten den Lenker sowie die Bremspumpe, Thunderbike schickte neue Gabelbrücken sowie eine höhere Rastenanlage, und Don Performance kümmerte sich darum, dem Motor mehr Pferde einzuhauchen.

Mehr Leistung für die Sportster S

Zum Tuning der Harley-Davidson Sportster S sagt Andreas Taphorn (Don Performance): "Wir haben eine Lösung gewählt, die auf den vorhandenen Komponenten fußt. Mit den Nockenwellen und den größeren Drosselklappen des Schwestermodells Pan America wären vielleicht noch 20 PS mehr drin gewesen. So liegen wir bei 145 PS an der Kupplung."
Um das Ganze als Roadmovie zu erzählen und einen möglichst großen viralen Effekt zu erzielen, wurden zwei Bikes gebaut. Ein straßenkonformes, bei dem nur eine J&H-Klappenauspuffanlage, der Metzeler Cruisetec sowie ein Nivomat-Fahrwerk verbaut wurden und das Thilo zur Anreise nutzte. Und natürlich die scharfe Version, auf die er anschließend umstieg, um auf der Rennstrecke das Gummi und die Bestzeit herzubrennen.


Mehr Fahrwerk für die Sportster S

Dass sich diese beiden Versionen der Sportster S sehr voneinander unterschieden, ist klar. Die zivile Version ist MOTORRAD gefahren: Sowohl das Nivomat-Federbein als auch der Metzeler Cruisetec werten das Bike enorm auf und sind für alle Fahrer der Sportster S bedingungslos weiterzuempfehlen. Für die Rennversion haben die Jungs in die Vollen gegriffen. Metzeler-Rennslicks sorgen für den nötigen Grip und ein spezielles Wilbers-Fahrwerk – voll einstellbar natürlich –, das insgesamt 40 mm größere Bodenfreiheit generiert und auf harte Rennstreckenanforderung abgestimmt ist, bringt die Leistung auf den Teer. Die montierten Carbonräder reduzieren die rotierenden Massen enorm. Das Hinterrad ist gegenüber der Serie 6,5 kg leichter und das Vorderrad deren vier. Insgesamt wiegt die Race-Sportster 209 kg vollgetankt und damit 21 Kilo weniger gegenüber der Serienvariante. Als Thilo nach den ersten Turns wieder in der Boxengasse auftaucht, ist er begeistert. Die Maschine fährt nicht nur wesentlich besser als gedacht, das Grundsetup passt hervorragend. Sein Traum, eine Zeit von unter 1:40 Minuten zu schaffen, gestaltet sich jedoch schwierig.

Selbstverständlich wurde die Traktionskontrolle deaktiviert, doch es ist für Thilo nicht ganz einfach, die richtigen Schaltpunkte zu treffen, denn ein Schaltblitz fehlt, und der wassergekühlte V2 rast mit Vehemenz durchs Drehzahlband. Am Ende stehen 1.42,2 Minuten auf der Stoppuhr. "Trotzdem macht das hier richtig Spaß", sagt der Ostwestfale. "Die Maschine ist handlich, zielgenau und biegt präzise ums Eck. Natürlich ist die Schräglage nicht so groß wie bei einem Superbike. Zudem ist sie derzeit ein sehr teures Einzelstück. Da kannst du nicht volles Risiko gehen." Doch wer sagt, dass sie ein Unikat bleibt? Die Komponenten des "Anreisebikes" sind bereits im Handel erhältlich.


Interview mit Thilo Günther, Multitalent auf zwei Rädern und PS-Testfahrer

PS: Bist du so eine Harley Sportster S schon mal gefahren?

Thilo Günther: "Nein, aber diese hier ist ja "far beyond original". Da ist vieles geändert, wie du ja bereits geschrieben hast. Neben der Technik ist es gottlob auch die Sitzposition, die ist jetzt rennstreckentauglicher – der Lenker ist schmaler, das Fahrwerk insgesamt um 40 mm höher, und die Fußrasten sitzen weiter oben und weiter hinten, sonst bekommst du ja gar keine Schräglagen hin. Das Basismodell ist zwar sportlich, aber war nie für die Rennstrecke gedacht. Allerdings fühlt es sich nach dem Umbau immer noch so an, als ob die Knie über dem Tank sind. Man sitzt eher auf als in dem Motorrad."

PS: Sitzposition, gutes Stichwort. Kommt man da als Rennfahrer gleich mit klar? Du bist schließlich kein Zwerg.

Thilo Günther: "Hahaha! Ich fahre ja sowieso mit allem, was zwei Räder hat (Anm. der Redaktion: Thilo startet auch beim Bagger-Race), diese Dinge kann ich ruck, zuck adaptieren. Aber ich kann mir auch gut vorstellen, dass jemand, der nur mit Superbikes unterwegs ist, arge Probleme mit der Umstellung auf diese Sitzposition hat. Mich stört das nicht. Ich persönlich finde ein leichtes Vorderrad immer toll … (lacht)"

PS: Was hältst du von dem Motor?

Thilo Günther: "Klasse. Power ist da, auch von unten heraus. Das Einzige, was fehlt, ist ein Schaltblitz. Der Motor schiebt wunderbar linear los – perfekt dosierbar. Trotzdem vermisst man auf der Renne ein breiteres Drehzahlband, denn der 1200er geht unverhofft bei 9500/min in den Begrenzer – gewöhnungsbedürftig."

PS: Wie beurteilst du das Handling?

Thilo Günther: "Für ein Rennmotorrad sind 209 Kilo natürlich schon viel. Aber das Gewicht merkt man nicht wirklich, die Maschine ist recht handlich. Die Umrüstung auf Karbonfelgen der BMW M 1000 RR hat natürlich auch eine sehr positive Auswirkung darauf."

PS: Und das Fahrwerk?

Thilo Günther: "Super! Burkhard (Fahrwerksingenieur bei Wilbers) hat das voreingestellt. Sein Setup ist sehr gut gelungen und hat sofort gepasst. Muss man nichts mehr nachjustieren. Die Maschine liegt wie ein Brett, stabil beim Anbremsen, zielgenau beim Einlenken. Straff, aber nicht unkomfortabel. Perfekt. Auch die Bremsen lassen keine Wünsche übrig. Alles premium. Besser geht es nicht. Magura-Radialbremspumpe, dicke Scheiben. Nach drei Runden war das alles eingeschliffen. Bremst wie ’ne Wand."

PS: Erzähl mal was zu den Zeiten. Hast du dich sehr gesteigert?

Thilo Günther: "1.42,2 Minuten. Leider nein. Ist ein persönliches Phänomen. Die beste Zeit fahre ich stets auf einer der ersten Runden. Das war schon immer so. Ich kann relativ schnell auf einer neuen Strecke meine Bestzeit fahren. Aber nach hinten raus wird es nicht besser. Etwas mehr wäre sicherlich drin gewesen, schließlich fahren die Superbikes hier 1,26er-Zeiten. Aber man muss immer bedenken, dass die Maschine ein Unikat ist. Wenn du die wegbetonierst, ist das ein Drama. Da gibt man keine 105 Prozent, sondern baut Sicherheit ein."

PS: Kannst du dir vorstellen, damit eine Rennserie zu machen?

Thilo Günther: Klar. Spaßig ist das schon. Und für die US-Marke wäre das auch sicher eine tolle Promotion, denn irgendwie ist das Image ja verbunden mit grauen Bärten, dicken Bäuchen und übergewichtigen Bikes. Stell dir nur mal vor, so einen Sportster-S-Lauf würde man im Rahmen des Fischereihafen-Rennens machen. Das wäre mega (Thilo hat das Fischereihafen-Rennen insgesamt fünf Mal gewonnen). Aber da müssten dann wahrscheinlich auch die Harley-Händler mit einsteigen.